Das fliegende Labor – in 26 Tagen um die Welt (Teil 3)

Einmal Äquator und zurück. Die AerosolforscherInnen der Universität Wien haben erfolgreich ihren ersten Missionsflug absolviert. Für uni:view berichten sie exklusiv von dem knapp zehnstündigen Flug über den östlichen Pazifik.

Kurz nach 5 Uhr morgens in Palmdale. Die Dämmerung beginnt. Verglichen mit den Temperaturen von um die 40 Grad Celsius, die wir untertags beobachten, ist es noch angenehm kühl. Heute findet der erste wissenschaftliche Missionsflug im Rahmen der Atmospheric Tomography Mission (ATom) statt. Die DC-8 steht schon auf dem Vorfeld vor dem Hangar der NASA. Einige KollegInnen, deren Instrumente sehr lange Vorlaufzeiten haben, arbeiten bereits seit 4 Uhr morgens. Unser Messgerät, ein Cloud, Aerosol and Precipitation Spectrometer (CAPS), hat bei der Kalibrierung in den vorausgegangenen Tagen stabile Werte gezeigt und beim letzten Test am Vortrag zuverlässig gemessen. Auch der zweite Testflug vor zwei Tagen verlief gut. Wir erwarten keine Überraschungen.


Das Forschungsflugzeug DC-8 auf dem Vorfeld des NASA Hangers vor dem Start zum "Äquatorflug". (Foto: Bernadett Weinzierl )

Jetzt haben wir noch eine Stunde Zeit für die letzten Checks, bevor um 6 Uhr das Crew-Briefing im Flugzeughangar beginnt. Bei diesem Briefing erhalten wir nochmal letzte Updates zu den Flugplänen und zum Wetter. Danach geht es in den Flieger. 42 Personen (Piloten, Navigator, Bordingenieure, TechnikerInnen und WissenschafterInnen) sind an Bord des Flugzeugs, dessen Türen sich um 7 Uhr – 30 Minuten vor dem Start – schließen.

Ready for take-off

Mittlerweile hat die gesamte Besatzung der DC-8 Headsets auf und der übliche Countdown beginnt: bevor die Triebwerke hochgefahren und der Strom von Boden- auf Flugzeugbetrieb umgeschaltet wird, fragt der Missionskoordinator den Status jedes einzelnen Instrumentes ab. Heute sind alle Messgeräte in gutem Zustand und man hört von jeder Instrumentengruppe ein "ready", also bereit zum Umschalten auf Triebwerkstrom. Auch beim Stromumschalten gibt es keine Ausfälle. Mittlerweile ist es kurz vor halb acht, dem geplanten Startzeitpunkt. Es gibt eine weitere Abfrage durch den Missionskoordinator, ob alle Messgeräte bereit zum Start sind. Triebwerke auf volle Leistung und los geht es. Langsam hebt die voll beladene DC-8 ab. Während das Flugzeug steigt und Richtung Westen abdreht, zeigt die CAPS erhöhte Supermikrometer-Aerosolkonzentrationen. Noch immer ist die Grenzschicht über Kalifornien voll beladen mit den Emissionen der großen Buschfeuer, die seit einigen Wochen hier brennen.


Waldbrandaerosolschichten über Kalifornien. (Foto: Bernadett Weinzierl)

Unser Flug führt uns heute in knapp zehn Stunden über den östlichen Pazifik, entlang 120 Grad West direkt nach Süden bis zum Äquator und wieder zurück nach Palmdale. Zwanzig Minuten nach dem Start sind wir zum ersten Mal auf maximaler Flughöhe. Insgesamt werden wir bei diesem Flug noch sieben Mal auf eine Höhe von elf bis zwölf Kilometer steigen und dazwischen wieder auf 200 Meter über dem Meeresniveau sinken. Während es bei den beiden Testflügen kaum Wolkendurchflüge gab, werden wir dieses Mal die innertropische Konvergenzzone – ein Gebiet mit hochreichender Konvektion und zahlreichen Wolken in der Nähe des Äquators – durchfliegen. Wir sind schon gespannt auf die Messdaten des Imagers in der CAPS, der uns in Echtzeit "Schattenbilder" der Wassertröpfchen und Eiskristalle in den Wolken erstellt. Nach einigen kurzen Wolkendurchflügen im ersten Abschnitt des Fluges erreichen wir nach circa vier Stunden das Gebiet der innertropischen Konvergenzzone mit ausgeprägten Wolkenschichten.  


