Archäologie aus der Luft

Laserscans aus dem Cockpit, Luftbildanalysen und Bodenradarmessungen – mit modernen Methoden ist Landschaftsarchäologe Michael Doneus in Westsizilien unterwegs. Seine Mission: Die kulturhistorische Entwicklung des bisher wenig erforschten Mazaro-Gebiets zu rekonstruieren.

Wer bei archäologischer Arbeit an Staub, Spaten und steinerne Fundobjekte denkt, ist womöglich nicht auf dem neusten Stand. Michael Doneus, Leiter des Instituts für Urgeschichte und Historische Archäologie an der Universität Wien, liefert dafür den besten Beweis. Mit einem modernen Methodenmix aus Laserscanning, Luftbildanalysen, Magnetfeld- und Bodenradarmessungen nimmt er sich in seinem aktuellen FWF-Projekt die bisher wenig erforschte Gemeinde Mazara del Vallo in Westsizilien vor. Er und sein Forschungsteam wollen mit einer integrierten archäologischen Prospektion die Landschaftsnutzung detailgetreu rekonstruieren – von der Steinzeit bis heute.

Forschungskooperation mit Folgen


"Begonnen hat meine Forschungskooperation mit der Gemeinde Mazara del Vallo bereits 2003. Gemeinsam mit einem Piloten habe ich die Region mehrmals überflogen und dokumentiert, was aus der Luft an archäologischen Funden zu erkennen war", erinnert sich Doneus zurück. Und das war einiges: Der Fluss Mazaro stellte in der Antike die natürliche Grenzregion zwischen der einheimischen Bevölkerung, den Phönizern und den Griechen dar. Zahlreiche Fundstücke sowie Spuren und Eingriffe in die Landschaft lassen noch heute auf die Einflüsse der unterschiedlichen Völker schließen.

Mit archäologischen Augen

13 Jahre nach seinen ersten Entdeckungen in der Gemeinde untersucht Doneus das Mazaro-Gebiet nun in einem FWF-Projekt. Er und sein Team verfügen über einen großen Fundus an historischen Luftbildaufnahmen der Region, die teilweise bis in die Zeit des Zweiten Weltkrieges zurückreichen. "Die Bilder wurden natürlich nicht für Forschungszwecke angefertigt, wir aber betrachten sie mit 'archäologischen Augen'. So können wir daraus die Topografie der jeweiligen Zeit berechnen und grafisch darstellen", berichtet Doneus: "Im Vergleich können wir dabei jene Gebiete herausarbeiten, die bereits stark erodiert oder durch moderne Sedimente verschüttet sind."

Die topografischen Veränderungen im Mazaro-Gebiet von 1975 bis 2016. (Grafik: Christopher Sevara)

Von der Prospektion aus der Luft …

"Über Mauerresten und Gruben wachsen Getreide und Gras anders. So können wir Flursysteme oder Grundrisse auch nach tausenden Jahren noch identifizieren – am besten geht das von oben", erklärt Doneus. Doch was ist, wenn Vegetation das historische Vorleben verdeckt?

In diesem Fall schafft die Laserscan-Methode Abhilfe: "Aus dem Flugzeug heraus wird das Gebiet in einem 30 bis 50 cm Punktabstand gemessen. Der Laserstrahl durchdringt 'Störfaktoren' wie Bäume und Gebüsch. Anhand von Filtern können wir dann alle Objekte wegrechnen, die nicht zur Topografie gehören, und erhalten ein präzises Geländemodell mit archäologischen Strukturen, die sich in der Topografie noch abzeichnen", erläutert Doneus die Vorteile der Laserscan-Technologie.

Das Gelände "durchleuchten": Bei der Laserscan-Methode wird ein Laserblitz im infraroten Bereich Richtung Erde gesandt. Wenn der Laserstrahl an der Erdoberfläche auf ein Objekt trifft, wird er zurückreflektiert. Da die Lichtgeschwindigkeit bekannt ist, kann auf die Distanz zum reflektierenden Objekt geschlossen werden. Moderne Laserscanner können bis zu 200.000 "Blitze" pro Sekunde aussenden, dadurch entsteht eine dichte Punktwolke der Erdoberfläche. (Foto: Martin Fera)    

… bis zu geophysischen Methoden am Boden

Wenn aus der Luft ein Fund ausgemacht wurde, kommen die geophysischen Methoden zum Einsatz: Mit Sensoren ausgestattete Wagen rollen über das Gebiet und messen das Magnetfeld. Unterirdische Mauerreste, Gruben, Öfen oder Werkzeuge aus der Antike weisen einen magnetischen Unterschied zur Umgebung auf und können dadurch ausgemacht werden.

