Im Gespräch: Künstlerin Marianne Maderna
| 23. Februar 2015Die österreichische Künstlerin Marianne Maderna gestaltete zum 650-Jahr-Jubiläum der Universität Wien 33 Frauenbüsten und dazugehörige Poems: Ihre "Radical Busts" sind ab dem 2. März im Arkadenhof zu sehen. Mit uni:view spricht sie über Kunstschaffen und "Leerstellen" in der Geschichte.
uni:view: Was ist die Idee hinter dem Kunstprojekt "Radical Busts"?
Marianne Maderna: Ich habe mir immer die Frage gestellt, warum die Geschichte der Frau nicht existent ist, warum man nicht von den geistigen, künstlerischen und wissenschaftlichen Errungenschaften von Frauen spricht. Das gab es in meiner Ausbildung einfach nicht – weder im Unterricht noch auf der Universität. Genau da wollte ich ansetzen.
Die von Maia Damianovic kuratierte Ausstellung "Radical Busts" bringt 33 Büsten der österreichischen Künstlerin Marianne Maderna in den Arkadenhof der Universität Wien und wird im Programmschwerpunkt "Geschlechtergerechtigkeit" des 650-Jahr-Jubiläums mit Unterstützung des Referats Genderforschung und der Vienna Insurance Group vom 2. März bis zum 17. April 2015 gezeigt.
uni:view: Inwiefern ist Gendergerechtigkeit ein wiederkehrendes Thema in Ihrer Kunst?
Maderna: Da ist diese Leerstelle der Menschen, die unsere Kultur, unsere Gesellschaft ausmachen. Frauen sind einfach ausgeklammert. In meiner Kunst beschäftige ich mich intensiv mit Menschen und den Fragestellungen zum Menschen, seinem Verhalten, und dem Verhalten der Geschlechter zueinander. Diese Themen umrunde ich mit verschiedenen Möglichkeiten und verschiedenen Medien. Ich habe vielseitige Instrumente, meine Stimme, meine Körpersprache, und die nutze ich in der Performance, in der Zeichnung, im (3D) Video oder eben – wie im aktuellen Projekt, das im Arkadenhof zu sehen sein wird – in der Skulptur.
Die Künstlerin Marianne Maderna bei der Arbeit an der Skulptur "Ingeborg Bachmann". (Foto: M. Maderna)
uni:view: Wie sind Sie die Arbeit an der Ausstellung "Radical Busts" angegangen?
Maderna: Ich habe mir Frauen überlegt oder wurde auf Frauen aufmerksam gemacht. Ich habe ihre Biografien gelesen und daraus Informationen gezogen, die mich interessieren, für mich relevant schienen. Zuerst habe ich die Figuren "erzeichnet". Mein Zugang ist vielfältig: Ich kann sie auch als Performance visualisieren, als "Re-Enactment" spielen. Dann ist es meist ein absurder, künstlerischer Zugang. Zum Beispiel habe ich den Flakturm im Arenbergpark geöffnet und "Budhinen" und "Christinen" – also einmal nicht nur Buddha und Christus – ausgestellt oder bin als die mystische Figur der Päpstin auf selbstkonstruierten Schuhen über die Donau gelaufen. Und so ähnlich gehe ich auch mit den Skulpturen um: Ich schlüpfe in die Personen hinein. Beim Modellieren dieser Figuren sind diese Köpfe nicht real zu nehmen, sie sind entfremdete Geschöpfe. Manche haben Artefakte verankert: Haartrachten, Hüte, Deformierungen oder ein riesiges Ohr. Durch meine Interpretation entsteht etwas "Neues".
Die fertige Skulptur "Ingeborg Bachmann". (Foto: M. Maderna) |
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uni:view: Welche Materialien haben Sie verwendet? Und wie entstehen die zu den Büsten gehörenden kurzen Poems?
Maderna: Ich habe Styroturkerne verwendet. Sie stammen von Baustellen, dort wird unglaublich viel weggeworfen. Sie haben den Vorteil, leicht zu sein, und ich kann sie mit einem heißen Messer schneiden. Auf diesen Kern trage ich dann Gips und Farbe auf. Es entstehen nach und nach Artefakte, Körperteile etc. Auf diese Weise habe ich an jeder Büste von drei Tagen bis zu zwei Wochen gearbeitet. Ich brauche lange, um die Biografie zu lesen und das Poem zu entwickeln. Was zuerst kommt – Zeichnung oder Poem – kann ich nicht sagen. Die Poems und Büsten sind ein Gesamtkonzept und können nicht getrennt voneinander gesehen werden.
uni:view: Verarbeiten Sie damit auch ein Stück weit eine persönliche Erfahrung? Haben Sie als weibliche Künstlerin Hürden erlebt?
Maderna: Ja, definitiv. Es gab im Laufe meiner Karriere so viele Erlebnisse, die ich in der Kunst verarbeite. Die "Radical Busts", diese Frauenpersönlichkeiten, die oft verdeckt in einer Männerwelt agierten, sind mir sehr nahe. Ich habe so vieles davon selbst erlebt. Ich bin zwar keine Physikerin, keine Mathematikerin, aber so vieles aus ihrem Leben betrifft auch mich.
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uni:view: Wie kam die Zusammenarbeit mit der Universität Wien zustande?
Maderna: Maia Damianovic ist die Kuratorin der Ausstellung und hatte die Idee, die Frauenbüsten in dem Arkadenhof der Universität Wien aufzustellen. Ich schätze an ihr, dass sie auf künstlerische Eigenheiten eingeht. Ihr Ziel ist nicht eine übliche Ausstellung in musealer Umgebung, sondern im Open Space. Und nachdem es an der Universität bereits ein Kunstprojekt, "Der Muse reicht's" von Iris Andraschek gibt, hielt ich es für eine schöne Idee – und auch umsetzbar. Die "Radical Busts" funktionieren an der Universität Wien besonders gut. Nirgends ist eine "Hall of Fame" in einer so rahmenhaften, imposanten, historisierenden, "typisch Wienerischen" Architektur zu sehen wie hier. Ich nehme in meinem Schaffen kein Blatt vor den Mund, es ist meine Kunstsprache. Ich habe damit keine Probleme und an der Universität hatten sie diese auch nicht, was ich schön und sehr modern finde.
uni:view: Warum haben Ihrer Meinung nach die Büsten gerade im studentischen Kontext eine große Wirkung?
Maderna: Ich glaube, dass Studierende durch die Ausstellung angehalten werden, die Biografien zu lesen, sich mit den Frauen auseinanderzusetzen. Vielleicht wird sich auch die eine oder andere Person über die goldenen Büsten ärgern, aber auch das ist eine Form der Auseinandersetzung. Generell denke ich, dass ein künstlerischer Zugang StudentInnen gut erreicht. (hm/mw)
Vernissage: Radical Busts
Montag, 2. März 2015, 18.00 Uhr
Universität Wien, Arkadenhof
Universitätsring 1, 1010 Wien