Mein Business: "Suche dir Mentoren und Leute die Erfahrungen haben"

Stephanie Cox hat an der Universität Wien Kultur- und Sozialanthropologie studiert und gründete im letzten Jahr mit chancen:reich Österreichs erste Berufs- und Orientierungsmesse für geflüchtete Menschen. Im Interview spricht sie über ihre Erfahrungen als Gründerin.

uni:view: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, 2016 eine Berufsmesse für geflüchtete Menschen zu organisieren – und wann stand fest: Wir legen jetzt los?
Stephanie Cox:
Mein Projektpartner Leo und ich hatten am Anfang überlegt selber zu gründen und die Newcomer anzustellen. Jedoch sind wir sehr schnell auf die Herausforderungen in den Großunternehmen aufmerksam geworden, welche hier noch viel Unterstützung und Aufklärung benötigen. Ebenso auf die geflüchteten Menschen. Integration passiert am schnellsten und vor allem nachhaltig über den Arbeitsmarkt. Voila: Nimm ein simples Produkt, schaffe Komfortzone und einen Ort an dem Menschen auf Augenhöhe miteinander kommunizieren können. Wirkt Wunder und hat über 200 Arbeitsplätze geschaffen. Es hat vier Monate gedauert und ja, die Vorbereitungszeit muss nicht schön geredet werden. Von nichts kommt nichts. Und ohne dem richtigen Team geht's auch nicht. Wir hätten die chancen:reich nie zu zweit machen machen können (und wollen).  

Im Dossier "Mein Business" stellen Alumni der Universität Wien ihr Start-up vor und verraten Tipps und Tricks für (zukünftige) GründerInnen. Das Dossier läuft in Kooperation zwischen dem uni:view Magazin, der DLE Forschungsservice und Nachwuchsförderung und dem Alumniverband.

uni:view: Haben Sie sich das Gründen so vorgestellt?
Cox:
Ich hatte Glück, dass das Thema kein neues für mich ist und ganz wichtig: Ich hatte bei der chancen:reich einen starken Projektpartner, der ein sehr erfahrener Gründer ist. Das Wichtigste beim Losstarten ist, mit jenen Menschen, mit denen man gründet, Werte abzugleichen. Die erste Frage, die wir uns also gestellt haben war: Was ist dir wichtig? Was ist mir wichtig? Uns beiden ist zum Beispiel Transparenz sehr wichtig.
Ich bin eigentlich ohne große Erwartungen ans Gründen herangegangen, weil ich in der Vergangenheit noch nie mit Flüchtlingen gearbeitet hatte. Aber ich habe einen sehr hohen Qualitätsanspruch an meine Arbeit und es war uns wichtig, das Ganze nachhaltig zu gestalten.

uni:view: Was war für Sie die größte Herausforderung?
Cox: Gerade in Österreich werden die Worte: "Das geht nicht!" sehr gerne verwendet, einfach aus dem Grund "weil's das noch nie gab, und warum sollte das jetzt funktionieren?" Ein Beispiel bei uns war unsere Pressekonferenz, wo viele sagten "Man macht eine Pressekonferenz am Tag der Konferenz, nicht zwei Monate davor." Wir beschlossen, es trotzdem zu machen. Es ist wichtig beim Gründungsstart auch Dinge zu machen, bei denen anderen sagen, dass sie nicht funktionieren. Denn es ist besser es zu machen, als es gar nicht erst probiert zu haben.

Alle anderen kochen auch nur mit heißem Wasser. Das sollte man immer wieder beachten, wenn man in eine Welt eintaucht, wo es auch ganz stark um Marketing und um Sales geht. Wenn es beispielsweise um die Aufmerksamkeit der Medien geht, muss man einfach rausgehen, mit Menschen reden und Medien direkt ansprechen. Egal ob "Forbes" oder die "Kronenzeitung", man geht hin und spricht auf Augenhöhe. Ich bin mit dem Selbstbewusstsein in solche Gespräche hineingegangen, dass wir mit chancen:reich Mehrwert stiften.

