Manfred Ogris: Mit Gentherapie den Krebs besiegen
| 20. Januar 2014Unbekanntes Terrain erkunden, den Krebs besser verstehen und einen Grundstein für neue Therapien legen: Das hat sich Manfred Ogris, seit Oktober Professor für Pharmaceutical Sciences an der Universität Wien, zum Ziel gesetzt. Dieses will der Biotechnologe vor allem mit Gentherapie erreichen.
Manfred Ogris erinnert sich noch genau an den Moment, an dem er beschloss, Wissenschafter zu werden. Eine Exkursion hatte den damals 21-jährigen Lebensmittel- und Biotechnologie-Studenten an das Institut für Molekulare Pathologie geführt. "Es war mein 'Aha-Erlebnis'", erinnert sich Ogris: "Ich stand im Labor wie ein Kind vor dem Weihnachtsbaum und war schwer beeindruckt von der Forschungsarbeit dort. Ab da wusste ich, dass ich in die Wissenschaft will." Heute – 23 Jahre später – gibt Manfred Ogris an der Universität Wien als Professor für Pharmaceutical Sciences diese Begeisterung an seine Studierenden weiter.
"Nase ins Ausland stecken"
In der Zwischenzeit hat der gebürtige Kärntner an verschiedenen hochkarätigen Forschungseinrichtungen einiges an Erfahrung gesammelt: Bereits während des Studiums bewarb er sich – wie sollte es auch anders sein – am Institut für Molekulare Pathologie, dem IMP, für eine Praktikumsstelle. Wenig später schrieb er nebenan am Vienna Biocenter seine Doktorarbeit. Anschließend ging er nach England: Am CRC Institute for Cancer Studies in Birmingham forschte er zunächst als Postdoc, wo er auch ein Marie Curie Fellowship erhielt.
Manfred Ogris war von 1999 bis 2000 Postdoc und von 2000 bis 2001 Marie Curie Fellow am CRC Institute for Cancer Studies in Birmingham. Das Foto wurde dort im Jahr 1999 in seinem Büro aufgenommen. Heute rät er seinen Studierenden "über den Tellerrand hinauszuschauen und die Nase für mindestens zwei Jahre ins Ausland zu stecken". (Foto: Privat) |
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"Dieser Auslandsaufenthalt war überaus wichtig für mich. Ich empfehle jedem und jeder, für mindestens zwei oder drei Jahre die Nase in ein anderes Land zu stecken und sich die Forschungslandschaft dort anzuschauen. Nur wenn man eine andere Perspektive kennt, kann man zurückkehren und in Österreich etwas verbessern", betont Ogris. Sein Doktorvater war es schließlich, der ihn 2001 nach München holte, wo er bis 2013 Forschungsgruppenleiter am Department für Pharmazie an der Ludwig-Maximilians-Universität München war und sich habilitierte.
Zurück in Wien
Das spannende Forschungsumfeld hat ihn schließlich wieder nach Wien gelockt, jedoch nicht in die Dr.-Bohr-Gasse, sondern in die Althanstraße 14 – ins traditionsreiche Pharmaziezentrum der Universität Wien. "Natürlich habe ich auch dem IMP einen Besuch abgestattet und nicht schlecht über das riesige Biozentrum gestaunt, das sich dort entwickelt hat und an dem auch die Universität Wien beteiligt ist." Am Department für Pharmazeutische Chemie der Universität Wien führt der Biotechnologe mit dem Kärntner Schmäh nun seine Forschung zur Tumortherapie fort.
Gene einschleusen
Dabei liegt sein besonderes Augenmerk auf der Gentherapie. "In der Theorie handelt es sich um ein ideales Konzept: Ich bringe ein bestimmtes Gen einfach dort hin, wo es gebraucht wird. Doch für die praktische Umsetzung gibt es noch viel Forschungsbedarf", betont Ogris. Bis jetzt wurde in Europa erst ein Gentherapeutikum zugelassen.
