Von Südafrika nach Costa Rica: Immer dem Rüssel nach
| 16. Januar 2014Eine bisher unerforschte und seltene Fliege ist für die südafrikanische Flora essenziell: Denn viele Blüten werden dort einzig durch ihren langen Rüssel bestäubt. ZoologInnen der Universität Wien haben die Gattung Prosoeca sowie Schmetterlinge und Bienen mit "extrem langen Mundwerkzeugen" untersucht.
Bunte Blütenteppiche soweit das Auge reicht: Für sechs Wochen im Jahr verwandelt sich die unwirtliche Trockenlandschaft im Westen Südafrikas in ein prächtiges Blumenmeer, das TouristInnen aus aller Welt magisch anzieht. Für die Region ist das Blütenangebot eine kurzzeitige, aber wichtige Einnahmequelle. Denn sobald der Sommer mit Temperaturen bis über 40 Grad einzieht, verwandelt sich die Gegend wieder in eine karge Wüstenregion. Für die Vielfalt in Afrikas Blumengarten ist unter anderem eine seltene Fliege, die Prosoeca, verantwortlich: Die auffällig vielen langkelchigen Blüten der Region werden vor allem von diesem Insekt bestäubt.
Innerhalb weniger Tage verwandelt sich der karge Boden im westlichen Südafrika in eine bunte Blütenpracht – hier im "Hantam National Botanical Garden". (Foto: Florian Karolyi) |
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Forschung für den Naturschutz
Aber die berühmten Blütenteppiche sind gefährdet. Denn, bedingt durch den Klimawandel, werden die Trockenzeiten immer länger. Das System, das aufgrund der extremen Temperaturschwankungen ohnehin sehr sensibel ist, droht zu kippen: "Das hätte natürlich schwere Folgen für die gesamte Region, weshalb Südafrika daran interessiert ist, mehr über die ungewöhnliche aber systemerhaltende Fliege zu erfahren", erklärt Harald W. Krenn vom Department für Integrative Zoologie der Universität Wien.
Im Rahmen eines FWF-Projekts arbeitet er deshalb mit der Naturschutzorganisation "South African National Biodiversity Institute" zusammen, um – so auch der Projekttitel – "Blütenbesuchende Insekten mit extrem langen Mundwerkzeugen" zu untersuchen. "Viele dieser Tiere sind bisher kaum erforscht, da sie einerseits recht selten sind und teilweise in unzugänglichen Gegenden vorkommen", erklärt der Zoologe.
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Der Fliege auf der Spur
Um mehr über die Bestäubung von Iris, Pelargonien und Co. im westlichen Südafrika in Erfahrung zu bringen, machte sich Projektmitarbeiter Florian Karolyi pünktlich zur Blütezeit auf die Reise, um in einem Schutzgebiet der Provinz Nordkap die mysteriöse Fliege aufzuspüren: "Da ich diese vorher noch nie zu Gesicht bekommen habe, war das recht spannend. Es gab bis dahin keine Aufnahmen von ihr und über ihre Biologie ist so gut wie nichts bekannt: Ich wusste nur, dass sie der Stubenfliege recht ähnlich sieht – jedoch etwas schneller ist und einen sehr langen Rüssel hat." Bei einer Körperlänge von rund zwei Zentimetern ist dieser zwischen drei und fünf Zentimeter lang. "In Hinblick auf das Verhältnis zwischen Körper und Rüssellänge ist diese Fliege somit Rekordhalterin unter den Insekten", betont Karolyi.
