Radical Busts: Gold schimmernde Frauengeschichten
Redaktion (uni:view) | 04. März 2015Die "Geschlechter-Schieflage" an Universitäten wird auch im Jubiläumsjahr der Universität Wien diskutiert. Den Anfang des Themenschwerpunkts Gendergerechtigkeit machen 33 Büsten der österreichischen Künstlerin Marianne Maderna, die den einen oder anderen grauen Männerkopf im Arkadenhof überstrahlen.
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Von Susan Sontag über Marie Curie bis hin zu Janis Joplin – 33 vergoldete Büsten von herausragenden Frauen werden seit dem 2. März bis zum 17. April 2015 im Arkadenhof der Universität Wien den Erinnerungstafeln und Büsten männlicher Gelehrter gegenübergestellt. Mit vereinten Kräften ermöglicht haben dies u.a. Katrin Lasthofer, Sigrid Schmitz, Barbara Grötschnig, Heinz W. Engl, Maia Damianovic, Marianne Maderna, Gabriella Hauch, Falk Pastner, Mischa Messer (v. r. n. l.).
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"Wir haben viel vor – auch in puncto Geschlechtergerechtigkeit!" Im Pressegespräch am 2. März eröffnet Rektor Heinz W. Engl den Schwerpunkt Gendergerechtigkeit des 650-Jahre-Jubiläums. Den Auftakt macht die Ausstellung "Radical Busts" der österreichischen Künstlerin Marianne Maderna. "Die Ausstellung thematisiert die historische Entwicklung der 'Gendergerechtigkeit' in Bezug auf zwei Aspekte: die über Jahrhunderte währende Nicht-Präsenz von Frauen in Wissenschaft und die Nicht-Sichtbarmachung ihrer Leistungen. Auch im Arkadenhof der Universität Wien sind nur Büsten männlicher Wissenschafter zu sehen. Eine von mir eingesetzte Arbeitsgruppe – zusammengesetzt aus VertreterInnen aller Fakultäten – hat konkrete Pläne für die Ehrung bedeutender Wissenschafterinnen im Arkadenhof vorbereitet, derzeit bereitet eine Jury die Ausschreibung eines künstlerischen Wettbewerbs vor. Noch im Jubiläumjahr 2015 werden wir die konkreten Umsetzungsvorstellungen präsentieren", so der Rektor.
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Marianne Maderna möchte mit ihren Kunstobjekten "Leerstellen der Geschichte" füllen und Frauen einen Raum geben. Mit verzerrten Skulpturen und dazugehörigen "biografisch angehauchten" Poems ruft sie 33 Frauengeschichten in Erinnerung (zum Interview mit Marianne Maderna)
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"Die Sichtbarmachung der weiblichen Errungenschaften ist mir ein persönliches Anliegen", so Heinz W. Engl. Im Bild: Künstlerin Marianne Maderna und Rektor Engl vor den drei Büsten von Helene von Druskowitz, Lise Meitner und Marie Jahoda in der Aula der Universität Wien.
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"Männer hatten viel zu oft das Privileg", so Kuratorin Maia Damianovic. Mit der Ausstellung im Arkadenhof der Universität Wien möchte die Kunstexpertin die BesucherInnen zum Umdenken bewegen, denn "Vorstellungen können sich ändern".
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"650 Jahre Universität Wien – doch für wen?", fragt Gabriella Hauch, Leiterin der AG "UniFrauenJubel". Für Frauen wurden die Türen der Universität Wien erst 1897 geöffnet. "Seitdem hat sich viel verändert, dennoch ist sich die Universität der Geschlechter-Schieflage bewusst", so Hauch. Mit ihren KollegInnen Nikolaus Benke, Elisabeth Holzleithner, Maria Mesner, Birgit Sauer, Sigrid Schmitz, Renée Schroeder, Ruth Wodak und Mischa Messer hat die Historikerin ein vielfältiges Programm für das 650-Jubiläum zusammengestellt: U.a. wird es einen Vortrag der amerikanischen Philosophin Angela Davis geben, ein Symposium zum Thema "Sprache - Geschlecht - Politik" und einen eigens für die Universität Wien konzipierten Jelinek-Text, der, so Hauch, "alles andere als kuschelig ist."