100 Jahre Pharmazeutische Chemie an der Universität Wien: Anlässlich dieses Jubiläums feiert das Department für Pharmazeutische Chemie am 27. Jänner 2013 im Großen Festsaal der Universität Wien. Der bekannte Pharmakochemiker Hugo Kubinyi (BASF und Professor Universität Heidelberg, i.R.) macht sich in seinem Festvortrag "Gedanken zu wissenschaftlichen Entdeckungen". Die neuen Professoren Manfred Ogris und Thierry Langer werden in diesem Rahmen ihre Antrittsvorlesungen halten. |
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"Unsere neuen Tumortherapien basieren auf Nukleinsäure wie DNA oder RNA bzw. auf makromolekularen Trägersystemen: Dabei schleuse ich die Nukleinsäure in den Tumor ein und nutze dort die genetischen Unterschiede zwischen Tumor und gesundem Gewebe, um spezifische Therapien zu entwickeln", erklärt der Professor. Mit Hilfe bildgebender Verfahren untersucht er den – durch Einfärben markierten – Wirkstoff im Tumor: "Auf diese Weise können wir am Bildschirm verfolgen, wo und wie lange sich der Wirkstoff festsetzt und wie er wirkt."
Immunsystem "scharf" machen
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt geht Richtung Tumorabwehr: "Dabei soll das Immunsystem quasi wieder lernen, was ein Tumor ist." Das Immunsystem spielt eine zentrale Rolle bei der Tumorabwehr – im menschlichen Körper entstehen ständig kleine Tumore, die sofort erkannt und zerstört werden. "Passiert das nicht, müssen wir das Immunsystem wieder trainieren, damit es den Tumor erkennt und entfernt", erklärt Ogris diesen Ansatz. Das könnte z.B. mit Hilfe immunstimulierender Nukleinsäuren geschehen: "In Kooperation mit KollegInnen aus Israel haben wir das bei Hirntumoren von Mäusen versucht und gezeigt, dass unter idealen Bedingungen die Glioblastome tatsächlich verschwinden."
Den Tumor verstehen lernen
Der Vorteil dieser Therapie wäre: Resistenzen könnten umgangen und Metastasen verhindert werden. Jedes herkömmliche Therapeutikum wirkt meist nur auf einem bestimmten Signalweg. Denn das große Problem ist die Heterogenität der Tumore: Die Metastasen unterscheiden sich vom Primärtumor komplett, und so muss in jeder Behandlungsrunde ein neuer Wirkstoff herangezogen werden. "Der Tumor ist ja nicht nur eine Krankheit, sondern im Grunde viele, die unter dem Begriff zusammengefasst werden", bringt Ogris die größte Herausforderung in der Krebsforschung auf den Punkt. "Wir müssen daher in erster Linie den Tumor besser verstehen lernen, um neue Therapien zu entwickeln."
Über den Tellerrand schauen
Interesse, Motivation und eine gesunde Portion Selbstbewusstsein sind nach Meinung des neuen Professors die Grundvoraussetzungen für Erfolg in der Forschung. Seinen Studierenden rät er, die Augen offen zu halten und über den Tellerrand hinauszuschauen. "Das Leben ist spannend und lehrt uns ständig Neues", so Manfred Ogris, der dies auch privat durch seine beiden kleinen Kinder immer wieder erleben darf. (ps)
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Manfred Ogris, seit Oktober 2013 Professor für Pharmaceutical Sciences am Department für Pharmazeutische Chemie der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien, hält am Montag, 27. Jänner 2014, um 18 Uhr im Großen Festsaal der Universität Wien seine Antrittsvorlesung zum Thema "Gentherapie: Vom gewagten Konzept zur klinischen Anwendung". Er hält sie gemeinsam mit Univ.-Prof. Mag. Dr. Thierry Langer im Rahmen der Feier "100 Jahre Pharmazeutische Chemie an der Universität Wien".
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