Die soziale Dimension der Hitzewelle
| 13. Juli 2015In den vergangenen Tagen zeigte das Thermometer 38°C an – wie sich die Hitzewelle auf sozial benachteiligte Gruppen auswirkt, untersuchen Franz Kolland vom Institut für Soziologie der Universität Wien gemeinsam mit KollegInnen der MedUni Wien und der Universität für Bodenkultur.
Während es zwischen 1961 und 1990 im Schnitt 9,6 Hitzetage gab, stieg die Zahl zwischen 1981 und 2010 bereits auf 15,2 Tage an. 2003, einem Hitzerekordjahr, wurden sogar an 40 Tagen mehr als 30°C gemessen. Von Hitze betroffen sind u.a. Ältere sowie Personen mit chronischen Erkrankungen. Aber auch die soziale Lage ist ein Risikofaktor: "Menschen, die ohnehin schon hohen Umweltbelastungen ausgesetzt sind, die auf wenigen Quadratmetern mit ihren Familien in nicht-sanierten Wohnungen in Gegenden mit hohen Lärm- und Luftschadstoffbelastungen leben, sind auch der Hitze verstärkt ausgesetzt", erklärt Projektleiter Franz Kolland vom Institut für Soziologie der Universität Wien.
Aus dem Blickwinkel der Medizinanthropologie
Die soziale Dimension des Phänomens Hitze ist in Europa noch kaum erforscht, dies holen SoziologInnen gemeinsam mit MedizinerInnen, MedizinanthropologInnen und LandschaftsplanerInnen im Projekt "EthniCityHeat" nach. Ziel des Projekts ist es, mehr über die Hitzebelastung von Personen mit Migrationshintergrund in Wien zu erfahren. Dafür werden Beobachtungen über das Hitzeverhalten von Familien in Wien, Face to Face-Befragungen sowie Interviews mit Stakeholdern durchgeführt, und die daraus entstandenen Daten auch aus dem Blickwinkel der Medizinanthropologie analysiert.
Rückzug in die Wohnung bedeutet Isolationsgefahr
Fest steht: Der städtische Raum ist besonders von den Auswirkungen von Hitze betroffen. Es zeichnen sich jedoch verschiedenartige Vulnerabilitäten ab: Der Hitzeeffekt wirkt sozial ungleich, wird unterschiedlich wahrgenommen und auch die Bewältigungsstrategien sehen verschieden aus. So ist der Rückzug in die heiße Wohnung bei großer Hitzebelastung keine adäquate Bewältigungsstrategie für risikoträchtige Personen. "Rückzug kann, insbesondere im Alter, zu sozialer Isolation führen. Wird dann akut Hilfe gebraucht, z.B. bei Dehydration, ist niemand zur Stelle", so Franz Kolland. Für Personen, die in einer heißen Wohnung leben, ist es daher ratsam, an heißen Tagen zumindest in der Früh oder am Abend hinauszugehen.
Hoher Grünflächenanteil wichtig
Eine wichtige Maßnahme wäre, die Anzahl der Grünflächen zu erhöhen und über das gesamte Stadtgebiet zu verteilen, so Brigitte Allex vom Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung an der Universität für Bodenkultur Wien. Schließlich werden Grünflächen häufiger genutzt, wenn sie von der Wohnung aus rasch erreichbar sind. Sowohl die Grünflächen als auch die Wege dorthin sollten durch Bäume beschattet sein. Dazu Hans-Peter Hutter, Facharzt am Institut für Umwelthygiene der MedUni Wien: "Auch aus umwelthygienischer Sicht sind horizontale und vertikale Begrünungen in der Stadt von großer Bedeutung". Gesundheitliche Vorteile ergeben sich dadurch städteklimatisch – Stichwort urbane Hitzeinseln –, aber auch lufthygienisch (Stichwort Staub-Abpufferung).
Wien lebenswerter machen
Anhand der neu gewonnenen Daten und der Analyse von internationalen Best-Practice-Beispielen im Zuge des Forschungsprojekts sollen Empfehlungen für die Stadt- und Landschaftsplanung erarbeitet werden, um Wien in der sommerlichen Hitze zukünftig lebenswerter zu machen. (af)
Das Projekt "Vulnerability of and adaption strategies for migrant groups in urban heat environments (EthniCityHeat)" unter der Leitung von ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Franz Kolland läuft von 2014 - 2017. Es wird aus Mitteln des Klima-und Energiefonds gefördert und im Rahmen des Austrian Climate Research Programmes (ACRP) durchgeführt.