Das fliegende Labor – in 26 Tagen um die Welt (Teil 2)
| 29. Juli 2016Ein Testflug ist absolviert, ein zweiter steht bevor – danach startet das Team der Universität Wien seinen ersten Missionsflug im Rahmen des Forschungsprojekts "ATom". Bis dahin ist den AerosolforscherInnen alles andere als langweilig. Lesen Sie hier, was sie aus Palmdale, Kalifornien, berichten.
Flugzeugmessungen sind immer eine besondere Herausforderung – sowohl für die Messgeräte, als auch für uns WissenschafterInnen. So müssen wir beim Aufbau der Geräte beispielsweise sicherstellen, dass die Aerosolpartikel – die uns im Projekt ATom (Atmospheric Tomography Mission) interessieren – das Messvolumen erreichen und nicht auf dem Weg in die Messzelle "verloren" gehen.
Oben: Einlass für die in das Flugzeug eingebauten Aerosolmessgeräte. Unten: Unser unter dem rechten Flügel der DC-8 montiertes Cloud, Aerosol und Precipitation Spectrometer (CAPS). Das zugehörige Datenerfassungssystem befindet sich in ca. 30 m Entfernung in der Flugzeugkabine. Während der Kalibrierungen können wir die Messwerte der CAPS mithilfe des DC-8 Boardnetzes und Remote Control auf einem Tablet oder Mobiltelefon direkt neben dem Instrument überprüfen (Fotos: Bernadett Weinzierl und Maximilian Dollner).
Zudem brauchen die Messgeräte schnelle Ansprechzeiten, da Forschungsflugzeuge wie die NASA DC-8, mit der wir unterwegs sind, Geschwindigkeiten zwischen 180 und 270 Metern pro Sekunde erreichen und damit in einer Minute eine Strecke von zehn bis 15 Kilometern zurücklegen! Darüber hinaus muss ein Temperaturbereich von mehr als +40 Grad Celsius bis zu -50 bis -60 Grad Celsius abgedeckt werden.
Und zu allem Überfluss bewegt sich unser Flugzeug in Höhen zwischen dem Boden und einer Höhe von 12 Kilometern über dem Boden – das bedeutet, dass die Geräte auch variierende Druckbedingungen berücksichtigen müssen. Denn der Luftdruck nimmt in diesem Höhenbereich von ca. 1.013 hPa (Erdoberfläche) auf 200 hPa ab.
Glorie um den Schatten der DC-8. Eine Glorie ist ein optisches Phänomen, das durch Rückstreuung von Licht an Wolkentröpfchen entsteht (Foto: Bernadett Weinzierl).
Aber auch für uns Menschen sind Flugzeugmesskampagnen eine Herausforderung: Im Labor können wir nicht alle Bedingungen simulieren, die unser Messgerät während eines Fluges vorfindet. So ist es notwendig, sich im Vorfeld der Messkampagne Tests für die kommenden messtechnischen Besonderheiten bei den Forschungsflügen zu überlegen und durchzuführen und die Messkampagne gut vorzubereiten. Bei ATom sind wir zudem nicht an einem Flughafen stationiert, sondern kommen jeden zweiten bis dritten Tag an einem anderen Ort an – regelmäßige Zeitzonen-Wechsel inklusive. Sämtliches Kalibrierequipment und Ersatzteile müssen wir in der bis auf den letzten Kubikzentimeter vollbepackten DC-8 mitnehmen – bzw. aufgrund des limitierten Platzes schon vorab eine Auswahl der wichtigsten Ersatzteile treffen.
Was seit dem ersten Bericht passiert ist
In den vergangenen Tagen wurden auf der DC-8 zahlreiche Instrumente für die ATom-Mission eingebaut: Der Großteil der Messgeräte befindet sich in der Flugzeugkabine, und die Luft gelangt über Einlässe im Flugzeugrumpf mit starken Pumpen zu den Instrumenten.
Unser Messgerät, ein sogenanntes Cloud, Aerosol, and Precipitation Spectrometer (CAPS), ist unter dem Flügel der DC-8 montiert. Dadurch stellen wir sicher, dass wir auch Aerosol- und Wolkenteilchen im Größenbereich zwischen 500 Nanometern und fast einem Millimeter detektieren können: Sie würden ansonsten beim Einsaugen ins Flugzeug verdunsten bzw. aufgrund ihrer Trägheit gar nicht erst durch den Einlass gelangen.