Beim Bodenradar hingegen wird eine Radarwelle in den Boden geschickt; trifft sie auf ein Objekt, kommt es zur Reflexion. Das Gerät misst die Distanz und erstellt ein dreidimensionales Abbild von dem, was sich unter der Erdoberfläche befindet.

Archäologische Prospektion via Magnetik: "Da an der Oberfläche viele Steine und Felsbrocken liegen, mussten die Messungen 'händisch' durchgeführt werden", erklärt Doneus. (Foto: Christopher Sevara)

Ein spektakulärer Fund

Der wohl spektakulärste Fund, den Doneus' Team in der Region bisher gemacht hat, ist eine bronzezeitliche Wallanlage und ein vermutlich griechischer Gutshof. "In der Luftbildanalyse haben wir eine Befestigungsanlage mit zwei massiven Gräben lokalisiert, die wahrscheinlich aus der Bronzezeit stammen. In der weiteren Prospektion sind wir etwas nördlich davon auf Gebäudereste gestoßen, die aufgrund von Keramikfunden aus der archaischen oder klassischen Zeit stammen dürften. An der exakten Datierung unserer Fundstücke arbeiten wir gerade", freut sich der Archäologe.

Nicht-invasiv forschen

Doneus' Herangehensweise ist für den mediterranen Raum neu. Im Sinne der Valetta-Konvention, die Österreich 2015 ratifiziert hat, untersuchen die WissenschafterInnen der Universität Wien die sizilianische Region nicht-invasiv, versuchen also, so wenig wie möglich von der Landschaft zu zerstören. "Großflächige Ausgrabungen, wie man sie aus Filmen kennt, sind heute oft nur noch 'Rettungsgrabungen', zum Beispiel wenn Fundstellen geborgen werden müssen, da neue Infrastruktur entsteht", so Doneus.

Zwischen Open Access und "Tombaroli"

Aufnahmen, Grafiken und Ergebnisse aus ihrer archäologischen Forschung publizieren die WissenschafterInnen um Doneus im Luftbildarchiv der Universität Wien und auf ihrer Projektwebsite – open access und zweisprachig auf Deutsch und Italienisch. "Es ist uns ein Anliegen, die Ergebnisse auch der lokalen Bevölkerung zugänglich zu machen. Wir müssen uns hierbei aber an das italienische Denkmalschutzgesetz halten", gibt Doneus zu bedenken: "Bei zu detaillierten Informationen über unsere Fundstellen drohen nämlich die Tombaroli, die sizilianischen GrabräuberInnen."

Doneus und sein Team vom Institut für Ur- und Frühgeschichte forschen mit einem modernen Methodenmix. Von links nach rechts: Michael Doneus, Roderick Salisbury, Christopher Sevara, Sheba-Celina Schilk, Cipriano Frazzetta (Foto: Gabriele Gattinger)

Erst Student, dann Institutsvorstand

Michael Doneus studierte Ur- und Frühgeschichte und Klassische Archäologie an der Universität Wien und ist – abgesehen von einem Gastaufenthalt an der Universität Melbourne und seiner Tätigkeit am Ludwig Boltzmann Institut für Archäologische Prospektion – seiner Alma Mater treu geblieben. "Die Universität Wien ist ein guter Standort für meine Forschung, methodisch sind wir hier ganz weit vorne", freut sich Doneus, mittlerweile Vorstand des Instituts für Ur- und Frühgeschichte. (hm)

Das FWF-Projekt "Prospektion von Grenzen: Archäologie entlang des Mazaro, Sizilien" unter der Leitung von Univ.-Prof. Mag. Dr. Michael Doneus ist am Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie der Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät der Universität Wien angesiedelt und läuft vom 1. Jänner 2016 bis zum 31. Dezember 2017. Das Projekt wird in Kooperation mit der University of Naples, Soprintendenza per i Beni Culturali e Ambientali di Trapani und dem Ludwig Boltzmann Institut für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie durchgeführt. MitarbeiterInnen sind PD. Mag. Dr. Erich Draganits, BA Cipriano Frazzetta, Dr. Roderick Salisbury, Mag. Sheba-Celina Schilk, Dr. Christopher Sevara und Univ. Prof. Dr. Sebastiano Tusa.