Rauchen Sie österreichisch?

Nach 1945 wurde in Österreich die Entwicklung einer nationalen Identität seitens der Politik forciert. Franz X. Eder, Karin Moser und Mario Keller untersuchen, ob und wie Werbefilme – u.a. von Ankerbrot, Austria Tabak oder Humanic – zur Festigung der österreichischen Identität beigetragen haben.

"Raucht österreichisch" oder "Raucht patriotisch" lauteten die Werbeslogans der Austria Tabak in den 1940er und 1950er Jahren. Nicht nur in der Politik, auch in der Werbung war es damals ein Anliegen, ein nationales Selbstverständnis bei der Bevölkerung zu etablieren. So standen viele Werbebotschaften unter dem Motto "konsumiert österreichisch", um die heimische Industrie und den Wiederaufbau zu stärken.

Von Brot über Schuhe bis Zigaretten
 
Die österreichische Werbefilmgeschichte wurde bislang kaum wissenschaftlich untersucht. Franz X. Eder, Karin Moser und Mario Keller vom Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien wollen diese Lücke schließen und erforschen aktuell die Emotionalisierung nationaler Marken im österreichischen Werbefilm. Dafür analysieren sie erstmals rund 700 Werbefilme aus der Zeit zwischen 1950 und 2000 von neun österreichischen Marken: Ankerbrot, Austria Tabak, Bank Austria (inklusive deren Vorläufern Länderbank, Zentralsparkasse, Creditanstalt), Funder, Humanic, Iglo, Manner, Palmers und Semperit.

Franz X. Eder, Karin Moser und Mario Keller untersuchen, welche filmischen Emotionalisierungsstrategien zwischen 1950 und 2000 eingesetzt wurden, um heimische Marken zu bewerben. (Foto: Universität Wien)

Österreichische Symbole in der Werbung

"Uns interessiert, wie die Spots zur Festigung der österreichischen Identität beigetragen haben. Wir schauen uns an, inwiefern nationale Symbole wie die Flagge, Sprache, Personen, Landschaften etc. dazu benutzt wurden, aber auch welche sonstigen Emotionalisierungsstrategien in den Werbefilmen zum Einsatz kamen", erklärt Projektleiter Franz X. Eder das Forschungsinteresse seines Teams. Die Werbeclips haben die WissenschafterInnen bei den Firmen selbst, aus der ORF-Mediathek, dem Filmarchiv Austria sowie von privaten SammlerInnen und FilmemacherInnen zusammen getragen.

Neben der Analyse dieser Filme führen sie auch Interviews mit den RegisseurInnen: "Dabei stoßen wir oftmals auf ganz andere Strategien und Erklärungen, als wir sie vielleicht im ersten Moment vermutet hätten", erzählt Projektmitarbeiterin Karin Moser, die sich in ihrer Dissertation aktuell auch mit dem österreichischen Werbefilm vor 1938 beschäftigt.

In den 1950er-Jahren warb die Firma Humanic mit traditionellen Werten: "Der gute österreichische Schuh!".

Aus konservativ wird "Franz"

Die Feinanalyse von rund 100 Filmen soll zeigen, wie sich die Formen filmischer Kommunikation verändert haben. Humanic wirbt beispielsweise in den 1940er/50er Jahren zunächst klassisch unter dem Motto "der gute österreichische Schuh". "In den 1970er Jahren verändert sich der Auftritt der Marke dann radikal mit dem neuen Werbeleiter Horst Gerhard Haberl. Auf einmal stand nicht mehr das Produkt im Mittelpunkt, sondern Kunst. Heraus kamen avantgardistische Kurzfilme, in denen sich Künstler wie H. C. Artmann (siehe Videobeispiel unten), Otto M. Zykan, Roland Goeschl oder Axel Corti frei entfalten konnten", so Karin Moser. In den 1990er Jahren ging Humanic schließlich wieder dazu über, die Produkte selbst in den Mittelpunkt zu stellen.


Videobeispiel: Werbeclip HC Artmann von 1980



Lifestyle verdrängt den Patriotismus


Auch bei Nahrungs- und Genussmitteln lässt sich ein zeitlich bedingter Wandel ausmachen. So setzt beispielsweise Zigarettenwerbung ab den 1960er/70er Jahren nicht mehr auf Patriotismus, sondern Lifestyle. Und während nach Kriegsende Nahrungsmittel vor allem damit beworben wurden, günstig und nahrhaft zu sein, ändert sich der Fokus spätestens ab 2000 hin zu Bio- und Light-Produkten.

Innovative Methodik


Um die Rolle der Werbefilme bei der Ausbildung einer eigenen österreichischen Identität zu untersuchen, verknüpfen die WissenschafterInnen sowohl historische als auch filmwissenschaftliche Methoden miteinander. "Wir analysieren nicht nur den historischen Kontext der Werbespots, sondern auch die einzelnen filmischen Emotionalisierungsstrategien. Wir bewegen uns mit dem Projekt im Schnittfeld zwischen Wirtschafts-, Sozial- und Kulturgeschichte und der Filmwissenschaft", so Franz X. Eder.

Abbild des gesellschaftlichen Wertewandels


In Werbefilmen für die Länderbank hieß es in den 1970er Jahren u.a.: "Geldangelegenheiten sind nicht nur Männersache"; und auch viele der damals entstandenen Animationsfilme waren alles andere als politisch korrekt. "Es passiert mitunter, dass wir bei der Analyse der Filme plötzlich laut zu lachen beginnen. Manche Filme sind aus heutiger Sicht höchst amüsant, mitunter grotesk und befremdlich“, so Karin Moser. Dieses spürbar und erlebbar Werden des Wertewandels finden die WissenschafterInnen "unglaublich spannend".

Prägnantestes Beispiel sind Zigaretten: Denn während vor 65 Jahren "patriotisch" geraucht werden sollte, dürfen Zigaretten heutzutage weder im Fernsehen noch auf Plakaten mehr beworben werden. (mw)

Das FWF-Projekt "Die Emotionalisierung nationaler Marken im österreichischen Werbefilm 1950-2000" läuft von 1. Jänner 2015 bis 31. Dezember 2017. Leiter ist Univ.-Prof. Dr. Franz X. Eder, MitarbeiterInnen sind Mag. Karin Moser und Mag. Mario Keller, alle vom Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien.