Pollen fangen am Dach
| 25. August 2015Über den Dächern Wiens fängt Ralf Buchner vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung Blütenstaub in einer speziellen Pollenfalle. Mit seiner Forschung will er die Vorhersage der Allergenbelastung durch Pollen optimieren.
In 20 Metern Höhe sind am Rennweg 14 eine Pollenfalle und eine kleine Klimastation auf dem Dach des Departments für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien angebracht. Am Weg nach oben schaut Botaniker Ralf Buchner kurz auf die Terrasse, auf der Studierende und MitarbeiterInnen gerne zusammen sitzen, lernen, diskutieren und auch ein wenig gärtnern.
Von hier aus hat man einen schönen – grünen – Blick über den Botanischen Garten der Universität Wien, und in der Platane gibt es jedes Jahr ein Krähennest, das er uns gerne zeigen möchte. Leider können wir es heute im dichten Blattwerk aber nicht entdecken – vielleicht sind die Krähenjungen schon ausgeflogen.
Über eine Metallleiter erklimmen wir schließlich das Dach des Liftschachts, den höchsten Punkt des Gebäudes. Ralf Buchner hat Werkzeug mitgebracht, denn er verbindet unseren Besuch mit einem Kontrollgang. Die eingefangenen Pollen holt er übrigens immer mittwochs vom Dach.
Und so schaut sie aus, die Pollenfalle: Sie dreht sich mit dem Wind, und über eine Pumpe saugt sie pro Minute zehn Liter Umgebungsluft an. Die Pollenkörner, die sich im Luftstrom befinden – aber auch Staub- und Rußpartikel oder Pilzsporen –, bleiben auf einem mit Silikonöl bestrichenen Plastikstreifen kleben.
Letzterer ist auf eine Trommel gespannt, die sich pro Stunde um zwei Millimeter weiter bewegt – so kann der Pollenfänger Ralf Buchner später genau feststellen, um welche Uhrzeit der Pollen in die Falle ging. Seit nunmehr vier Jahren betreibt er die Station, und dem Experten reicht ein kurzer Blick auf einen Streifen, um den Wochentag zu bestimmen, an dem er "bestäubt" wurde: "Den Montag erkennt man an den vielen Rußteilchen – von den LKWs, die ab dem frühen Morgen in und durch die Stadt unterwegs sind." Von welcher Pflanze der Pollen stammt, das ermittelt er unter dem Lichtmikroskop. Dabei hat er es mitunter auch mit sehr exotischen Exemplaren zu tun – "mit dem nahen Botanischen Garten ist das natürlich kein Wunder", schmunzelt Ralf Buchner.
Der Forscher kontrolliert, ob der Luftschlitz frei und nicht etwa durch Flugsamen oder Fasern verstopft ist. Auch schaut er nach, ob die Pumpe auf exakt zehn Liter geeicht ist: Das entspricht jener Menge Luft, die ein Erwachsener pro Minute durchschnittlich einatmet. Auf diese Weise kann er genau ermitteln, wie viele Pollenkörner pro Kubikmeter Luft unterwegs sind – und ob für AllergikerInnen Gefahr besteht. Für Menschen, die sensibel auf Ragweed-Blütenstaub reagieren, reichen meist bereits sechs Pollenkörner pro Kubikmeter Luft, um Beschwerden auszulösen.
Im Zusammenhang mit Pollenwarnungen ist nicht nur die Zusammensetzung der Vegetation in unmittelbarer Nähe des Messstandorts, sondern auch die Windrichtung relevant. Denn mit dem Wind kann z.B. Birkenpollen über Hunderte Kilometer hinweg nach Wien gelangen, obwohl hier die Birken noch gar nicht blühen. "Eine Diplomandin, Brigitte Bammer, hat in ihrer Arbeit sehr schön nachweisen können, dass Pollen der Esskastanie (Castanea sativa) aus Kroatien bzw. der Steiermark bis nach Wien verfrachtet wurde", erläutert Ralf Buchner die Wichtigkeit seiner Grundlagenforschung.
Am Dach des Universitätsstandorts Rennweg 14 hat Ralf Buchner daher auch eine kleine Klimastation installiert, um die lokalen Klimadaten aufzuzeichnen. Sie liefert diese Daten laufend an die Firma UBIMET, mit der Ralf Buchner seit mehreren Jahren zur Verbesserung der Pollenflugvorhersage zusammenarbeitet. Am Horizont sind rechts neben der Klimastation u.a. der Millenium Tower und The Mall, Wien Mitte und der City Tower Vienna zu erkennen.
Ein letzter Blick über die Dächer des Bezirks Landstraße mit der goldenen Kuppel der Russisch orthodoxen Kirche St. Nikolaus und dem Gebäude der Sozialversicherungen, während Ralf Buchner abschließend erklärt, warum er das alles macht: Er untersucht den Pollenflug in Hinblick auf die meteorologische Gesamtsituation und kann durch seine Messungen langfristig dokumentieren, ob sich der Blühbeginn verschiedener Pflanzenarten in Österreich verschiebt – etwa durch den Klimawandel – oder nur saisonalen Schwankungen unterliegen. (Text und Fotos: Bernadette Ralser)
Für unsere Sommerserie haben wir uns auf den Dächern der Universität Wien umgeschaut und berichten wöchentlich von unseren Entdeckungen. Zum Dossier "Sommer am Dach"