Am 13. Juni 2017 startet mit einer Einführung zu Dos and Don'ts beim Gründen eine Workshopreihe zur Selbstständigkeit für NachwuchswissenschafterInnen. In fünf Workshops werden zentrale Fragen von der Erstellung eines Businessplans über Finanzen und Fördermöglichkeiten bis zum Sprung in die Selbstständigkeit besprochen. (Foto: Shutterstock.com)
Dienstag, 13. Juni 2017, 16-18:30 Uhr
DLE Forschungsservice und Nachwuchsförderung der Universität Wien, 1090 Wien
Nähere Informationen

uni:view: Und was war der schönste Augenblick?
Cox: Wir haben nach der Messe, die am 29. Juni 2016 im Museumsquartier stattfand, noch gefeiert, einfach weil wir so happy waren. Man muss auch mal feiern, sich selbst auf die Schulter klopfen und nicht nur sagen: "Weiter geht's, tun tun tun!" Es ist okay wenn man sich mal zurücklehnt und sagt: "Hey, good job!" Ein schöner Moment war natürlich auch, als ich die Schlange von 800 BesucherInnen sah und ich mir einfach dachte "wow".

uni:view: Sie haben an der Universität Wien Kultur- und Sozialanthropologie studiert. Hat Ihr Studium beim Gründen eine Rolle gespielt?
Cox: Bei der chancen:reich ja, weil das Migration in der Anthropologie ein wichtiges Thema ist. Ich denke schon, dass ich durch mein Studium ein bisschen die Leidenschaft zum Feld mitgenommen habe und auch das Stellen von Fragen. Ich liebe es prinzipiell Fragen zu stellen und es war schon spannend mit einer Zielgruppe, die für manche nicht greifbar ist und manchmal natürlich auch traumatisiert ist, zu arbeiten. In meinem Auslandsstudium in Utrecht habe ich mich auch sehr stark mit dem Thema Coaching auseinandergesetzt. Solche einzelnen Elemente aus dem Studium haben mir dann immer wieder bei der holistischen Sichtweise geholfen, wie ich Fragen stelle und auch wie ich ins Feld gehe.

Gründerinnen am Wort
Die Start-up Szene wächst und wird bunter. Der Ruf aller Beteiligten nach mehr weiblichen Gründerinnen ist deutlich zu vernehmen. In der neuen dreiteiligen Videoserie des WTZ Ost berichten neun Gründerinnen über ihren Schritt in die Selbständigkeit – darunter auch Stephanie Cox (Foto: Screenshot Video). Zu den Videos

uni:view: Welche Tipps würden Sie Ihrem damaligen "Gründer-Ich" aus heutiger Sicht geben?
Cox:
Be good to yourself!
Du musst niemandem etwas beweisen. Fang mal an. Mach den ersten Schritt und du wirst währenddessen Menschen kennenlernen, die dir helfen werden, wenn du offen dafür bist. Suche dir MentorInnen und erfahrene Leute, tausche dich mit ihnen aus, sei offen für Feedback, aber sei gleichzeitig vorsichtig mit dem, was Du an dich heran lässt.
Oft hat man, gerade als Unternehmerin, Momente wo man einfach nicht mehr klar denken kann, wo man einfach so müde, so überarbeitet ist und dennoch Entscheidungen treffen muss. Hier ist es wichtig, einfach die Entscheidung zu treffen und mit den Konsequenzen zu leben als sich nicht zu entscheiden.

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uni:view: Was heißt für Sie erfolgreich sein?
Cox: ... wenn Erfolg keine Rolle mehr spielt und man einfach voll im Reinen mit dem eigenen Tun und Sein ist.

Steckbrief
Name: Stephanie Cox
Alter: 28
Studium: Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien
Gründungsjahr: bei mir gibt's da kein bestimmtes Jahr. Mein erste Tanzgruppe mit 16 gegründet und das Privileg gehabt seit meinen frühen 20er selbständig zu sein...
Mein derzeitiges Projekt: chancen:reich
Mein Motto (im Moment): be good to youself.
Mein Tipp für GründerInnen: 1 Prozent ist die Idee, 99 Prozent ist Execution

Das Interview führte Johanna Kober (DLE Forschungsservice und Nachwuchsförderung sowie Wissenstransferzentrum Ost).