Gerhard Ecker: Arzneistoffentwicklung am Computer

Im Laufe seiner Karriere hat Gerhard Ecker über 1.000 potenzielle Arzneistoffe im Labor synthetisiert. Auch heute widmet sich der neue Professor für Pharmaco-Informatics an der Universität Wien der Optimierung von Medikamenten, allerdings hat er dafür das Labor gegen den Computer eingetauscht.

Als Schüler nahm Gerhard Ecker erfolgreich an der Chemie-Olympiade teil, heute ist er Professor an der Universität Wien und Leiter der 15-köpfigen Pharmaco-Informatics Research Group an der Fakultät für Lebenswissenschaften. "Schon in der Schule interessierte mich ein ganz bestimmter Aspekt der Chemie, und zwar die Auswirkungen von chemischen Verbindungen auf den Menschen", erinnert sich Ecker: "Das war auch der Grund, warum ich Pharmazie und nicht Chemie studiert habe. In der Pharmazie geht es konkret um die Anwendung von Molekülen, um Krankheiten zu bekämpfen."

Synthese, Synthese, Synthese

In seiner Dissertation am Institut für Pharmazeutische Chemie an der Universität Wien erforschte der damalige Jungwissenschafter die Herstellung von Substanzen gegen Herzrhythmusstörungen und deren Optimierung. "Die Grundfrage dabei lautete: Welches Molekül muss ich wie synthetisieren, damit die Eigenschaften in der Anwendung am Menschen verbessert werden?", so Ecker rückblickend. Im Wesentlichen geht es dabei darum, Nebenwirkungen bei Medikamenten zu reduzieren – bis heute eines der Kernthemen nicht nur in der pharmazeutischen Chemie, sondern auch des neuen Professors. Als junger Dissertant Anfang der 1990er ging er dieser Frage im Labor nach, heute hat Ecker den weißen Kittel quasi an den Nagel gehängt und erforscht die Wirkungsweise von Arzneistoffen am Computer.

Das Design der Moleküle

Mittlerweile sind die Computerprogramme komplex genug, um sogenanntes Molecular Modelling – Moleküldesign – am Computer zu ermöglichen und so wertvolle Arbeitszeit im Labor und Ressourcen zu sparen. Auch Tierversuche werden durch dieses moderne Verfahren wesentlich reduziert, da durch die Vorarbeit am Rechner schon viele Verbindungen ausgeschlossen werden können – z.B. wenn eine Verbindung Organschäden verursachen könnte – und somit nicht erst am Tier getestet werden müssen.

Das große Potenzial der Pharmakoinformatik erkannte auch die Universität Wien und ernannte sie bereits 2005 zum Emerging Field an der Fakultät für Lebenswissenschaften. Unter der Leitung von Gerhard Ecker beschäftigt sich sein Team neben der Erforschung und Vorhersage von Nebenwirkungen auch mit der Entwicklung neuer Computermethoden zur Identifizierung biologisch aktiver Verbindungen.

EU-Projekte: Open PHACTS und eTOX

Derzeit forscht die Arbeitsgruppe von Gerhard Ecker in zwei großen EU-Projekten: Open PHACTS – mit einem Gesamtbudget von über 16 Millionen Euro eines der größten laufenden Drittmittelprojekte an der Universität Wien – und eTOX, beide mit mehr als 20 Partnern große europäische Kooperationsprojekte. "In eTOX beschäftigen wir uns mit der Entwicklung neuer Computermodelle, um die Toxizität von bestimmten Substanzen auf lebende Organismen vorherzusagen", fasst Ecker die Kernaufgabe des EU-Projekts zusammen.


Das Ziel von Open PHACTS – die TeilnehmerInnen sind 29 europäische Universitäten, Forschungseinrichtungen und Firmen – ist es, die Datenflut im World Wide Web zur Entwicklung neuer Arzneimittel zu nutzen, zu bündeln und zu vereinheitlichen. "Die Plattform – konzipiert als Open Pharmacological Space – wird es erlauben, komplexe, für die Entwicklung neuer Arzneimittel essenzielle Fragestellungen zu formulieren und wie in einer Suchmaschine an das Internet zu senden", so Gerhard Ecker erklärend. Auf nationaler Ebene ist er weiters in den Sonderforschungsbereich SFB35 "Transmembrane Transporters in Health and Disease" und in das Doktoratskolleg "Molecular Drug Targets" eingebunden.

Vielseitiger Wissenschafter

Seine Erfahrungen in der akademischen Welt gab Gerhard Ecker auch als Mentor im Mentoringprogramm mu:v der Universität Wien weiter: "Das war eine sehr spannende Erfahrung. Ich habe dabei mindestens ebenso viel gelernt wie meine Mentees. Wichtig war mir, den Postdoktorandinnen klar zu machen, dass die Entscheidung, in die Wissenschaft zu gehen, ihren Preis hat: Ich fliege zum Beispiel öfter als 50 Mal im Jahr, bin also sehr viel unterwegs. Der Austausch mit internationalen KollegInnen auf Konferenzen ist unerlässlich. Großprojekte zu akquirieren, koordinieren und durchzuführen bedeutet viel Arbeit, aber natürlich ist es auch sehr schön und erfüllend."

Im Hörsaal

In der Lehre ist es dem Wissenschafter besonders wichtig, selbstständiges Denken zu forcieren. "Ich liebe die Diskussion in der Vorlesung." Um diesen Anspruch selbst mit StudienanfängerInnen zu erfüllen, verwendet Gerhard Ecker ein eigenes "Millionenshow-Programm" für den Hörsaal: Mit einem TED-System beantworten die Studierenden Fragen anonym. So sieht er sofort, welche Fragestellungen Probleme bereiten und kann diese dann nochmals mit den Studierenden durchgehen. Er ist überzeugt: "Was man sich selbst erarbeitet, sitzt einfach tiefer." (td)

Die Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Ecker, stv. Leiter des Departments für Medizinische/Pharmazeutische Chemie und Leiter der Pharmacoinformatics Research Group, zum Thema "Arzneistoffentwicklung am Computer. Fact or Fiction?" findet am Mittwoch, 16. Jänner 2013 um 18 Uhr im Großen Festsaal der Universität Wien statt.