Archäologische Forschung in der Karibik

Flüchtlingslager, Quarantänestation oder Ort für Feste – die "Five Islands" vor Trinidad und Tobago haben eine bewegte Geschichte hinter sich. Diese nehmen sich ArchäologInnen von der Universität Wien und der University of West Indies in einem Kooperationsprojekt vor.

Seit rund einem Jahr machen die University of West Indies in Trinidad und Tobago und die Universität Wien "gemeinsame Sache" und betreiben historisch-archäologische Forschungen auf den "Five Islands" – eine kleine Inselgruppe vor der Küste von Trinidad. Die Inseln liegen im Golf von Paria, vor der Hauptstadt Port of Spain. Genau genommen sind die "Five Islands" eigentlich sechs: Zwei der Inseln sind durch einen künstlichen Damm miteinander verbunden.

Jede Insel ist anders

Caledonia und Nelson Island sind etwas größer als die benachbarten Inseln. Besonders Nelson Island eignet sich aufgrund des recht flachen Geländes für den Bau von Gebäuden. Pelican Island und Lenagan Island sind etwas kleiner; winzig sind Rock Island und Craig Island. Lenagan Island, Craig Island und Caledonia liegen auf einer inneren Linie im Golf von Paria und dem Festland von Trinidad zugewandt, während Rock Island, Nelson Island und Pelican Island auf einer äußeren Linie zum offenen Meer liegen. Die Inseln bestehen aus zerklüftetem blauem Kalkstein. Auf der gesamten Inselgruppe ist kein natürliches Wasser zu finden.
 
Materielle Spuren auf den Inseln


Ziel der Kooperation zwischen der Universität Wien und der University of West Indies in Trinidad und Tobago ist es, die Geschichte und Archäologie der Inseln von der spanischen Zeit (bis 1797), der britischen Kolonialzeit (1797-1958/62) und der (jüngsten) Zeit der Republik Trinidad und Tobago im Detail zu erforschen. Während die HistorikerInnen der University of West Indies in den Archiven nach Schrift- und Bilddokumenten recherchieren, erkunden die ArchäologInnen der Universität Wien die materiellen Spuren auf den Inseln. Im Rahmen des Kooperationsabkommens werden dabei auch Studierenden der University of West Indies, Campus St. Augustine Grundkenntnisse archäologischer Methoden und Ausgrabungstechniken vermittelt.

Im Brighton von Trinidad

Im frühen 19. Jahrhundert wurden die Inseln an wohlhabende Briten übergeben, die auf diesen fünf (sechs) Inseln Ferienhäuser errichteten. In diesem Sinne wurden die Inseln auch als Brighton von Trinidad bezeichnet. Zwischen 1866 und 1917 hatte Nelson Island eine ähnliche Funktion wie die Ellis Island vor New York. Über 100.000 EinwandererInnen und ArbeiterInnen aus Indien wurden zunächst einmal auf Nelson Island registriert und unter Quarantäne gestellt, bevor sie sich auf das Festland begeben konnten. Für die Kranken gab es ein Krankenhaus auf Lenagan Island, dort wurden auch die Verstorbenen eingeäschert.

Einwanderung aus Europa


Ende der 1930er Jahre kamen auch zahlreiche EinwanderInnen aus Europa, die vor dem nationalsozialistischem Regime flohen, und u.a. in die Karibik auswandern wollten. Darunter befanden sich auch etwa 600 deutsche und österreichisch-jüdische Flüchtlinge. Nach dem Eintritt Großbritanniens in den Zweiten Weltkrieg bzw. nach der Besetzung Frankreichs im Frühsommer 1940 wurden diese Menschen als "feindliche AusländerInnen" angesehen. Männer wurden auf Nelson Island, Frauen und Kinder auf Caledonia Island für etwa drei Monate inhaftiert bzw. interniert. Später wurden sie in das Camp Rented auf dem Festland von Trinidad gebracht. Auch Uriah Butler, ein sehr prominenter ArbeiterInnenführer von Trinidad, wurde zwischen 1939 und 1945 auf Nelson Island gefangen gehalten.

Wie wurde gebaut?

2017 wurde ein umfassender Survey auf Caledonia Island durchgeführt, aber auch die baulichen noch sichtbaren Strukturen auf den anderen Inseln wurden dokumentiert. Die Häuser entsprechen der üblichen lokalen Bauweise: Um eine Nivellierung des Geländes zu erreichen, wurden die Häuser auf Pfeilern errichtet, darauf wurde das eigentliche Haus gebaut. Die größeren Häuser weisen eine Grundfläche von rund 100 m² auf. Treppen führen auf die Wohnebene und die Häuser sind oftmals von einer offenen Veranda umgeben. Von der einstigen Innengliederung hat sich nichts mehr erhalten. Lediglich ebenerdige Veranden, Terrassen und Außenbereiche können noch dokumentiert und auch funktional angesprochen werden.

Stets außerhalb des Hauses lagen zum Beispiel Küchen, gegebenenfalls mit einem Backofen und Wassertanks für die essentielle Wasserversorgung. Unterschiedlichen Bauarten zeugen davon, dass die Zahl der Wassertanks im Laufe der Zeit erhöht worden ist, wohl um den steigenden Wasserbedarf zu genügen. Hinter den Häusern wurde der Abfall entsorgt. Neben den Überresten der Gebäude finden sich auch stets Anlegestellen für Boote. Auf den beiden größeren Inseln konnten an mehreren Stellen Gebäudeüberreste festgestellt werden.

Zeugnisse der Vergangenheit

Auf Nelson Island steht das älteste erhaltene Steingebäude Trinidads. Es wurde 1802 errichtet, wie eine Jahreszahl über dem Eingang nahelegt, und diente britischen Soldaten als Unterkunft. Erhalten ist zudem das Cottage, in welchem Uriah Butler untergebracht war. Auf Lenagan wurde ein Krankenhaus für kranke ImmigrantInnen eingerichtet. Zahlreiche medizinische Geräte und auch eine beträchtliche Anzahl von Betten zeugt noch heute davon.

Zeichen für Globalisierung

Auf den äußeren Inseln konnten zusätzlich militärische Überformungen dokumentiert werden, die der Anwesenheit der amerikanischen Armee im Zweiten Weltkrieg zuzuordnen sind. Im Februar 2018 haben wir eine erste kleine Grabung auf Caledonia Island durchgeführt, die insbesondere Spuren des 19. Jahrhunderts und späten 20. Jahrhunderts zu Tage brachte. Zu den Funden des 19. Jahrhunderts bzw. der Zeit um 1900 gehören feines Tafelgeschirr aus England und Wasserflaschen u.a. aus Deutschland – ein Zeichen für die Globalisierung der Welt in dieser Zeit. Aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammen zahlreiche Flaschen Whiskey und Rum sowie andere Indikatoren, die davon zeugen, dass dort Feste gefeiert worden sind.

To be continued …

Die Kooperation wird 2019 fortgesetzt und weitere Ausgrabungen werden folgen. Zusätzlich wird eine Vielzahl von Graffiti ausgewertet, die ebenfalls Auskunft über die BewohnerInnen und BesucherInnen auf den Inseln geben. (Alle Fotos: © privat)

Claudia Theune-Vogt ist seit 2007 Universitätsprofessorin für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Wien. Zu ihren Schwerpunkten und Interessen zählen Archäologie von der Völkerwanderungszeit bis zur Zeitgeschichte, Siedlungsstrukturen in marginalen Landschaften sowie Identitäten und Repräsentationsformen.