Ich denke, also kaufe ich
| 14. November 2018Käsefondue, Taschenmesser und Schokolade – kommt Ihnen da die Schweiz in den Sinn? Länder sind in unseren Köpfen mit gewissen Eigenschaften, Produkten oder Dienstleistungen verknüpft. In einem FWF-Projekt untersuchen Uni Wien Forscher den Einfluss stereotyper Zuschreibungen auf unser Kaufverhalten.
Stellen Sie sich vor, Sie wollen ein Fahrzeug kaufen und haben die Wahl zwischen einem Jeep, einem Mercedes oder einem VW. Selbst wenn Sie vorher noch nie ein Auto besessen haben, tendieren Sie zu einer bestimmten Marke. Der Grund liegt in Stereotypen, die uns durch unseren Alltag begleiten. Wirtschaftswissenschafter Adamantios Diamantopoulos und Psychologe Arnd Florack von der Universität Wien untersuchen in einem aktuellen FWF-Projekt den Einfluss dieser systematischen Vorurteile auf unser Kaufverhalten.
Skifahren in Griechenland
"Ich frage meine Studierenden immer, ob sie schon einmal in Griechenland Skifahren waren. Es gibt dort um die 20 Skigebiete – das halten viele für unmöglich, weil sie bei Griechenland automatisch an Meer, Sonne und Olivenöl denken", sagt Projektleiter Adamantios Diamantopoulos. Dieses Beispiel lässt sich auf viele Länder und Regionen übertragen und funktioniert in beide Richtungen: Käsefondue? Schweiz. Apple? Kalifornien. Whisky? Schottland. Viele dieser unterbewussten Assoziationen prägen unser Denken und beeinflussen damit auch unsere Kaufentscheidungen.
Wärme und Kompetenz
Das Denken von KonsumentInnen zu verstehen, ist ein altbekanntes Ziel von Marktforschung. "Unsere Forschung stützte sich bislang hauptsächlich auf Umfragen. Das Problem: Hier sagen die Befragten oft genau das, von dem sie ausgehen, dass man es hören will", erklärt Diamantopoulos. "Die wahren Beweggründe bleiben oft im Dunkeln."
Methodisch nutzen die Wissenschafter daher verstärkt Werkzeuge der Sozialpsychologie, etwa die Wärme-Kompetenz-Skala. Eigenschaften, die man einer Gruppe, einem Land oder einer Marke zuordnet, teilen die Forscher in zwei Dimensionen ein: Wärme und Kompetenz. Als Paradebeispiel nennt Diamantopoulos Deutschland und Griechenland: "Deutschland erreicht hohe Kompetenzwerte, schneidet aber bei Wärme nicht so gut ab. Das Umgekehrte gilt für Griechenland: Griechen beurteilt man als freundlich, aber auch als weniger fleißig."
Gruppendynamik
Das gleiche Prinzip lässt sich auf Marken und ihre KäuferInnen übertragen: Stereotype über die anderen KäuferInnen einer Marke beeinflussen, was KonsumentInnen kaufen. Die Frage, ob man Teil einer KäuferInnengruppe werden und deren Eigenschaften übernehmen möchte, könnte kaufentscheidend sein, erklärt Diamantopoulos am Beispiel Mercedes: "Wenn ich Mercedes für eine hochwertige Marke halte und Deutschland für ein kompetentes Produktionsland, kann ich mich als KäuferIn trotzdem gegen einen Mercedes entscheiden, weil etwa jedes zweite Taxi ein Mercedes ist und ich damit nicht assoziiert werden möchte."
Die Idee, Methoden aus der Psychologie mit jenen der Marktforschung zu verbinden, begleitet die beiden Wissenschafter schon seit ihrem FWF-Vorgängerprojekt. Darin beschäftigten sich Florack und Diamantopoulos mit der Frage, wie länderspezifische Informationen wahrgenommen werden und ob die Dauer der Wahrnehmung einen Einfluss auf das Kaufverhalten hat. Indirekte Methoden wie Eyetracking und Implicit Association Tests ermöglichen den Forschern damals wie heute, hinter die Fassade von sozial erwünschten Antworten zu blicken.
Werbende Stereotype
Das aktuelle Projekt erweitert den Untersuchungsgegenstand um Marken und ihre KäuferInnen. "Wir wollen herausfinden, ob es dominante Stereotype gibt, die die Kaufentscheidung stärker beeinflussen als andere", erklärt Diamantopoulos. Wie Stereotype von Herkunftsland, Marke und NutzerInnengruppe zusammenwirken, hängt auch davon ab, wen man fragt: "In Entwicklungsländern sind Stereotype über das Herkunftsland wichtiger als die Marke selbst. In Europa berücksichtigen KonsumentInnen bei ihren Einkäufen stärker, was andere NutzerInnen kaufen", so der Wissenschafter.
Kulturelle Unterschiede
Über eine internationale Förderkooperation des FWF arbeiten Florack und Diamantopolous im aktuellen Projekt mit Vesna Žabkar von der Faculty of Economics, University of Slovenia, zusammen. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach Marken-, Personen- und Länderstereotypen und nutzen die kulturellen und ökonomischen Unterschiede zwischen mittel- und osteuropäischen Ländern, um Modelle zu testen und miteinander zu vergleichen.
In einer ersten Vorstudie haben die WissenschafterInnen bereits die Werbekommunikation lokaler und globaler Marken verglichen und auf Stereotype hin überprüft: Betonen Marken eher Eigenschaften auf der Wärme- oder auf der Kompetenz-Dimension? Bereits die ersten Analysen zeigen, dass Marken Stereotype häufig einsetzen und KonsumentInnen auch darauf reagieren. Welche Stereotype am häufigsten eingesetzt werden und wie sie das Kaufverhalten prägen, möchten die ForscherInnen im Laufe des Projekts herausfinden. (pp)
Das Projekt "Steuerung von Markenpräferenzen durch Konsumentenstereotype" wird vom FWF gefördert und läuft vom 1. September 2018 bis 31. August 2021 unter der Leitung von Univ.-Prof. DDr. Adamantios Diamantopoulos, Professor für Internationales Marketing an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, und Univ.-Prof. Dr. Arnd Florack vom Institut für Angewandte Psychologie der Fakultät für Psychologie der Universität Wien.