Der Imager in der CAPS erstellt "Schattenbilder" der Wassertröpfchen und Eiskristalle in den durchflogenen Wolken und deckt dabei einen Größenbereich zwischen 15 µm und knapp einem Millimeter ab. Während der Imager bei Temperaturen oberhalb der Nullgradgrenze Wasserwolken mit runden Tröpfchen zeigt, finden wir bei Temperaturen von deutlich unter null Grad Eiskristalle mit unterschiedlichen Formen (Grafik unten). 

Auch bei diesem Flug finden wir wieder Schichten mit den Emissionen der großen Buschfeuer, darüber hinaus Mineralstaub – wahrscheinlich aus der Sahara – und in niedriger Höhe über dem Pazifik ausgeprägte Seesalzaerosolschichten. 


Die verschiedenen Aerosolschichten über dem östlichen Pazifik sind nicht nur in den Messgeräten, sondern auch visuell als grau-braune Schichten erkennbar. (Foto: Bernadett Weinzierl)

Beobachten, Messen, Protokollieren

Im Gegensatz zu Transatlantikflügen, die sich mit zehn Stunden Flugzeit durchaus in die Länge ziehen können, vergeht die Zeit heute mit Beobachten, Daten mit anderen Messgeräten vergleichen, Fotografieren und Flugprotokoll schreiben im wahrsten Sinne wie im Flug. Eine dreiviertel Stunde vor der Landung wird der sogenannte "run down" – ein Statusbericht aller Instrumente zum aktuellen Flug – durchgeführt. Während wir uns langsam der kalifornischen Küste nähern, werden von allen Instrumenten der Status, die Highlights sowie die für die Nachbereitung benötigte Zeit abgefragt. 

Der Schatten des Forschungsflugzeugs  DC-8 in luftiger Höhe. Regelmäßige Updates von der Flugzeugmesskampagne gibt es auch im Blog "A³-team @ ATom" der ForscherInnen auf der Website der Forschungsgruppe Aerosolphysik und Umweltphysik der Universität Wien. (Foto: Bernadett Weinzierl)

Zurück am Boden

Um kurz vor 17 Uhr landet die DC-8 nach rund neuneinhalb Stunden Flugzeit. Während das Flugzeug von der Landebahn zum Hangar rollt, beginnen die WissenschafterInnen mit dem Abschalten der Messgeräte. Instrumente und Pumpen werden ausgeschaltet, Ventile geschlossen und Daten von den Computern gesichert. Im Flugzeug hört man ein reges Piepsen von den unterbrechungsfreien Stromversorgungen und Batterien, die sicherstellen, dass es beim Wechsel zwischen Boden- auf Flugzeugbetrieb keine Stromausfälle gibt und die Messgeräte und Computer sicher weiterlaufen können.

Nachdem die DC-8 im Hangar angekommen ist, versammeln sich die gesamte Flugcrew sowie die am Boden gebliebenen WissenschafterInnen und TechnikerInnen für ein Debriefing, bei dem über den Verlauf des Fluges berichtet und das weitere Vorgehen für die nächsten Tage besprochen wird. Für den ersten Teil der ATom-Messflüge müssen die notwendigen Wartungen und letzten Vorbereitungen durchgeführt werden. In den kommenden Tagen werden uns die Messflüge von Palmdale über Alaska, Hawaii, Amerikanisch-Samoa bis nach Neuseeland führen, wo neben erweiterter Wartung auch der Crew-Wechsel stattfinden wird.

Fortsetzung folgt …

Zu den AutorInnen:
Die AerosolphysikerInnen Univ.-Prof. Dr. Bernadett Weinzierl und MSc. Maximilian Dollner von der Fakultät für Physik der Universität Wien sind im Rahmen des groß angelegten Forschungsprojekts "Atmospheric Tomography Mission" (ATom) gemeinsam mit ForscherInnen der NASA, der Harvard University, NOAA sowie neun weiteren US-Forschungseinrichtungen mit dem Forschungsflugzeug DC-8 unterwegs und berichten darüber wöchentlich im uni:view Magazin. Auf insgesamt über 66.000 Flugkilometern von Palmdale (Kalifornien) bis zum Nordpol und zur Antarktis untersuchen sie, wie Abgase und Co unsere Luft und das Klima beeinflussen.