Michael Doneus: Mit dem Laserblick in die Vergangenheit

Mit elf Jahren beschloss Michael Doneus, Archäologie zu studieren. An der Universität Wien – der er seit Beginn seines Studiums treu geblieben ist und wo er seit einem Jahr eine Professur innehat – widmet er sich seit 20 Jahren der archäologischen Prospektion und der Entwicklung neuer Methoden.

"Im Schulunterricht ging's nur um Herrscher und Schlachten – mich hat aber interessiert, wie die einfachen Leute gelebt haben." Der Besuch einer Ausstellung zur Hallstattkultur hat dem elfjährigen Michael Doneus gezeigt, dass es sehr wohl Leute gibt, die sich der Geschichte abseits der Königspaläste widmen. Mit diesem Vorbild vor Augen entschied er sich für das Studium der Archäologie.


Michael Doneus hat im Jahr 2000 das awarenzeitliche Gräberfeld von Frohsdorf (nahe Wiener Neustadt) luftbildarchäologisch entdeckt. Bei den Grabungsarbeiten im Rahmen zweier FWF Projekte (seit 2009 unter der Leitung von Gabriele Scharrer-Liška von der Interdisziplinären Forschungsplattform Archäologie) hat sich gezeigt, dass es sich um mehr Gräber handelt, als auf den Luftbildern erkennbar waren – ca. 600 auf einer Fläche von 4.000 Quadratmetern. (Foto: Luftbildarchiv, Institut für Ur- und Frühgeschichte, Universität Wien)



"Mein Vorhaben habe ich geradlinig durchgezogen und bin nach dem Studium der Ur- und Frühgeschichte und der klassischen Archäologie der Universität Wien – abgesehen von einem kurzen Gastaufenthalt an der Universität Melbourne und meiner Tätigkeit beim Ludwig Boltzmann Institut für Archäologische Prospektion – immer treu geblieben", schmunzelt der Wissenschafter. Ein Jahr nach Antritt der Professur für Ur- und Frühgeschichte sowie für Umwelt- und Landschaftsarchäologie hält er am 29. Juni 2012 seine Antrittsvorlesung zum Thema "Der Blick in die Vergangenheit: Sehen und Erkennen verborgener archäologischer Landschaften".

7.000 Jahre auf einen Blick


Den Großteil seiner Forschungsarbeiten erledigt Doneus aus der Luft: Aus dem Seitenfenster eines Flugzeugs betrachtet der Archäologe die Landschaft und blickt dabei weit in die Vergangenheit zurück: Römische Wegenetze, Marschlager und Villen, eiszeitliche Flussläufe, 7.000 Jahre alte Siedlungen und Gräber – sogar Olivenhaine und Weinberge aus der Römerzeit kann man von oben im Detail erkennen.


In Foggia (Süditalien) ist noch das römische Flursystem zu erkennen: Neben dem heutigen Wein sieht man die römischen Weinreben (als Linien erkennbar) und Olivenbäume (als Punkte sichtbar). Die geologische Situation macht es möglich: Bei der Pflanzung musste eine harte Kruste durchstoßen werden, weshalb die Pflanzengruben heute noch sichtbar sind. (Foto: Luftbildarchiv, Institut für Ur- und Frühgeschichte, Universität Wien)



Den ständigen Wandel der Landschaften im Blick zu haben, fasziniert den Archäologen besonders. "Nur von oben erkennt man die Zusammenhänge und bekommt eine Vorstellung davon, wie die Landschaft, das Leben und die Siedlungsformen der Menschen vor 5.000 oder 7.000 Jahren ausgeschaut haben", schwärmt der Wissenschafter, der sich nun bereits seit 20 Jahren mit der großflächigen Landschaftsprospektion und Fernerkundung beschäftigt.

Der Boden erinnert sich

Warum ganze Flursysteme und Grundrisse nach tausenden Jahren noch erkennbar sind, hat einen einfachen Grund: Über Mauerresten oder Gruben wächst z.B. das Getreide oder das Gras schlechter. Es kann nicht so tief wurzeln, trocknet schneller aus und bekommt Stress.
"Dieser Stress ist mit bloßem Auge erkennbar – sogar wenn man mit beiden Beinen am Boden steht", so der Experte. Doch erst aus der Luft können die Muster, die sich am Boden abzeichnen, richtig gedeutet werden.