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Vorteile des langen Rüssels …
Mit einer Kamera in der Hand suchte sich Florian Karolyi "die besten Plätze mit dem buntesten Blütenangebot" und begab sich auf die Pirsch, um Flugbahn und Blütenbesuch verschiedener Fliegenexemplare zu filmen. Nach den Videoaufnahmen hat der Zoologe Körper- und Rüssellänge seiner "geflügelten Hauptdarstellerinnen" vermessen, die Kopfmuskulatur mit Hilfe der Mikrocomputertomografie untersucht und dabei etwas Interessantes herausgefunden: "Fliegen mit längerem Rüssel besitzen auch die größeren Saugorgane und verweilen länger auf der Blüte, weil sie mehr Nektar aufnehmen – ein deutlicher Vorteil gegenüber ihren kurzrüsseligen Artgenossen."
Möglich macht das die doppelte Saugpumpe im Kopf. Anders als bei Schmetterlingen liegt bei den Fliegen ein Teil davon im Rüssel: Sobald dieser verlängert wird, wächst diese Saugpumpe quasi automatisch mit. Gewisse Strukturen im Rüssel der Fliegen weisen außerdem darauf hin, dass sie Nachfahren blutsaugender Insekten sind. Mit diesen überraschenden Ergebnissen schafften es die WissenschafterInnen auf die Titelseite des Fachblatts "Naturwissenschaften - The Science of Nature".
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… auch für Bienen und Schmetterlinge
Ortswechsel: Rund 12. 000 Kilometer weiter nordwestlich stehen auffällig langrüsselige Schmetterlinge und Prachtbienen im Fokus der Wiener ZoologInnen. Die PhD-Studentin und Projektmitarbeiterin Julia Bauder hat in der Tropenstation La Gamba, der Forschungsstation der Universität Wien in Costa Rica, ebenfalls seltene, sehr langrüsselige Arten aus den Schmetterlingsgruppen Hesperiidae und Riodinidae untersucht und mit durchschnittlichen Arten verglichen. "Der Stationsgarten ist ein unglaublich günstiger Platz für unsere Arbeit: Hier können wir täglich dutzende verschiedene Arten finden und seltene Schmetterlinge und Prachtbienen beobachten", beschreibt Projektleiter Krenn die 20.000 Quadratmeter große Anlage. Mit dem reichen Blütenangebot und umgeben von Primärwald ist der Garten ein idealer Lebensraum für die Tiere.
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In La Gamba kam ein experimenteller Forschungsteil hinzu: Die Zoologin Julia Bauder konfrontierte die Insekten mit standardisierter Nektarlösung und maß, wie schnell sie diese aufnahmen. Es zeichnete sich ein ähnliches Ergebnis wie in Südafrika ab: "Während normale Schmetterlinge sehr rasch von einer Blüte zu nächsten fliegen, lassen sich die langrüsseligen viel Zeit und sind oft minutenlang mit einer Blüte beschäftigt", so Krenn.
Einzigartiges Labor
Die Verknüpfung von Freilandarbeit mit Laborarbeit und experimenteller Arbeit zeichnet das Projekt aus: "Erst durch diese Kombination können wir den gesamten Organismus verstehen und funktionsmorphologische mit verhaltensbiologischen und ökologischen Aspekten zusammenbringen. Dies erlaubt uns auch, Schlussfolgerungen für die Beziehung zwischen Pflanzen und Tieren zu ziehen", unterstreicht Krenn. Sein Labor am Department für Integrative Zoologie beschäftigt sich bereits seit vielen Jahren mit blütenbesuchenden Insekten und ist europaweit einzigartig. Mit den aktuellen Projektergebnissen konnte eine Forschungslücke geschlossen werden: Das Wissen über die langrüsseligen Blütenbesucher trägt nicht zuletzt zu einem besseren Verständnis und Schutz des sensiblen Ökosystems Südafrikas bei. (ps)
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Das FWF-Projekt "Extrem lange Mundwerkzeuge blütenbesuchender Insekten" lief von 1. Mai 2010 bis 31. Oktober 2013 unter der Leitung von ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Harald W. Krenn vom Department für Integrative Zoologie. ProjektmitarbeiterInnen: Mag. Florian Karolyi und Mag. Julia Bauder vom Department für Integrative Zoologie.