Coronakrise: Neustart der Wirtschaft ungewiss

Digramm auf Bildschirm

Österreich kauft wieder ein – aber weniger. Wann sich die heimische Wirtschaft von der Coronakrise erholen wird, ist noch unklar, so Philipp Schmidt-Dengler von der Universität Wien. In seiner Forschung nimmt der Wirtschaftswissenschafter das Suchverhalten von Konsument*innen unter die Lupe.

"Die Coronakrise ist eine Krise, die es so noch nicht gegeben hat", erklärt Wirtschaftswissenschafter Philipp Schmidt-Dengler: "Einerseits ist das Angebot durch unterbrochene Lieferketten, Verzögerungen in der Produktion oder geschlossene Geschäfte extrem eingeschränkt, andererseits ist die Nachfrage gesunken, da viele Menschen mit Unsicherheit kämpfen und weniger Einkommen zur Verfügung haben."

Schmidt-Dengler ist Principal Investigator des Doktoratskollegs Individualverhalten und gesamtgesellschaftliche Auswirkungen am Institut für Volkswirtschaftslehre und beschäftigt sich dort unter anderem mit Consumer Search. Er und sein Team erforschen, wie Konsument*innen auf Märkten suchen – nach konkreten Produkten und deren Eigenschaften, aber auch nach dem besten Preis. Das Suchverhalten von Konsument*innen wiederum spielt für die Absatzpolitik von Unternehmen und die Funktionsweise von Märkten eine wichtige Rolle.  

Abbildung des Coronavirus

Corona-Virus: Wie es unser Leben verändert
Von neuen familiären Abläufen bis hin zu den Auswirkungen auf Logistikketten: Expert*innen der Universität Wien sprechen über die Konsequenzen des Corona-Virus in unterschiedlichsten Bereichen. (© iXismus/Pixabay)

Wie verhält sich die Preisverteilung in der Coronakrise?

Sein Forschungsschwerpunkt bleibt von der aktuellen Coronakrise nicht unberührt: "Die Pandemie ist zwar nicht ökonomisch, wirkt sich aber stark ökonomisch aus." Ein Produkt, dessen Preis wie ein Seismograph auf Krisen reagiert, ist Treibstoff. In Zeiten von COVID-19 sind die Preise für Benzin und Diesel auf Tiefststände gefallen – wie tief, ist jedoch von Tankstelle zu Tankstelle unterschiedlich. Der Streuung gehen er und sein Team auf den Grund: Über einen längeren Zeitraum haben sie Pendler*innendaten aus dem österreichischen Zensus und Benzinpreise unterschiedlicher Tankstellen analysiert.

Je informierter, desto geringer der Preis

Die starken Preisschwankungen auf dem Treibstoffmarkt seien eigentlich überraschend, so Schmidt-Dengler, handle es sich doch um ein homogenes Produkt: "Wenn wir in Wien und Umgebung tanken, bekommen wir bei jeder Tankstelle Treibstoff aus der Raffinerie Schwechat, die physischen Eigenschaften sind also gleich." Die theoretische Annahme, dass die Preisstreuung von der Informiertheit der Konsument*innen abhängt, konnten sie empirisch belegen: Auf Pendler*innenstrecken sind die Tankstellenpreise gleich, da Pendler*innen die Preise auf ihrem täglichen Weg vergleichen und gut informiert sind. In einem Ort, der nicht regelmäßig passiert wird, sind die Preisschwankungen höher – die Konsument*innen kennen die Vergleichspreise nicht und zahlen mehr.

Erst die Pandemie, dann der Neustart

Die Preisverteilung für Treibstoff entspricht also auch in Krisenzeiten ökonomischen Prinzipien. Weniger klar hingegen sind die Wege aus der Krise: "Wir können keine Standard-Konjunkturprogramme anwenden, da wir es mit einer neuartigen Krise zu tun haben. Es wurden notwendige Regierungsmaßnahmen wie Kurzarbeit oder Fixkostenzuschuss umgesetzt, doch das ist nicht genug. Ob wir auf einen Neustart der Wirtschaft hoffen können, hängt letztendlich davon ab, ob wir die Pandemie in den Griff bekommen – damit das gelingt, müssen wir international zusammenarbeiten." (hm)   

Grafik blau mit Schriftzug Wirkt"

Wirkt. Seit 1365.
Die Universität Wien kooperiert in der Forschung mit Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft. Ihre Lehre bereitet jährlich rund 10.000 Absolvent*innen auf ihre Berufslaufbahn vor und regt sie zu kritischem Denken und selbstbestimmtem Handeln an. Mit dem Themenschwerpunkt "Wirkt. Seit 1365." zeigen wir Ihnen in verschiedenen Beiträgen, was die Universität Wien für unsere Gesellschaft leistet.

Univ.-Prof. Philipp Schmidt-Dengler, PhD leitet das Doktoratskolleg "Individualverhalten und gesamtgesellschaftliche Auswirkungen" am Institut für Volkswirtschaftslehre der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften. Das Doktoratskolleg wird vom FWF gefördert und läuft von Mai 2017 bis April 2021.