Den Wald durchleuchten

Schwieriger wird es im Waldgebiet – aber auch dafür gibt es eine Lösung: "Seit zehn Jahren können wir mit dem Laser-Scanning durchdringen und so das Geländerelief unter den Bäumen sichtbar machen", erklärt der Landschaftsarchäologe.


Mit dem Laser-Scan im Leithagebirge: Die Ruine Scharfeneck auf dem Schlossberg und darunter das Kloster St. Anna in der Wüste. Die "Wüste" ist das ehemalige Klostergebiet der "Unbeschuhten Karmeliter", umgeben von einer viereinhalb Kilometer langen Mauer ("Wüstenmauer"). Auf der linken Seite des Bildes ist die Bewaldung noch sichtbar, rechts wurde der Wald bereits weggefiltert. (Foto: M. Doneus)



Ständig auf der Suche nach neuen Methoden und Techniken für die Landschaftsarchäologie, fährt er von einer Tagung zu nächsten und adaptiert z.B. neue fotogrammetrische Entwicklungen aus dem Flussbau für seinen Forschungsbereich, und hat so vor kurzem den "Grünen Laser" für seine Zwecke entdeckt. Damit kann erstmals auch unter Wasser vermessen werden, z.B. versunkene Hafenanlagen: "Wir sind die ersten, die diese Methode in der Archäologie anwenden – aktuell an der Küste vor Kroatien", so Doneus, der auch in Italien, Schweden, Norwegen, Deutschland und England verborgene archäologischen Landschaften aus der Luft erkundet.

Radar gibt Verstecktes frei


Die Herausforderung bei dem Ganzen liegt darin, den richtigen Methodenmix zu finden und aus jedem Boden möglichst viel Information herauszuholen. Neben den Methoden für die großflächige Prospektion gibt es auch Möglichkeiten, die Landschaften und Fundstellen im Detail zu erforschen: "Wir benutzen dafür hauptsächlich die Magnetik und Bodenradar", so der Experte. Jeder Eingriff des Menschen in den Boden – jede Grube und jede Mauer – verändert lokal das Magnetfeld der Erde, was mit hochsensiblen Sensoren gemessen werden kann.


Bis vor kurzem wurde der Bodenradar noch zu Fuß übers Feld gezogen. Michael Doneus und sein Team am Ludwig Boltzmann Institut für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologiewerden haben die Methode weiterentwickelt und automatisiert: Große Flächen können jetzt mit höherer Geschwindigkeit (50 km/h) und geringerem Aufwand vermessen werden. (Foto: W. Neubauer)



 "Die Sensoren werden an speziellen Konstruktionen befestigt und mit Quad Bikes im Raster über das Feld gezogen", erklärt Doneus die geophysikalische Prospektion. Das Ergebnis sind detaillierte Pläne – erst wenn diese vorhanden sind, kann gezielt und somit auch kostensparend gegraben werden.

Innovative Lehre

"Methodisch mischen wir hier am Institut ganz vorne mit. Unsere Forschungsergebnisse fließen direkt in die Lehre ein", so der stellvertretende Vorstand des Instituts für Ur- und Frühgeschichte. Das lockt auch viele internationale Studierende: "Wir waren weltweit die Ersten, die archäologische Lehrveranstaltungen über flugzeuggetragenes Laser-Scanning angeboten haben", berichtet er stolz. Im Moment betreut er im Rahmen des Initiativkollegs Archäologische Prospektion – das er mitbegründet hat – sechs DissertantInnen.

Die Forschung und Lehre mit seinen zahlreichen organisatorischen Aufgaben – Michael Doneus ist Direktor der Interdisziplinären Forschungsplattform Archäologie (VIAS), Vizedirektor des Ludwig Boltzmann Instituts für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie sowie Vizepräsident des International Scientific Committee for Documentation of Cultural Heritage (CIPA) – unter einen Hut zu bringen, sieht der Professor derzeit als größte Herausforderung. "Noch wichtiger ist aber, die Arbeit mit der Familie in Einklang zu bringen. Diese hat immer Priorität", betont der Familienvater abschließend. (ps)

Die Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Mag. Dr. Michael Doneus, stv. Vorstand des Instituts für Ur- und Frühgeschichte und Leiter der Interdisziplinären Forschungsplattform Archäologie, zum Thema "Der Blick in die Vergangenheit. Sehen und Erkennen verborgener archäologischer Landschaften" findet am Freitag, 29. Juni 2012 um 18 Uhr im Kleinen Festsaal der Universität Wien statt.