Sommer-Buchtipp von Jan-Heiner Tück

Gemeinsam mit Jan-Heiner Tück verlost uni:view drei Bücherpakete für den Lesesommer - bestehend aus einem Werk des Theologen sowie seinem aktuellen Lieblingsroman. Welcher das ist, verrät er im Interview.

uni:view: Herr Professor, welches Buch empfehlen Sie unseren LeserInnen als Sommerlektüre?
Jan-Heiner Tück:
Florian Illies' "1913. Der Sommer des Jahrhunderts". Das Buch ist mir ebenfalls empfohlen worden, von meinem Schwager, einem Musiker. Es fängt die Atmosphäre in Kunst, Musik und Literatur vor Ausbruch des ersten Weltkrieges ein.

uni:view: Fünf Begriffe, die Ihnen spontan zum Buch einfallen.

Tück: Die Fackel, Der Zauberberg, Psychoanalyse, Der Blaue Reiter, Zwölftonmusik.

uni:view: Sie haben den letzten Satz gelesen, schlagen das Buch zu. Was bleibt?

Tück: Das Buch ist brillant geschrieben, es hat – entsprechend den Monaten des Jahres 1913 – zwölf Kapitel. Aber die Chronologie ist nur der Aufhänger für eine Ansammlung von hochinteressanten Episoden aus einem Jahr, das in die Katastrophe führen wird. Es bleibt der Eindruck einer seltenen Verdichtung von Kreativität. Wien spielt neben Paris, München und Berlin eine prominente Rolle. Hier bricht sich das Unbewusste Bahn, hier wird literarisch experimentiert, hier wird die Zwölftontechnik erfunden: Kunst und Architektur (Klimt, Schiele, Kokoschka, aber auch der Postkartenmaler Adolf Hitler – Adolf Loos, Otto Wagner), die Musik (Schönberg, Berg, Webern), die Literatur (Schnitzler, Hofmannsthal, Kraus, Musil, Trakl), die Psychoanalyse (Freud, Lou Andreas-Salomé und die Couch in der Berggasse 19). Skandale, Affären, produktive Begegnungen – nur hier und da eine leise Vorahnung der kommenden Katastrophe …

uni:view: Sie selbst haben vor kurzem den Band "Was fehlt, wenn Gott fehlt? Martin Walser über Rechtfertigung - theologische Erwiderungen" veröffentlicht. Gibt es dazu eine Geschichte?
Tück: Im September 2012 veröffentlichte ich in der Neuen Zürcher Zeitung einen Essay zu Martin Walsers Rechtfertigungsbuch, der in die Sätze einmündete: "Walser schlägt in seinem Essay vor, dieser Frage (wie nach dem Tod Gottes von Gott sprechen?) in einem Seminar zu Nietzsches 'Zarathustra' und Barths 'Römerbrief' nachzugehen. Ob dieser Vorschlag ein Szenario im Konjunktiv bleiben soll? Falls nicht, das Institut für Systematische Theologie in Wien stünde dem Schriftsteller offen, den Sprach- und Denkbewegungen der Pfarrerssöhne Nietzsche und Barth weiter auf die Spur zu kommen – im kommenden Wintersemester, jeden Freitag von 13 bis 15 Uhr ...". Noch am selben Tag hat Walser reagiert und mich über den Rowohlt Verlag wissen lassen, dass er am 23. November 2012 auf Einladung des Instituts für die Wissenschaften vom Menschen zu einer Lesung nach Wien komme und den Gesprächsfaden gerne aufnehmen würde. Im Anschluss an die Lesung im Palais Liechtenstein konnte das Szenario im Konjunktiv dann tatsächlich bei einem gemeinsamen Abendessen in den Modus des Indikativs überführt werden. Ein Seminar über Nietzsche und Barth wurde zwar nicht vereinbart, dafür aber die Idee zu diesem Buch geboren. Diese Idee ist nun Wirklichkeit geworden ...


Martin Walser zum Buch "Was fehlt, wenn Gott fehlt":
Anlässlich einer Lesung in der Katholischen Akademie in Bayern bezog sich Martin Walser einleitend auch auf den Sammelband "Was fehlt, wenn Gott fehlt" von Jan-Heiner Tück (Hg.).

Lesen Sie hier einen Auszug aus Martin Walsers Rede (PDF)

Foto: Elke Wetzig



Univ.-Prof. Dr. Jan-Heiner Tück ist Professor für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät. Er forscht zu den Themen Christologie, Gotteslehre, Eschatologie sowie Theologie und Literatur.



SOMMER-GEWINNSPIEL
Das Gewinnspiel ist bereits verlost. Doch die gute Nachricht: In der Universitätsbibliothek stehen die Bücher interessierten LeserInnen zur Verfügung.

1 x "Was fehlt, wenn Gott fehlt? Martin Walser über Rechtfertigung - theologische Erwiderungen" von Jan-Heiner Tück (Hg.), Freiburg 2013
1 x "1913. Der Sommer des Jahrhunderts" von Florian Illies, Frankfurt 2012