Auf der Spur der Stickstoffprozesse
| 15. Mai 2015In Bodenproben aus ganz Europa will der Ökosystemforscher Wolfgang Wanek von der Universität Wien erstmals messen, wie rasch organischer Stickstoff in kleinere Moleküle abgebaut wird, sodass Organismen sie verwenden können.
Wer wissen will, wo Wolfgang Wanek demnächst anzutreffen ist, sollte einen Blick in sein Proposal für sein neues FWF-Projekt werfen: "Kontrollen organischer Stickstoff-Umsetzungen im Boden" steht da zu lesen. Was für Nicht-MikrobiologInnen ein wenig kryptisch klingt, wird den Wissenschafter vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung quer durch Europa – von Südspanien bis Nordschweden – bringen, um überall Proben einzusammeln. "In unterschiedlichsten naturnahen Ökosystemen, in mediterranen Wäldern, rauf bis zur Tundra, aber auch in Grasländern und Ackerland werden wir Bodenproben ziehen, sie ins Labor schaffen und dort anschauen, was die Haupttreiber für den Abbau und die mikrobielle Nutzung des organischen Stickstoffes sind."
Dominanter Stickstoff
Wanek erklärt: "Einer der Aspekte des Stickstoffkreislaufes ist der organische Stickstoff im Humus und seine Dynamik. Betrachtet man terrestrische Ökosysteme, stellt der den bei weitem größten Pool und beträgt ungefähr 95 Prozent oder sogar mehr." Gegenüber dem Rest – etwa Nitrat oder Ammonium – sei der organische Stickstoff absolut dominant. "Der Abbau und die Freisetzung von organischem Stickstoff aus diesem Pool bestimmt, wie viel Stickstoff überhaupt in einem System verfügbar ist, für Pflanzen, für Mikroben usw."
Jahr des Bodens |
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Hier stellt er fest: "Mikrobielle Forschung im Bereich des Stickstoffkreislaufes gibt es jetzt seit mehr als 100 Jahren. Die anorganischen Prozesse dominierten, über den Abbau von organischem Stickstoff aber weiß man viel weniger." Vielleicht liegt das daran, dass der organische Stickstoff in relativ großen Molekülen vorliegt, die nicht direkt bioverfügbar sind. "Sie sind nicht löslich, können nicht direkt aufgenommen werden und müssen erst zerkleinert werden", so Wanek und fragt sich: "Wie viel von diesen großen Molekülen werden bioverfügbar gemacht? Was sind die Kontrollen?" So hat er begonnen, Labormethoden zu entwickeln, mit denen er den Abbau untersuchen kann.
Sauer oder basisch?
Was aber wirklich neu ist an Waneks Projekt: Er will messen, wie die Freisetzung der Stickstoffmoleküle funktioniert, und hat dafür selbst eine Methode entwickelt. "Das macht man mit zwei stabilen Isotopen – 15N, das sehr selten ist, und 14N." Der Einsatz von 15N-markierten organischen und mineralischen Verbindungen erlaubt es, die Dynamik und den Abbau des organischen Stickstoffs genau zu messen.
Damit sind wir wieder bei Waneks eingangs erwähnten Reisen quer durch Europa und den Bodenproben, die er einsammeln will. Was er vorhat? "Wir werden diese Proben möglichst exakt charakterisieren – chemisch wie physikalisch. Wir schauen uns an, wie sauer oder basisch sind sie, welches Porenvolumen haben sie, wie hoch ist der Anteil an organischer Substanz und anderen Nährstoffen, wie schauen die mikrobiellen Gemeinschaften aus."
Zusammensetzung von Humus
Wanek hat natürlich Hypothesen, was die Faktoren betrifft, die den Abbau der organischen Stickstoffmoleküle antreiben: Zum Beispiel hat die Temperatur einen positiven Effekt auf die Umsetzungsraten, und natürlich der Wassergehalt. Außerdem geht es um die Zusammensetzung des Humus oder der Streu. Wie schaut das Kohlenstoff-Stickstoff-Verhältnis aus? Wie hoch ist der Proteingehalt des Materials? Auch das könnte einen Einfluss auf den Abbau haben."
Die Isotopenverhältnis-Massenspektrometrie (SILVER Labor, Universität Wien) erlaubt die Stickstoff-Umsetzungsprozesse nach Zusatz stabiler Isotope als Änderung des 15N:14N Verhältnisses über die Zeit zu messen. |
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Es gibt also eine Reihe von Parametern, die der Ökosystemforscher genau analysieren will, damit in Zukunft Vorhersagen möglich sein werden. Das sei wichtig, denn wenn das atmosphärische CO2 weiterhin ansteigt, könne sich in den Böden ganz viel ändern – die Kohlenstoff-Stickstoff-Verhältnisse zum Beispiel ansteigen und den organischen Stickstoffabbau damit negativ beeinflussen. Große Mengen reaktiven Stickstoffes könnten in die Böden aus der Atmosphäre eingetragen werden – "das führt zur Beschleunigung dieser Prozesse."
Prozesse messbar machen
Aus Glashäusern ist bekannt, dass CO2 eine düngende Wirkung auf Pflanzen hat, sich aber eventuell negativ auf die Bodenprozesse auswirkt. Ein höherer Stickstoffgehalt verstärkt aber nicht nur das Wachstum, sondern kann auch zu einer Versäuerung der Böden führen, wodurch andere Nährstoffe schlechter verfügbar werden – und das konterkariert die Wirkung von CO2 und von Stickstoff.
"Was da genau herauskommen wird – wir wissen es nicht, es ist aber eine spannende Frage", sagt Wanek und erinnert sich an die Initialzündung zu diesen seinen Forschungen. "Das war die Mitarbeit an einem großen Nationalen Forschungsnetzwerk. Schon damals lag der Fokus auf den nichtmessbaren Prozessen. Da haben wir gesehen, dass diese organischen Stickstoffprozesse mit zehnfach höheren Raten ablaufen als all die anorganischen. Hier liegt definitiv die Kontrolle über den Bodenstickstoffkreislauf. Und wir haben kaum Daten darüber. Daher ist es so wichtig, diese Prozesse messbar zu machen." (red)
Das FWFG-Projekt "Kontrollen organischer Stickstoff-Umsetzungen im Boden" unter der Leitung von Wolfgang Wanek vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Universität Wien startete 2015 und läuft bis 2018.