"Quo vadis, Blockchain?"

Blockchain Illustration

Blockchain ≠ Bitcoin: In einem Gastkommentar erläutern die InformatikerInnen Stefanie Rinderle-Ma und Wolfgang Klas von der Universität Wien die Vor- und Nachteile der Blockchain-Technologie und zeigen mögliche Einsatzszenarien auf.

Im Finanzsektor bereits hochgelobt, versprechen Blockchains auch in anderen Domänen ihren Einsatz als disruptive Technologie. Laut eines Gartner Trend Insight Reports sehen 54 Prozent der befragten CIO in Blockchain und Bitcoin eine Opportunity für ihr Unternehmen, 28 Prozent allerdings auch Risiken.
Stärken und Schwächen

Eine SWOT-Analyse (Anm. d. Red.: misst Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken) im selben Bericht sieht als Schwächen der Blockchain-Technologie hauptsächlich schlechte Erfahrung von EntwicklerInnen und BenutzerInnen, fehlende Tests, unausgereifte Möglichkeiten zur performanten Skalierbarkeit sowie eine eingeschränkte Verfügbarkeit von geeigneten Tools. Dem gegenüber stehen die Stärken Dezentralisierung, Sicherheit und Open Source.

Do You Need a Blockchain?


Bei Unternehmen herrscht daher offensichtlich eine große Verunsicherung, ob und wie Blockchain-Technologie im eigenen Umfeld eingesetzt werden soll. Eines ist sicher: Blockchain um der Blockchain willen wird nicht zum Ziel führen. Das wurde mittlerweile auch schon erkannt, und es werden Checklisten zur Prüfung der Anwendbarkeit angeboten. Im Artikel "Do You Need a Blockchain?" wird der Einsatz von Blockchain versus Datenbanktechnologie – Blockchains sind prinzipiell ein Weg des verteilten Datenmanagements – beleuchtet.

In Essenz: Wenn man auf schnelle Transaktionsgeschwindigkeit angewiesen ist, kein Mehrbenutzerbetrieb vorliegt oder die BenutzerInnen einander vertrauen, ist bestehende Datenbanktechnologie Blockchain vorzuziehen. Erst für dezentralisierten Mehrbenutzerbetrieb ohne Vertrauen, auch nicht in Dritte, mit öffentlichen Daten wird der Einsatz von öffentlicher Blockchain-Technologie – allerdings unter Einbußen in der Transaktionsgeschwindigkeit – interessant.

Ressourcen verschwendender Betrieb

Nachteil dieser sogenannten Public Blockchain-Technologie ist der aufwendige und Ressourcen verschwendende Betrieb. Kürzlich angestellte Berechnungen illustrieren dies eindrücklich: Die auf Proof-of-Work basierende Verarbeitung einer einzigen Bitcoin-Transaktion verbraucht mehr als 5.000 Mal so viel Energie wie die Verarbeitung einer einzelnen Kreditkartentransaktion. Im Juni 2017 wurden durch den Mining-Prozess von Bitcoin fünf Trillionen (10^18) kryptographische Hashes pro Sekunde erzeugt. Schätzungen errechnen dafür eine Leistungsaufnahme von 500 Megawatt, eine Kapazität, um etwa 325.000 Haushalte mit Strom zu versorgen. Ganz offensichtlich ist eine derartige Konfiguration von Blockchain-Technologie in vielen industriellen Anwendungsbereichen nicht sinnvoll einsetzbar. Als Alternativen bieten sich hier sogenannte permissioned (private) blockchains oder Altchains an, die aufgrund ihres Designs Anforderungen industrieller Anwendungen wesentlich besser erfüllen können. Prominente Beispiele solcher Systeme sind Ethereum oder Hyperledger.

Blockchain ≠ Bitcoin

Neben der Frage, ob und wie sich Blockchain-Technologie überhaupt lohnt, muss man sich auch fragen, für welche Einsatzszenarien. Hier gilt zunächst die wichtige Aussage: Blockchain ≠ Bitcoin. Eine von uns durchgeführte Analyse der auf Ethereum verfügbaren DAPPS (Distributed Apps) zeigt zwar, dass der Großteil der Entwicklungen aktuell von den Bereichen Bitcoin, Blockchain-Technologie selbst und Spielen getrieben ist, jedoch – wenn auch noch eher zaghaft – auch damit begonnen wird, andere Anwendungen, zum Beispiel aus der Industrie und Logistik, zu bedienen. Die Studie kategorisiert dazu 342 der aktuell 731 kuratierten DAPPS entlang ihrer Stoßrichtung manuell. Die Kategorisierung wird mit den von den EntwicklerInnen vergebenen Tags verglichen. Die betrachteten DAPPS spannen den Zeitraum von 22.5.2017 bis 04.10.2017 auf.

Eine verdichtete Analyse der Kategorien mit einer Mindestnennung von 10 ergibt einen Einsatz der DAPPS wie folgt: 29 Prozent Technologie, 25 Prozent Finanzbereich und 18 Prozent Spiele. Die übrigen Anteile entfallen in einer Spannbreite von drei bis sieben Prozent auf Sicherheit, Verteilung, Community, Commerce und Market. Insgesamt werden 47 weitere Kategorien genannt, wovon eine Auswahl und Verdichtung der aktuellen Hype-Anwendungen zu 29 Prozent der DAPPS im Bereich Law & Governance zeigt, gefolgt von 19 Prozent in Content & Web, 13 Prozent in Real Estate, 11 Prozent in Utilities wie Energie und Wasser, 10 Prozent in Gesundheit und Medizin, gefolgt von einer geringeren Prozentzahl von Anwendungen in Transport, Produktion und IoT.

In Richtung Industrie 4.0 und Digitalisierung

Ethereum ist nicht die einzige Plattform, auf der DAPPS entwickelt werden können. Hier sind beispielsweise noch Crypti, Ripple und NXT zu nennen. Diese DAPP-Plattformen müssten ebenfalls untersucht werden, um ein umfassendes Bild hinsichtlich der aktuellen Einsatzszenarien zu erhalten. Allerdings zeigt der Trend, dass Technologie und Anwendungen der ersten Stunde wie Kryptowährung / Finanztransaktionen und Smart Contracts immer noch dominieren, jedoch erstes Interesse in Richtung aktueller Anwendungsbereiche wie Industrie 4.0 oder Digitalisierung allgemein besteht.

BlockchainSci-Lab und Steinbeis.univie

An dieser Stelle setzt das neu gegründeten BlockchainSci-Lab an der Fakultät für Informatik an der Universität Wien an und untersucht innovative Blochchain-basierte Anwendungen wie Qualitätssicherung für zukünftige Web-Infrastrukturen und verteilte Geschäftsprozesse. Weiterhin werden kleine, vielfältig einsetzbare Blockchain-Bausteine basierend auf Ethereum entwickelt, etwa eine Implementierung des Vier-Augen-Prinzips mit Blockchain-Technologie, anhand derer die Wirkungsweise einfach und flexibel demonstriert werden kann. Begleitend dazu bietet das ebenfalls neu gegründete Steinbeis-Transferzentrum Steinbeis.univie Innovations- und Technologieberatung im Kontext von Blockchain an. (APA/red)

Stefanie Rinderle-Ma leitet die Forschungsgruppe Workflow Systems and Technology an der Universität Wien, seit Oktober 2016 ist sie Dekanin der Fakultät für Informatik.
Wolfgang Klas leitet die Forschungsgruppe Multimedia Information Systems an der Universität Wien, von Oktober 2008 bis September 2016 war er Dekan der Fakultät für Informatik. (Foto: Fakultät für Informatik/Universität Wien)