Im Kampf gegen die Fettleber
| 01. Juni 2017Ina Bergheim ist seit September 2016 Professorin für Nutritional Physiology/Molecular Nutrition an der Universität Wien. Hier geht sie unter anderem der Frage nach, welchen Einfluss Ernährung auf die Entwicklung einer Fettleber hat – und gibt Antwort auf die Semesterfrage.
Ursprünglich beschäftigte Ina Bergheim sich mit alkoholbedingten Lebererkrankungen – ein Thema, das nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch seitens vieler Fördereinrichtungen verharmlost wird. Dabei sind die Zahlen zum Alkoholkonsum in Österreich und Deutschland besorgniserregend: Rund 1 Million ÖsterreicherInnen haben einen problematischen Alkoholkonsum, OECD-Zahlen aus 2015 zufolge trinkt die österreichische Bevölkerung sogar um 1,1 Liter mehr Alkohol als der EU-Durchschnitt, nämlich 12,2 Liter reinen Alkohol pro Kopf und Jahr. Kommt es dann zu alkoholbedingten Erkrankungen, wie z.B. einer Fettleber oder gar Fettleberhepatitis, herrscht aber häufig die Meinung vor, dass diese selbst verursacht sei und "einfach" durch Abstinenz geheilt werden könne.
Häufige Ursache von Lebertransplantationen
Bei einem Aufenthalt in den USA stieß Ina Bergheim auf Parallelen zwischen alkoholbedingten Lebererkrankungen und nicht-alkoholbedingten Leberschäden (non-alcoholic fatty liver disease, NAFLD). Diese treten vor allem bei Menschen mit Übergewicht und Insulinresistenz häufig auf. "Wobei die Ursache meist in der Ernährung gesehen wird", so Bergheim. Untersuchungen aus den USA weisen inzwischen darauf hin, dass diese Art der Lebererkrankungen in den nächsten Jahren die häufigste Ursache von Lebertransplantationen in den USA sein wird.
Leberschäden nehmen auch in Europa zu
Auch in Europa nimmt die Zahl der von der NAFLD betroffenen Personen stetig zu. Anhand von Experimenten an Mäusen, denen unterschiedliche Zuckerarten gefüttert wurden, konnte Folgendes nachgewiesen werden: Fruktosekonsum führt im Vergleich zu Haushaltszucker oder Glukose bei längerfristiger und erhöhter Aufnahme zu einer Verfettung der Leber, was die frühe Phase der NAFLD darstellt. Doch wie kommt das zustande? "Als Hypothese zog man wieder Beobachtungen aus der Alkoholforschung heran: Durch den Alkoholkonsum kommt es zu einem vermehrten Übertritt von bakteriellem Endotoxin aus dem Darm in den Blutkreislauf", erklärt Bergheim.
Alkohol verletzt das Darmgewebe
So führt sowohl der akute, aber mehr noch der chronische Konsum von hohen Mengen an Alkohol zu einer "Auflockerung" des Darmgewebes, es wird "verletzt". Dadurch geht die Barrierefunktion des Darms teilweise verloren. "Auf diesem Weg gelangen schließlich bakterielle Endotoxine über die Pfortader in die Leber, was zur Entstehung der Fettleber aber auch schwerer Leberschäden führen kann. Im Experiment wurde nachgewiesen, dass bestimmte Antibiotika die Entwicklung einer alkohol- aber auch einer fruktoseinduzierten Fettleber abmindern können. "In weiterführenden Versuchen wurde außerdem nachgewiesen, dass der vermehrte Übertritt von bakteriellen Endotoxinen bei chronischem Fruktosekonsum zur vermehrten Bildung reaktiver Sauerstoffspezies und zur beginnenden Entzündung der Leber beiträgt", so Bergheim.
Ob jedoch auch beim Menschen ein hoher Konsum von Fruktose ein wesentlicher Faktor der Entstehung der NAFLD ist, konnte bisher nicht abschließend geklärt werden. "Dazu führt unsere Arbeitsgruppe derzeit einige Interventionsstudien beim Menschen durch", erzählt Bergheim.