Oben: Die DC-8 während des "Shakedown Fluges". Die CAPS befindet sich an der Spitze des rechten Tragflügels. Unten: Die CAPS vom vordersten Kabinenfenster aus gesehen während Messungen in 200 m Höhe über der Meeresoberfläche des östlichen Pazifiks. (Fotos: Bernadett Weinzierl)
Um die Anzahlkonzentration, Größe und Form von Aerosol- und Wolkenpartikeln zu bestimmen, benutzt so ein CAPS zwei Laser und ein sogenanntes Diodenarray. Trifft das Licht von Laser Numero 1 auf ein Aerosolpartikel, wird es gestreut – ein anderer Detektor zeichnet die Streulichtmenge, die je nach Partikelgröße variiert, auf. Mit dieser Methode können wir also auf ~0.1 Mikrometer genau die Größe der Aerosolpartikel bestimmen. Das Diodenarray hingegen nimmt "Schattenbilder" der Partikel auf, die durch Laser Numero 2 fliegen – wir können uns diese "Schattenbilder" live im Flugzeug anschauen und Rückschlüsse auf die Partikelform und –größe treffen. Daneben gibt es Sensoren für Druck, Temperatur, relative Feuchte, Fluggeschwindigkeit und den Flüssigwassergehalt in Wolken.
Nach mehreren Monaten Vorbereitung im Labor steht uns nun beim Einbau der CAPS ins Flugzeug der erste Härtetest bevor – damit steht und fällt auch die Flugzeugzulassung durch die Behörden. Haben wir alle Kabel richtig gebaut, ist die Stromabnahme so wie erwartet, funktioniert die Kommunikation der Sonde am Flügel mit dem ca. 30 Meter entfernten, in der Flugzeugkabine eingebauten Datenerfassungssystem, und lässt die CAPS die Flugeigenschaften der DC-8 unbeeinflusst? Letzteres wird beim sogenannten "Shakedown Flug" getestet, bei dem extreme Flugmanöver geflogen werden. Für diese Erprobung ist die DC-8 mit so wenigen Crewmitgliedern wie möglich besetzt. Wir WissenschafterInnen müssen leider am Boden bleiben.
Während die Sonde den Shakedown-Flug mit Bravour besteht und damit zum Fliegen zugelassen ist, zeigen die Bodentests des im Flugzeug eingebauten Instrumentes, dass noch nicht alles einwandfrei funktioniert. Mithilfe eines Lötkolbens, einigen Elektronikbauteilen und Schaltplänen funktioniert aber schließlich alles so wie geplant.
Während die Sonde also ihre Vorbereitungs- und Zertifikationsprozesse durchläuft, müssen auch wir auf der DC-8 mitfliegenden WissenschafterInnen spezielle "Tests" absolvieren – u.a. eine flugmedizinische Freigabe und ein Sicherheitstraining.
Startbahn frei für den ersten Testflug
Endlich ist es soweit: Der erste Testflug im Rahmen von ATom findet statt. Der letzte Check ergab eine stabile Kalibrierung unserer CAPS, und nun sind wir gespannt auf die Ergebnisse im Flug. Laut Wettervorhersage sollten wir Supermikrometer-Aerosol finden. Einmal in der Luft, zeigt die intensive Kampagnenvorbereitung der vergangenen Monate Wirkung: Unser Gerät misst zuverlässig, und wir finden sowohl Schichten mit Staub aus Asien als auch Seesalz-Aerosol und niedrige Wolken.
Aber ein Testflug wäre kein Testflug, wenn es nicht auch noch Verbesserungspotenzial gäbe. In den kommenden Tagen steht also noch so einiges am Programm: das Weiterentwickeln der Auswertungssoftware, das detaillierte Prozessieren und Analysieren der Testflugdaten, das Aufbereiten der vorläufigen Messdaten für das Datenarchiv und schließlich Kalibrierungen und Vorbereitungen für unseren zweiten Testflug.
Fortsetzung folgt …
Schauen Sie wieder herein: Beim nächsten Mal berichten wir über den zweiten Testflug und unseren ersten ATom-Missionsflug, der uns in zehn Stunden Flugzeit zum Äquator und wieder zurück nach Palmdale führen wird.
An der ATom-Mission sind WissenschaftlerInnen des California Institute of Technology, der Colombia University, von CU Boulder, CIRES, der Harvard University, NASA, NCAR, NOAA, der Penn State University, der Scripps Institution of Oceanography, UC Irvine, der University of New Hampshire und der Universität Wien beteiligt.
Neugierig geworden?
Regelmäßige Updates von der Flugzeugmesskampagne gibt es auch im Blog "A³-team @ ATom" der ForscherInnen auf der Website der Forschungsgruppe Aerosolphysik und Umweltphysik der Universität Wien.
Zu den AutorInnen:
Die AerosolphysikerInnen Univ.-Prof. Dr. Bernadett Weinzierl, MSc. Maximilian Dollner und Ing. Harald Schuh von der Fakultät für Physik der Universität Wien sind im Rahmen des groß angelegten Forschungsprojekts "Atmospheric Tomography Mission" (ATom) gemeinsam mit ForscherInnen der NASA, der Harvard University, NOAA sowie neun weiteren US-Forschungseinrichtungen mit dem Forschungsflugzeug DC-8 unterwegs und berichten darüber wöchentlich im uni:view Magazin. Auf insgesamt über 66.000 Flugkilometern von Palmdale (Kalifornien) bis zum Nordpol und zur Antarktis untersuchen sie, wie Abgase und Co unsere Luft und das Klima beeinflussen.