Dickhäuter mit Tiefgang

Mit extrem tiefen Lauten kommunizieren Elefanten über Kilomenter hinweg. In einer Science-Publikation zeigen ForscherInnen um Christian Herbst, Angela Stöger und Tecumseh Fitch, dass die Dickhäuter denselben physikalischen Stimmproduktions-Mechanismus wie Menschen verwenden.

Elefanten sind für ihre Infraschall-Töne bekannt, d.h. Schall, dessen Tonhöhe von Menschen nicht mehr wahrgenommen werden kann. Diese extrem tiefen Laute (in der Tonhöhe vergleichbar mit den tiefstmöglichen Tönen von großen Orgeln) ermöglichen es den riesigen Tieren, sich über mehrere Kilometer zu verständigen. Akustische Fernsignale dieser Art sind eine wichtige "Geheimsprache" für die sozial lebenden Dickhäuter.


Geht's noch ein bisschen tiefer? So klingt es, wenn die Elefantenbässe im Labor nachgestellt werden: Tonbeispiel 1 (.wav). Im lebenden Elefanten hingegen wird der im Kehlkopf erzeugte Klang noch durch den Vokaltrakt (der im Laborexperiment nicht vorhanden ist) verändert, bevor er vom Mund des Elefanten abgestrahlt wird: Tonbeispiel 2 (.wav). (Tonbeispiele: Department für Kognitionsbiologie, Universität Wien)



Obwohl jene Infraschall-Töne schon seit etlichen Jahrzehnten untersucht werden, war bislang unklar, wie diese Klänge eigentlich produziert werden. Manche WissenschafterInnen nahmen an, dass die tiefen Töne ähnlich wie beim Schnurren der Katze durch das wechselweise Aktivieren und Deaktivieren der internen Kehlkopfmuskulatur für jeden einzelnen Schallimpuls (also ca. 15 – 20 Mal pro Sekunde) gebildet werden. Diese Art der Tonproduktion würde allerdings nur relativ leise Klänge in beliebiger Tiefe zulassen.

Lange Stimmlippen

Als alternative Theorie wurde eine Klangproduktion analog zum Menschen erwogen: Der von den Lungen kommende Atemluftstrom versetzt die Stimmlippen (auch Stimmbänder genannt) in passive Schwingung, was keine periodische Muskelaktivität im Kehlkopf erfordert. Bei den Elefanten würde sich in diesem Fall die Tiefe der Töne aus der Größe des Kehlkopfes und der enormen Länge der Stimmlippen (ca. 8 mal größer als beim Menschen) ergeben, welche langsamer als 20 mal pro Sekunde "aneinanderklatschen" und so den Klang erzeugen.

Luftstrom der Lunge simulieren

Um dieser Fragestellung nachzugehen, hat ein internationales Team unter der Leitung von Stimmforscher Christian Herbst und der Elefantenspezialistin Angela Stöger einem aus natürlichen Gründen verstorbenen Elefanten den Kehlkopf entnommen und ins Stimmlabor des Departments für Kognitionsbiologie (geleitet von Tecumseh Fitch) der Universität Wien gebracht.


Elefant im Stimmlabor: Das Videobeispiel 1 (.mov) zeigt die Rekonstruktion (Knochen und Knorpel) einer Computertomographie-Aufnahme (CT) vom Kehlkopf (Larynx) eines Afrikanischen Elefanten. (Video: Department für Kognitionsbiologie, Universität Wien)



Dort wurde, den Luftstrom der Lunge simulierend, warm-feuchte Luft durch den Kehlkopf geblasen. Durch die manuelle Fixierung der Stimmlippen in "phonatorischer Position" gelang es den ForscherInnen, diese in periodische, tief-frequente Schwingungen zu versetzten. So wurden Infraschall-Laute erzeugt, die jenen der lebenden Elefanten gleichen. Da es bei einem präparierten Elefantenlarynx keine Muskelaktivität mehr geben kann, zeigte dieses Experiment ganz klar, dass diese Aktivität nicht nötig ist um Infraschall zu erzeugen.


Wie tiefe Töne entstehen: Das Videobeispiel 2 (.mov) zeigt die Lauterzeugung des exzidierten Kehlkopfs eines Afrikanischen Elefanten in der Versuchsanordnung im Labor: Erwärmte, befeuchtete Luft wurde durch die Luftröhre in den Kehlkopf geblasen, was zu Vibrationen des betroffenen Gewebes führte. (Video: Department für Kognitionsbiologie, Universität Wien)



Zur Infraschall-Kommunikation verwenden Elefanten daher denselben Stimmproduktions-Mechanismus wie wir Menschen zum Sprechen und Singen.

Faszinierende Phänomene


Das Forschungsteam konnte zusätzlich auch faszinierende irreguläre Schwingungsformen der Stimmlippen (so genannte "nicht-lineare" bzw. chaotische Phänomene) dokumentieren. Die derart erzeugten Klänge, welche z.B. von Elefantenkälbern bestens bekannt sind, sind vergleichbar mit den (nicht-pathologischen bzw. kultivierten) Heiserkeitsformen eines schreienden Babys oder eines Heavy-Metal-Sängers.


Wie der Mensch, so der Elefant: Das Videobeispiel 3 (.mov) zeigt typische tief-frequente Laute eines drei Jahre alten männlichen Elefanten, aufgenommen im Tiergarten Schönbrunn, Wien. (Video: Department für Kognitionsbiologie, Universität Wien)



Dieses Forschungsprojekt zeigt eindrucksvoll, dass die physikalischen und physiologischen Prinzipien, wie wir sie von der menschlichen Stimme kennen, für eine Vielzahl von Säugetieren gelten: von extrem hohen Ultraschall-Lauten der Fledermäuse bis eben zu den tiefen Infraschall-Lauten der Elefanten (den größten an Land lebenden Säugetieren) über eine beeindruckende Größenordnung von mehr als vier Zehnerpotenzen. (af)


Das Paper "How low can you go – Physical Production Mechanism of Elephant Infrasonic Vocalisation" (AutorInnen: Christian T. Herbst, Angela S. Stoeger, Roland Frey, Jörg Lohscheller, Ingo R. Titze, Michaela Gumpenberger, W. Tecumseh Fitch) erschien am 3. August 2012 im Journal "Science".