Körperbilder und Globalisierung

In Zeiten von YouTube, Facebook und Co. können künstlerische Performances von überall verfolgt werden, egal ob sie in Brasilien, Hawaii oder Japan stattfinden. Den Einfluss dieser globalisierten Welt auf die performativen Künste untersucht Theaterwissenschafterin Daniela Pillgrab.

Daniela Pillgrab ist eine Jungwissenschafterin mit beeindruckender Karriere, die derzeit als Postdoc im Hertha-Firnberg-Programm an ihrem Projekt "Körperbilder in den Performativen Künsten im Zeitalter der Globalisierung" arbeitet. Ihr Forschungsinteresse knüpft als logische Konsequenz an ihre bisherige akademische Laufbahn an, die sowohl durch disziplin- als auch kulturübergreifende Forschungsansätze den Anforderungen einer zeitgemäßen wissenschaftlichen Karriere Rechnung trägt. So nahm sie etwa im Rahmen ihres Doktorats am vierten Mentoring Programm der Universität Wien, muv4, teil. Gemeinsam mit Mentorin Pia Janke, der Leiterin der Forschungsplattform Elfriede Jelinek, organisierten die Mentees auch eine wissenschaftliche Tagung zum Thema "Inszenierung von 'Weiblichkeit' – zur Konstruktion von Körperbildern in der Kunst".

"Erst mal Hertha Firnberg"


Das Doktoratsstudium war geprägt vom interdisziplinären Austausch im Rahmen des Initiativkollegs "Sinne – Technik – Inszenierung: Medien und Wahrnehmung" an der Universität Wien. Inhaltlich erweiterte Daniela Pillgrab ihren wissenschaftlichen Fokus auf performative Verfahrensweisen in der ehemaligen Sowjetunion und in Ostasien, so verfasste sie ihre Doktorarbeit unter dem Titel "Körper inszenieren nach Sozialistischem Realismus und Peking Oper", 2011 wurde sie mit dem Doc.Award von Universität und Stadt Wien ausgezeichnet. Es folgte ein Forschungsaufenthalt an der Beijing Normal University und damit einhergehend eine intensive Auseinandersetzung mit Fragestellungen zu Kultur und Kulturbegriff im Kontext der Globalisierung. Ermöglicht wurde dieses Projekt durch das Austauschprogramm "Erasmus Mundus" der Europäischen Union.


Dieser Artikel erschien im
Forschungsnewsletter Jänner 2014.

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Zurück in Wien folgte die erfolgreiche Bewerbung für das FWF-Karriereentwicklungsprogramm für Wissenschafterinnen "Hertha Firnberg". Gerade die Postdoc-Phase gilt als eine der kritischsten in der wissenschaftlichen Laufbahn. Der nächste Schritt wäre dann das Senior Postdoc-Programm Elise Richter, um die Qualifikation zur Bewerbung um eine in- oder ausländische Professur zu erreichen. "Das wäre natürlich interessant", sagt Daniela Pillgrab: "Doch jetzt konzentriere ich mich erst mal auf mein Hertha-Firnberg-Projekt."

China, Österreich, Hawaii


Nach einer eineinhalbjährigen Projektunterbrechung – im April 2012 wurde Sohn Paul geboren – hat Daniela Pillgrab im Juli 2013 ihre Arbeit wieder aufgenommen. Und sie plant auch schon ihren nächsten Forschungsaufenthalt im Ausland: Von August bis Dezember 2014 wird sie an der "University of Hawaii at Manoa" in Honolulu forschen, ihr Sohn wird sie dabei begleiten: "Als Wissenschafterin muss man schon sehr flexibel sein. Die University of Hawaii at Manoa bietet optimale Forschungsbedingungen. Hawaii und seine Einflüsse aus ostasiatischen, amerikanischen und polynesischen Kulturräumen ist ein spannendes Terrain – gerade bei meinem Thema, das sich mit Performance und Körperbildern im Zeitalter der Globalisierung beschäftigt."

Auf Hawaii wird sich die Theaterwissenschafterin u.a. mit der Arbeit von Butoh-Tänzerin Lori Ohtani auseinandersetzen, deren Tanzgruppe in Honolulu ihren Sitz hat. Butoh ist eine Form von moderner Performancekunst, die vor wenigen Jahrzehnten in Japan entstanden ist.

Arabischer Frühling …


Auch die Körperbilder, mit denen die chinesische Performerin Wen Hui arbeitet – Pillgrab lernte sie vor wenigen Jahren in China kennen –, werden von der Jungwissenschafterin im Kontext der globalen Welt analysiert. Wichtig ist es ihr dabei, thematisch offen zu bleiben. So ist es erforderlich, auch aktuelle Ereignisse wie etwa den Arabischen Frühling und Performances, die Bezug auf die Umbrüche in der arabischen Welt nehmen, in einer solchen Arbeit mitzudenken: "Ich möchte ganz aktuell entstehende Performances, die politische Ereignisse vor dem Hintergrund der Prozesse der Globalisierung verhandeln, in meine Arbeit einbeziehen. In dieser Hinsicht ist der Arabische Frühling natürlich besonders spannend."

… und Web 2.0

Im Zentrum der Forschungsarbeit steht zunächst die Frage: Auf welche Weise wirkt Globalisierung auf performative Künste und die dort produzierten Körperbilder ein? Daraus ergeben sich weitere Fragestellungen – etwa danach, wie KünstlerInnen auf politische Ereignisse reagieren, oder danach, wie Zeichen eingesetzt und ausgetauscht werden und welche Bedeutung ihnen dabei gegeben wird.

Natürlich könnte Daniela Pillgrab zu deren Beantwortung von Kontinent zu Kontinent und von Performance zu Performance reisen. Das ist aber gar nicht nötig im Zeitalter des Web 2.0: Eben jene neuen Medien, die den globalen Dialog der Kultur- und Kunstschaffenden ermöglichen, stellen wertvolles Arbeitsmaterial zur Verfügung. Auch in der Scientific Community werden ebendiese neuen Medien mehr und mehr für Netzwerkbildung genutzt.

Von der Praxis zur Theorie

Eines ist für Pillgrab klar: "Im Mittelpunkt steht der Körper. Als sehr Theorie-affine Wissenschafterin ist es mein Ziel, anhand von praktischen Beispielen einen Ansatz zu entwickeln, wie Körperbilder in Performances in unserer globalisierten Welt 'funktionieren'." (td)

Das FWF-Projekt "Körperbilder in den Performativen Künsten im Zeitalter der Globalisierung" von Mag. Dr. Daniela Pillgrab (Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft) läuft im Rahmen des Hertha-Firnberg-Programms bis 31. Dezember 2015.