Spitzenforschung nachhaltig sichern

Im Rahmen einer Pressekonferenz präsentierten die SpitzenforscherInnen Kristin Tessmar-Raible, Jannik Meyer und Monika Henzinger ihre EU-geförderten Top-Projekte und sprachen sich gemeinsam mit Rektor Heinz W. Engl für eine nachhaltige Sicherung der österreichischen Grundlagenforschung aus.

Kristin Tessmar-Raible, Jannik Meyer und Monika Henzinger, SpitzenforscherInnen der Universität Wien, betreiben Grundlagenforschung auf höchstem Niveau. Sie alle erhielten 2013 renommierte ERC Grants, die höchstdotierten Forschungspreise der Europäischen Union. Im Rahmen der heutigen Pressekonferenz präsentierten sie ihre Projekte sowie notwendige Rahmenbedingungen für nachhaltige Forschungsleistungen. Damit Österreich als Forschungsland weiterhin international mithalten kann, sind eine bessere Ausstattung der Universitäten im Forschungsbereich und eine Erhöhung der kompetitiven Förderung von Grundlagenforschung erforderlich.

ERC Starting Grant: Neurobiologin Kristin Tessmar-Raible

Kristin Tessmar-Raible leitet die Forschungsplattform "Marine Rhythms of Life" an der Universität Wien und erhielt 2013 für ihre Forschungsarbeiten einen ERC Starting Grant in der Höhe von 1,5 Mio EUR. Im Zentrum ihrer Forschungsarbeit steht das molekulare und zelluläre Uhrwerk im "Rhythmus des Lebens". Sie erforscht den Meeresringelwurm Platynereis dumerilii, der sich nach dem Mondzyklus als "innere Uhr" in seinem Fortpflanzungsrhythmus richtet. Die START-Preisträgerin sucht nach jenen lichtempfindlichen Sinneszellen, die auf Mondlicht "geeicht" sind: die sogenannten Mondlichtrezeptoren. Vier potenzielle Kandidaten hat Tessmar-Raible schon identifiziert – auch die Auswirkungen auf den Menschen werden in Betracht gezogen.


Die Leiterin der Forschungsplattform "Marine Rhythms of Life" Kristin Tessmar-Raible präsentierte auf der Pressekonferenz begeistert ihr Forschungsprojekt und sagte: "Ich hatte das große Glück, mein Hobby zum Beruf zu machen." An der Universität Wien reizt sie u.a. das international gute Standing des Fachs: "Am Campus Vienna Biocenter herrscht ein toller Spirit, der anziehend wirkt." Ebenso wie bei den ERC-Projekten von Monika Henzinger und Jannik Meyer fließen auch in ihrem Projekt etwa 80 Prozent des Fördersumme ins Personal.



ERC Starting Grant: Materialphysiker Jannik Meyer

Jannik Meyer forscht in der Gruppe "Physik Nanostrukturierter Materialien" an der Fakultät für Physik der Universität Wien. Seine Arbeiten zu Graphen wurden heuer mit einem ERC Starting Grant (1,5 Mio EUR) ausgezeichnet. Meyer erforscht neuartige Materialien mittels höchstauflösender Elektronenmikroskopie, so z.B. Graphen. Graphen ist das dünnste und zugleich stabilste denkbare Material mit der höchsten elektrischen und thermischen Leitfähigkeit. Daraus ergeben sich vielversprechende Anwendungsmöglichkeiten – etwa neue Touchscreen- und LCD-Displays. Das Team um Jannik Meyer will dazu neue innovative Ansätze testen und entwickeln. Grundlage für das Projekt ist ein einzigartiges Elektronenmikroskopie-Labor, welches derzeit an der Universität Wien eingerichtet wird.


Materialphysiker Jannik C. Meyer hat sich u.a. wegen des weltweit sehr guten Rufs der hiesigen Physik für die Universität Wien entschieden. "Mir wurde hier die Möglichkeit geboten, ein einzigartiges Elektronenmikroskopie-Labor aufzubauen. Unterstützt werde ich dabei von einem Spitzen-Team." Das mehrere Mio. Euro teure Elektronenmikroskop wird im September geliefert und durch Eigenentwicklungen aufgerüstet. "Projektmittel müssen flexibel verwendbar sein", betont Meyer weiters.



ERC Advanced Grant: Informatikerin Monika Henzinger

Monika Henzinger von der Fakultät für Informatik der Universität Wien betreibt Grundlagenforschung mit Blick auf konkrete Anwendungen. Für ihr Forschungsprojekt erhielt die Informatikerin 2013 einen ERC Advanced Grant mit einer Fördersumme von 2,4 Mio EUR. Das Ziel der Algorithmenforschung ist es, möglichst effiziente, d. h. je nach Anwendung entweder möglichst schnelle oder möglichst speicherplatzsparende Algorithmen zu entwickeln. Computational Science als ein interdisziplinäres Forschungsgebiet der Biologie, Chemie, Physik, angewandten Mathematik und Informatik bietet dabei ein reiches Anwendungsgebiet. Beim aktuellen Forschungsprojekt geht es um effizientere Algorithmen für Aufgaben, die auf graphalgorithmischen Problemen beruhen. Anwendung finden diese in der Computerverifikation, d.h. der automatischen Überprüfung der Korrektheit von Programmen.


Informatikerin und Leiterin der Forschungsgruppe "Theory and Applications of Algorithms" Monika Henzinger zog 2009 aus familiären Gründen von der Schweiz - sie war an der EPFL tätig - nach Wien. "An der Universität Wien reizte mich das forschungsfreundliche Umfeld. Ich habe mich aber auch wegen der Lehre für sie entschieden: Das Betreuungsverhältnis ist in der Informatik sehr gut, und man kann intensiv mit den Studierenden arbeiten. Das macht mir großen Spaß."



Drittmittel-geförderte Spitzenforschung an der Universität Wien

Die drei WissenschafterInnen haben mit ihren ERC Grants insgesamt 5,4 Mio EUR für Forschungsprojekte an der Universität Wien lukriert. Seit 2007 gingen insgesamt 21 hoch dotierte ERC Grants an die Alma Mater. Von 2011 auf 2012 konnten die eingeworbenen nationalen und internationalen Forschungsgelder um 7,6 Prozent auf 76,7 Mio EUR gesteigert werden. Vor allem in der kompetitiven Drittmitteleinwerbung war die Universität Wien in den vergangenen Jahren erfolgreich (65 Prozent Steigerung seit 2007).

Forschungsförderung in Österreich

Österreichs F&E-Quote liegt derzeit bei 2,81 Prozent des Bruttoinlandprodukts, das entspricht einem Budget von 8,96 Mrd EUR. Die Forschung an den Universitäten wird daraus mit 1,48 Mrd EUR finanziert. "Um die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs zu erhalten, müssen sowohl die Forschungsinvestitionen in die Universitäten als auch die kompetitive Förderung der Grundlagenforschung über den FWF deutlich erhöht werden", so Heinz W. Engl, Rektor der Universität Wien. Engl hofft auf eine raschere Umsetzung des Stufenplanes zur Erreichung der von der Bundesregierung bis 2020 angepeilten F&E-Quote von 3,76 Prozent des BIP.

Vergleich Österreich – Schweiz

Im Vergleich: In der Schweiz ist Grundlagenforschung dreimal höher dotiert als in Österreich. Die Zahlen: In Österreich wird die Grundlagenforschung durch den FWF mit jährlich 196 Mio EUR gefördert, die anwendungsorientierte Forschung durch den FFG mit 427 Mio Euro. Die Situation in der Schweiz ist genau umgekehrt: Der Schweizer Nationalfonds (SNF) schüttet 612 Mio EUR für Grundlagenforschung aus, die Kommission für Technologie und Innovation (KTI) 126 Mio EUR für konkrete Anwendungsforschung. Investitionen in die Grundlagenforschung rechnen sich jedoch: Laut dem aktuellen "Global Competitiveness Report 2013-2014" des Weltwirtschaftsforums bleibt die Schweiz weiterhin die wettbewerbsfähigste Volkswirtschaft weltweit. Deutschland verbessert sich von Rang 6 auf Rang 4, Österreich bleibt auf Platz 16.


Laut einer WIFO-Studie (Juli 2013) werden in Österreich jährlich an die 19.000 Jobs durch Innovationen geschaffen, das ist ein Drittel des gesamten Beschäftigungswachstums. "Wesentliche Voraussetzung für Innovationen ist Grundlagenforschung, die zu einem Gutteil von den Universitäten geleistet wird", so Rektor Engl. Besonders für die internationale Konkurrenzfähigkeit bei der Berufung von Spitzenleuten sei es wichtig, auch Top-Infrastruktur anbieten zu können, wie z.B. im Fall von Jannik Meyer.