Umweltgefahren durch Bestattungen

In Österreich sterben pro Jahr rund 77.000 Menschen. Annähernd 80 Prozent der Leichen werden in der Erde bestattet, ca. 20 Prozent verbrannt. Welchen Einfluss haben die Art der Bestattung, medizintechnische Hilfsmittel wie Herzschrittmacher oder Implantate oder eine Behandlung durch Antibiotika auf die Umwelt? Geht von Leichen durch Leichengifte eine Gefahr für das Grundwasser aus, oder können Krankheitserreger über weite Strecken transportiert und lebensfähig bleiben? Darüber sprach der Umweltgeowissenschafter Thilo Hofmann am Samstag, 19. November in der ORF-Sendung "Newton" – für "uni:view" hat er seinen Beitrag zu Papier gebracht.

Zugegeben, ein eher unübliches Gebiet für die Umweltgeowissenschaften, aber immer wieder wird man mit diesen Fragen konfrontiert. Zum Beispiel werden UmweltgeowissenschafterInnen dann als Gutachter zu Rate gezogen, wenn der Verwesungsvorgang von Leichen nicht innerhalb der vorgeschriebenen Ruhezeit von zehn bis 30 Jahren vollständig abgeschlossen ist. Anstatt der vollständigen Verwesung der Leiche, welche insbesondere Sauerstoff und somit einen gut belüfteten Boden benötigt, findet man am Ende der Ruhezeit weitgehend erhaltene Leichen, sogenannte "Wachsleichen". Diese entstehen, wenn Eiweiße und Fette des Körpers nicht unter oxischen Bedingungen vollständig abgebaut werden, sondern Wachse bilden, die den Körper konservieren. Beobachtet wird dies dann, wenn der Boden wasserstauende Schichten enthält, somit sehr feucht und schlecht belüftet ist, oder das Grundwasser sehr nahe der Oberfläche ansteht. An sich sollten in solchen Lagen keine Friedhöfe angelegt werden, jedoch werden aus verschiedenen Notwendigkeiten Standorte gewählt, die geologisch ungeeignet sind und nachträglich durch Entwässerung oder das Einbringen von Sand und Kies saniert werden müssen.

Infektiöse Keime überleben nicht

Der Begriff der Leichengifte, wie durch Ignaz Semmelweis bekannt geworden, wird nach wie vor irrtümlich verwendet. Semmelweis zog 1847/48 aus der falschen Schlussfolgerung die richtige Konsequenz, nämlich die Hände nach einer Leichensektion und vor einer Entbindung mit Chlorkalk zu waschen. Er vermutete, von einer Leiche würden Gifte ausgehen und durch die Hände des Arztes übertragen. Eine Leiche ist jedoch in der Regel so infektiös wie ein totes Huhn: Es geht weder von ihr noch von den Zersetzungsprodukten, den Ptomaine, eine Gefahr aus. Bei der mikrobiellen Zersetzung des menschlichen Eiweißes entstehen vorwiegend ungiftige biogene Amine wie Cadaverin oder Putrescin. Infektiöse Keime oder Sporen, wie beispielsweise Tetanus, HIV oder Hepatitis, überleben nur sehr kurze Zeit und sind keine Gefährdung für die Umwelt. Eine Ausnahme hiervon bilden die sporenbildenden Milzbranderreger (auch als Anthrax bekannt), welche Jahrzehnte im Untergrund überlebensfähig sind. Bekannte Infektionsfälle werden deshalb nicht erdbestattet.


Thilo Hofmann in "Newton", Thema der Sendung: "Der Tod im 21. Jahrhundert: Digitales Trauern, Wachsleichen, Öko-Urnen und Verwesungsbeschleuniger" (19.11.)
Zum Download



Umweltbelastung durch Quecksilber


Während fast alle Implantate weitgehend unproblematisch sind, da diese sich im Körper und somit auch der Umwelt inert (inaktiv, untätig, Anm.) verhalten, ist die Umweltbelastung durch Quecksilber ein großes Problem. In Österreich wird das Gesamtinventar an Quecksilber in Zahnplomben auf 18 Tonnen in der Bevölkerung geschätzt (Umweltbundesamt 2009). Bei 77.000 Toten pro Jahr entspricht dies ca. 40 Kilogramm Quecksilber, die über Krematorien in die Luft emittieren, und 160 Kilogramm, die über die Erdbestattung in den Boden gelangen und somit sowohl das Grundwasser als auch die Luft gefährden. In Österreich ist Quecksilber aus dem Amalgam des Dentalbereichs eine der Hauptquellen, wo hingegen in Deutschland die Kohleverbrennung die größte Emissionsquelle darstellt. Da von den zehn Krematorien in Österreich nur drei über Filteranlagen verfügen, stellt dies eine Umweltproblematik dar, die durch technische Nachrüstung, einheitliche Grenzwerte sowie Messungen besser kontrolliert werden sollte.

Plutonium in Herzschrittmachern

Eine brisante und meist unbeachtete Thematik ist die Verwendung von radioaktiven Plutonium-238 in Herzschrittmachern, welches als Energielieferant in den Batterien verwendet wurde. Zwischen 1971 und 1976 wurden diese z.B. in Deutschland 284 Mal implantiert, wobei alle PatientInnen bis heute streng kontrolliert und beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) registriert sind. In den GUS-Staaten wurden Plutonium betriebene Herzschrittmacher jedoch bis Mitte der 80er Jahre implantiert. In Krematorien werde diese in der Regel vor der Verbrennung entfernt, bei der Erdbestattung ist dies nicht immer der Fall. Eine unerfreuliche Hinterlassenschaft, die erhebliche Umweltfolgen haben könnte. Es ist wichtig, dass Bestatter und Behörden sensibilisiert werden.

Univ.-Prof. Dr. habil. Thilo Hofmann ist Vizedekan der Fakultät für Geowissenschaften, Geographie u. Astronomie und stv. Leiter des Departments für Umweltgeowissenschaften.