Leberhistologie von Mäusen mit (rechts) und ohne nicht-alkoholbedingte Fettlebererkrankung. Die Tiere erhielten entweder eine Kontrolldiät oder eine mit Fett, Fruktose und Cholesterin angereicherte Diät für acht Wochen. (Fotos: Ina Bergheim)
Buttersäure im Kampf gegen die Fettleber?
Darüber hinaus beschreibt die Wissenschafterin in einer aktuellen Studie die Wirkung von Buttersäure (Natriumbutyrat) bei frühen Anzeichen einer nicht-alkoholbedingten Fettleber oder NAFLD. Der positive Effekt dieser kurzkettigen Fettsäure auf die Darmbarriere wurde bereits beobachtet – bei entzündlichen Darmerkrankungen auch beim Menschen. Die Daten der vorliegenden Studie im British Journal of Nutrition (2016) weisen darauf hin, dass die Gabe von Buttersäure die intestinale Melatoninsynthese steigert. Melatonin steuert den Schlafrhythmus und stellt ein potentes Antioxidans dar. "Wir haben nachgewiesen, dass es die endotoxinabhängige Induktion von iNOS und die Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies in der Leber dämpft. Untersuchungen am Menschen sind allerdings noch ausständig", so Bergheim.
uni:view: Wie beantworten Sie unsere aktuelle Semesterfrage: Gesundheit aus dem Labor – was ist möglich?
Ina Bergheim: Vor dem Hintergrund, dass in den nächsten Jahrzehnten der Anteil der Älteren, und hierbei wohl nicht nur der gesunden Älteren, in der weltweiten Bevölkerung weiter ansteigen wird, wird die Frage der Prävention von degenerativen Veränderungen und Krankheiten immer wichtiger. Ein besseres Verständnis der Interaktion von Ernährungsmustern, aber auch einzelnen Nährstoffen mit dem Gesamtorganismus sowie zellulärer Prozesse könnte einen wesentlichen Beitrag leisten, gesundes Altern besser zu ermöglichen.
International und interdisziplinär
Ina Bergheim und ihre Forschungsgruppe arbeiten mit verschiedenen Modellen, um ihre Arbeitshypothesen im Experiment zu überprüfen. Einiges, was in diesen Modellorganismen beobachtet werden kann, ist jedoch nicht 1:1 auf den Menschen übertragbar. "Das liegt vermutlich auch daran, dass beim Menschen vielfältige Faktoren mitspielen bzw. eine streng kontrollierte und standardisierte Nahrungszufuhr beim Menschen nur mit sehr großem Aufwand über längere Zeit möglich ist", erklärt Bergheim.
Für die anspruchsvollen Experimente sind internationale Kooperationen erforderlich. "Daher arbeiten wir mit HepatologInnen und MikrobiologInnen aus Deutschland, Schweden, Frankreich und den USA, aber auch mit KollegInnen vom AKH Wien zusammen", so Bergheim. Sie bringt dabei die Expertise zu Ernährungskomponenten und deren Interaktion mit der Darmbarriere und der Leber ein, was ansonsten international im Bereich Darmbarriere und Hepatologie selten ist. Auch mit KollegInnen der Pharmazie wie Judith Rollinger, Verena Dirsch oder Manfred Ogris gibt es bereits gemeinsame Projekte, um mögliche therapeutische Ansätze weiterzuentwickeln. (red)
Ina Bergheim ist seit September 2016 Professorin für Nutritional Physiology/Molecular Nutrition am Department für Ernährungswissenschaften der Universität Wien. Vorher leitete sie als Direktorin das Institut für Ernährungswissenschaften der Friedrich Schiller Universität, Jena. Sie hat ihre Arbeitsgruppe teilweise aus Jena mitgenommen und über Drittmittel aufgestockt. Die Aufbau- und räumlichen Umbauarbeiten sind größtenteils abgeschlossen, auch die Lehraktivitäten sind bereits im vollen Gang und machen ihr und dem Team große Freude.