Hält uns der Mond tatsächlich wach?

Wie hell sind die Wiener Nächte? Und wie dunkel ist es nachts auf dem höchsten Berg des Wiener Waldes? Astrophysiker der Universität Wien haben seit mehr als einem Jahr die nächtlichen Lichtverhältnisse gemessen – alle sieben Sekunden – und präsentieren nun ihre Ergebnisse.

Die Fülle der analysierten Messdaten (mehrere Millionen Messpunkte) erlaubt es erstmals zu zeigen, wie stark die Nachthimmelshelligkeit auf dem relativ entlegenen Berg Mitterschöpfl mit den Mondphasen korreliert und wie schwach dies in Wien der Fall ist. "Was in Wien die nächtliche Himmelshelligkeit dominiert, ist heutzutage nicht mehr primär die Mondphase, sondern vielmehr der Bewölkungsgrad", erklärt Johannes Puschnig, Erstautor des Artikels "Night sky photometry and spectroscopy performed at the Vienna University Observatory" und Doktorand am Institut für Astrophysik der Universität Wien.

Städtische Lichtglocke übertrifft Himmelsaufhellung durch Vollmond bei weitem

Puschnig führt dazu weiter aus: "Bei dichter Bewölkung und noch ausgeprägter bei Schneefall wird die städtische Lichtglocke gegenüber klarem Himmel um mindestens das Zehnfache verstärkt." Und damit werden die Werte der Himmelsaufhellung, die der Vollmond erzeugen kann, bei weitem überschritten.

Thomas Posch, Koautor der Studie, fügt hinzu: "Wir messen an der Wiener Universitätssternwarte Durchschnittswerte und keine Lichtsmog-Maximalwerte, wie sie auftreten, wenn jemandem Lichtwerbung oder eine helle Straßenlaterne direkt ins Schlafzimmer scheint. D.h. mit dem Messgerät erheben wir die globale Lichtglocke der Stadt, dagegen werden punktuell störende, besonders helle Lichtquellen absichtlich nicht erfasst." Analog wird der Mond genau hinsichtlich seiner Wirkung auf den Nachthimmel, nicht hinsichtlich seiner direkten Einstrahlung gemessen.


Klar ausgeprägte Monats-Periodizität in der mittleren Nachthimmelshelligkeit über dem Mitterschöpfl, dem höchsten Berg des Wiener Waldes. Die schwarzen Kreise markieren die Neumond-Zeitpunkte. Hohe rote Balken stehen für dunkle Nächte. (Foto: Institut für Astrophysik, Universität Wien)



Tag-Nacht-Rhythmus und "zirkalunarer Rhythmus" geht in Großstädten immer mehr verloren

Die Astrophysiker betonen, dass ihre Messergebnisse auch für Mensch und Tier, also für chronobiologische Fragen, relevant sind, und zwar in zwei Richtungen. Einerseits bezüglich der "Absolutwerte" – hier zeigt sich, dass durch den Lichtsmog über Wien Werte erreicht werden, welche die natürliche Nachthimmelshelligkeit um das 1.570fache übertreffen. Andererseits bezüglich der chronobiologischen Rhythmen: "Der Tag-Nacht-Rhythmus, der für unser Wohlbefinden so wichtig ist, wird in den Großstädten immer mehr nivelliert. Und der Mond tritt als Zeitgeber von Perioden mit rund 29,5 Tagen auch immer mehr in den Hintergrund", so Johannes Puschnig.

Studien über den Einfluss des Mondes auf unsere Schlafqualität sollten vor diesem Hintergrund in vertiefter Form durchgeführt werden – nämlich so, dass man bei den Versuchspersonen überprüft, ob sie normalerweise an Orten schlafen, wo der Mond noch die dominierende nächtliche Lichtquelle ist, oder ob dies nicht der Fall ist, so dass eigentlich die Intensität des Lichtsmogs der entscheidendere Faktor sein müsste – wie in den Daten der Universitätssternwarte Wien.


Sehr stark abgeschwächte Monats-Periodizität in der mittleren Nachthimmelshelligkeit am Standort Universitätssternwarte Wien. (Foto: Institut für Astrophysik, Universität Wien)



Diese Ergebnisse kontrastieren mit aktuell erschienenen Wissenschaftsmeldungen, wonach der Vollmond auf den menschlichen Schlaf Einfluss habe – basierend auf die in "Current Biology" erschienene Arbeit eines Teams um den Schweizer Chronobiologen Christian Cajochen. Darin wird berichtet, dass ProbandInnen bei Vollmond im Durchschnitt etwa 20 Minuten weniger schlafen und dass sie ihre Schlafqualität als schlechter einschätzen. (vs)

Das Paper "Night sky photometry and spectroscopy performed at the Vienna University Observatory" (Voransicht auf dem Preprint-Server der Cornell University) von Johannes Puschnig, Thomas Posch und Stefan Uttenthaler) erscheint im "Journal of Quantitative Spectroscopy and Radiative Transfer".