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"Die goldenen Büsten im Arkadenhof sind Stellvertreterinnen weiblicher Exzellenz, Rationalität und Wissen durch die Jahrhunderte", kommentiert Sigrid Schmitz die glänzenden Ausstellungsobjekte. Die Professorin für Gender Studies hat eng mit der Künstlerin Marianne Maderna und der Kuratorin Maia Damianovic zusammengearbeitet. Sie freut sich über die künstlerische Intervention im Arkadenhof und wünscht den BesucherInnen eine "faszinierend-kritische Auseinandersetzung".
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"Der Anteil an Professorinnen konnte in der letzten Dekade verdoppelt werden, dennoch gibt es eine 'schiefe Hierarchie'", so Sylwia Bukowska, Leiterin der Abteilung Gleichstellung und Diversität. Sie berichtet über das umfassende Gender-Monitoring an der Universität Wien, das kontinuierlich und über gesetzliche Vorgaben hinaus ausgebaut wird. Ihr Wunsch für das nächste große Jubeljahr der Universität Wien: "Zum 700-Jubiläum werden wir hoffentlich über Karrierescheren nur mehr aus einer historischen Perspektive erzählen."
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"Wir haben den Themenschwerpunkt Gendergerechtigkeit bewusst ausgewählt. Das Programm ist abwechslungsreich und spannend!", so Barbara Grötschnig, Vertreterin des Hauptsponsors Vienna Insurance Group. Bei der Vienna Insurance Group erlebe sie Diversitätspolitik als gelebten Alltag: "Gruppenweit sind die Vorstandsgremien gegenwärtig zu rund 20 Prozent mit Frauen besetzt, mit steigender Tendenz. Rund 40 Prozent der Ebene unmittelbar unter dem Vorstand bilden weibliche Führungskräfte."
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"Ich finde es spannend, dass das Gegenüber von Frauen und Männern mal auf eine andere Art und Weise dargestellt wird. Und dass dieser klassische Bruch durch deformierte, aber dennoch goldglänzende Köpfe entsteht", erzählt uns Tim Rütten, Besucher der Ausstellung und Assistent am Institut für Geschichte.
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"Das Tolle an der Ausstellung ist eigentlich das Offensichtliche: Die Frauen haben einen Ort bekommen. Man könnte meinen, dass das Thema Gendergerechtigkeit 'erledigt' wäre, aber wenn man in dem Arkadenhof ist, sieht man, dass dem nicht so ist. Genau hier muss angesetzt werden", sagt Katrin Lasthofer vom Referat Genderforschung.
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"Mich hat es schon lange gestört, dass hier nur Männer stehen. Meiner Meinung nach erleben wir heute einen historischen Augenblick, in dem die Schieflage zurechtgerückt wird", so Biochemikerin und Mitglied der AG "UniFrauenJubel" Renée Schroeder, im Bild neben der Büste von Marie Curie.
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Die Büsten können noch bis zum 17. April 2015 im Arkadenhof der Universität Wien besichtigt werden. (Text: Hanna Möller/Fotos: derknopfdruecker.com)
![]() | Die Ausstellung "Radical Busts" bringt 33 Büsten der österreichischen Künstlerin Marianne Maderna in den Arkadenhof der Universität Wien und wird im Programmschwerpunkt "Geschlechtergerechtigkeit" des 650-Jahr-Jubiläums mit Unterstützung des Referats Genderforschung und der Vienna Insurance Group vom 2. März bis zum 26. April 2015 gezeigt. Am 17. April findet das Symposium "Representation – Revisited" statt. |
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