Rüdiger Frank berät "The Elders"
| 30. August 2011In einem vielbeachteten Versuch zu einer Lösung der angespannten Sicherheitslage in Ostasien beizutragen, besuchten Ende April 2011 vier ehemalige Staatsoberhäupter aus der von Nelson Mandela gegründeten Gruppe "The Elders" – unter Führung des ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter – das weitgehend verschlossene Nordkorea. Rüdiger Frank, Professor für Wirtschaft und Gesellschaft Ostasiens an der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät und einer der weltweit führenden Experten für Nordkorea, hat die Politiker im Vorfeld und während des Besuchs beraten. Im Interview mit uni:view erläutert er die Hintergründe.
uni:view: Wie kam es zu der Kooperation mit den "Elders"?
Rüdiger Frank: Ganz einfach, sie haben mich kontaktiert. Ich beschäftige mich seit über 20 Jahren mit Nordkorea und habe bereits verschiedene Regierungen auf diversen Ebenen unterstützt. Meine Kooperation mit vier so prominenten ehemaligen Staatsoberhäuptern – Martti Ahtisaari, Gro Brundtland, Jimmy Carter und Mary Robinson – stellt allerdings einen gewissen Höhepunkt in dieser Tätigkeit dar.
uni:view: Worin genau hat Ihre Zusammenarbeit bestanden?
Frank: Über die Details haben wir Stillschweigen vereinbart, zumal der Vermittlungsprozess wie auch unsere Kooperation noch andauern. Ich kann aber sagen, dass wir sowohl allgemeine strategische Zusammenhänge wie auch unmittelbare praktische Fragen in ungewöhnlich enger und offener Art besprochen haben. Das von mir angefertigte schriftliche Briefing war ein wesentlicher Bestandteil der Besuchsvorbereitung. Darüber hinaus haben wir in einer Vielzahl von Telefonkonferenzen Einzelheiten diskutiert. Ich konnte Vorschläge für Gesprächsthemen und Initiativen machen sowie Hintergrundinformationen zum Umfeld in Nordkorea, den USA und der EU bereitstellen. Nicht in allen Punkten waren wir einer Meinung; aber gerade angesichts der immensen Erfahrung, über die jeder Einzelne der Elders verfügt, hat mich ihre Bereitschaft zum Zuhören sehr beeindruckt.
uni:view: Was wollen die Elders erreichen?
Frank: Die Grundidee besteht darin, dass aktive Politiker trotz ihres erheblichen Einflusses oft durch ihr Amt gebunden sind. Ehemalige Staatspräsidenten und Premierminister verfügen nach wie vor über Reputation, Kontakte und Erfahrung, sind aber de jure Privatiers und somit weit flexibler. Nordkorea ist ein Land mit vielen Problemen. Am drängendsten sind die Versorgung mit Nahrungsmitteln, die Menschenrechtslage und das Programm des Landes zum Aufbau eines nuklearen Waffenarsenals. Weder Sanktionen noch Verhandlungen haben bislang viel bewirken können. Die Situation ist inzwischen sehr festgefahren. Die Elders möchten mit ihrem Einsatz wieder Bewegung in die Dialogprozesse bringen und gegebenenfalls sogar neue Ideen für Lösungen erarbeiten. Dabei helfe ich mit.
uni:view: So ganz einfach scheint die Lage ja nicht zu sein. Wie sind die Chancen auf Erfolg?
Frank: Als Realist muss man zunächst sehr pessimistisch sein. Doch nichts zu tun ist auch keine Option, zumal Millionen von Menschen tatsächlich oder potenziell betroffen sind. Ein Lösungsweg liegt in der Suche nach akzeptablen Vorschlägen. Ein Beispiel: der vollständigen und endgültigen Aufgabe des Atomprogramms wird Nordkoreas Regierung derzeit kaum zustimmen. Doch bei Fragen wie Proliferation, Monitoring oder Reaktorsicherheit ist der Spielraum viel größer. Hier sind Fortschritte eher denkbar.
uni:view: Wie wurden der Besuch der Elders in Nordkorea und Ihre Mitwirkung dabei bewertet?
Frank: Als Präsident Jimmy Carter 1994 mit Pyongyang das Agreed Framework aushandelte und damit einen Militärschlag der USA auf die Nuklearanlagen Nordkoreas in letzter Minute verhindern konnte, wurde er allgemein gelobt. Heute ist die Zustimmung weniger einheitlich. Ich selbst habe etwa bei einer Aussage vor dem EU-Parlament in Brüssel 2006 die Erfahrung gemacht, dass beim Thema Nordkorea oft die Emotionen überwiegen. Die Vorwürfe gegenüber den Elders reichten von Naivität bis hin zur Sabotage anderer, auf die Wirkung von Druck zählender, Maßnahmen. Doch wenn man maßgeblich in derartig komplexe Themen involviert ist, muss man Kritik in Kauf nehmen.
uni:view: Wie stehen Sie dieser Kritik gegenüber?
Frank: Viele Menschen glauben, dass der Weg des Dialogs mit Nordkorea schon zur Genüge und erfolglos beschritten wurde und letztlich nur noch Härte helfen kann. Ich verstehe solche Positionen, halte sie aber für falsch. Angesichts der immensen innen- und außenpolitischen Risiken, aufgrund von Erfahrungswerten und aus meiner Analyse des nordkoreanischen Systems setze ich mich für die Kooperation als das effektivere Mittel zur Zielerreichung ein. Meine Position als Wissenschafter sehe ich ähnlich wie die Elders: eine solche privilegierte Stellung verpflichtet dazu, auch unpopuläre Meinungen zu vertreten, wenn man sie denn für richtig hält. Kritik muss man in Kauf nehmen und auch respektieren. (red)
Univ.-Prof. Mag. Dr. Rüdiger Frank ist Koreanist und Volkswirt. Er betreut den englischsprachigen Master-Studiengang "Wirtschaft und Gesellschaft Ostasiens" an der Universität Wien. Als Secretary der Association for Korean Studies in Europe (AKSE) organisiert er 2013 in Wien den alle zwei Jahre stattfindenden internationalen Kongress, der mit rund 250 TeilnehmerInnen das größte und bedeutendste wissenschaftliche Ereignis dieser Academic Community ist. Im Juli 2011 erschien das von ihm herausgegebene Buch "Exploring North Korean Arts" (Verlag für moderne Kunst Nürnberg).