Physik-Nobelpreis 2018: Lasertechnik für alle
| 03. Oktober 2018Der Physik-Nobelpreis geht an Arthur Ashkin, Gérard Mourou und Donna Strickland für die Entwicklung von Laser-Werkzeugen. uni:view fragt Oliver H. Heckl, der an der Uni Wien ein Christian Doppler Labor für die Entwicklung photonischer Technologien leitet, nach der Bedeutung dieses Forschungsfelds.
uni:view: Was sagen Sie als Physiker zur den heurigen Physik-NobelpreisträgerInnen?
Oliver H. Heckl: Ich freue mich sehr, dass Themen aus dem Bereich der Laserphysik mit dem heutigen Nobelpreis so prominent geehrt wurden! Die beiden ausgezeichneten Arbeiten von Arthur Ashkim sowie von Donna Strickland und Gérard Mourou führten zur Entstehung ganzer Forschungsgebiete und waren in ihrer Art wegweisend für Arbeiten der darauffolgenden Jahrzehnte, für die bereits Nobelpreise verliehen wurden.
uni:view: Die PhysikerInnen Arthur Ashkin, Gérard Mourou und Donna Strickland wurden "for groundbreaking inventions in the field of laser physics" ausgezeichnet. Was verbirgt sich dahinter?
Heckl: Arthur Ashkin erfand die optische Pinzette. Eine optische Pinzette nutzt den optischen Strahlungsdruck, um mikroskopisch kleine Partikel entlang eines Laserstrahles zu bewegen. Durch den Impulsübertrag der Lichtteilchen (Photonen) auf das Partikel wird das transparente Partikel hin zu einer Region mit höherer Intensität, also hin zum Fokus des Laserstrahles, gezogen. Durch Verändern der Fokuslage und Strahlgröße ist es möglich, die Partikel sowohl in einem Fokus festzuhalten, als auch entlang eines Laserstrahles zu verschieben.
Oliver H. Heckl leitet das Christian Doppler Labor für Mid-IR Spektroskopie und Halbleiteroptik an der Uni Wien, wo er zwei jeweils mit Nobelpreisen ausgezeichnete Forschungsgebiete miteinander verbindet: Frequenzkämme und Hochleistungslaserphysik. Im Video erzählen Labor-Leiter Oliver Heckl und Postdoc Georg Winkler, was photonische Technologien sind und welche Rolle Spiegel in ihrer Forschung spielen.
Die Funktionsweise der optischen Pinzette legte die Grundlage für die Erforschung optischer Fallen und war damit ein grundlegender Schritt für die bereits vergebenen Nobelpreise zu den Themen "Cooling and Trapping of Ions" (1997) und "for the achievement of Bose-Einstein condensation in dilute gases of alkali atoms, and for early fundamental studies of the properties of the condensates" (2001). Der Durchbruch der optischen Pinzette aber war deren Anwendung zur zerstörungsfreien Manipulation von Viren, Bakterien und lebenden Zellen. Heute finden optische Pinzetten ein breites Anwendungsfeld zur kontaktlosen Manipulation von mikroskopisch kleinen Objekten z.B. in der Gentechnik, Biologie aber auch bei der chemischen Analyse kleinster Stoffmengen.
Gérard Mourou und Donna Strickland erfanden ein Konzept zur Erzeugung sehr intensiver optischer Lichtpulse. Zu Beginn der Arbeit von Mourou und Strickland war die erreichbare Pulsenergie und Pulsspitzenleistung von Laserpulsen durch die Zerstörschwelle des Verstärkungsmediums begrenzt. Der Grundgedanke von Strickland und Mourou war es nun, den Lichtpuls zunächst in der Zeit auseinanderzuziehen, ihn dann zu verstärken und dann wieder zu komprimieren. Dies gelang mit Hilfe einer 1,4 Kilometer langen optischen Faser und eines auf Beugungsgittern basierenden Kompressors. Die Experimente von Strickland und Mourou sind in ihrer Auswirkung auf die Entwicklung von Hochleistungslasern mit ultrakurzen Pulsen kaum zu überschätzen. Das von Strickland und Mourou entwickelte Konzept der "Chirped Pulse Amplification" findet heutzutage breite Anwendung sowohl bei Forschungslasern zur Erzeugung von Attosekundenpulsen, bei Hochenenergielasersystemen zur Grundlagen- und Fusionsforschung (Petawatt Laser), als auch bei Industrielasern zur Materialbearbeitung von z.B. Displays oder Stents, aber auch, wie bereits während der Bekanntgabe des Preises angesprochen, bei Lasern in der Augenheilkunde.
uni:view: Sie selbst leiten das Christian Doppler Labor für die Entwicklung photonischer Technologien. Inwieweit überschneidet sich Ihre Forschung mit der der NobelpreisträgerInnen?
Heckl: Das Konzept der "Chirped Pulse Amplification" verwenden wir ganz konkret in unserem Labor zur Erzeugung hochenergetischer Pulse. Die Anwendung in meinem Christian Doppler Labor ist hier allerdings nicht die Materialbearbeitung oder Attosekundenphysik, sondern die Erzeugung sogenannter Frequenzkämme. Dazu entwickelt man gepulste Laser, deren breitbandige Spektren aus diskreten, sehr stabilen Linien (den "Kammlinien") bestehen. Die Erfindung des Frequenzkamms wurde bereits 2005 mit dem Nobelpreis geehrt. In unserem Labor vereinigen wir nun diese zwei jeweils mit Nobelpreisen ausgezeichnete Forschungsgebiete, welche lange Zeit unabhängig voneinander ihren Weg gingen: Frequenzkämme und Hochleistungslaserphysik. Mit unseren Hochleistungsfrequenzkämmen wollen wir nun in neue Gebiete vordringen: Unsere Systeme sollen unter anderem Laserlicht bei Wellenlängen erzeugen, für die es bis jetzt nur sehr wenige Quellen gibt, z.B. im mittleren Infrarot. Dies wird uns erlauben, Spektroskopieexperimente an Molekülen in Gasen mit einer Präzision und Empfindlichkeit durchzuführen, welche bis jetzt noch außer Reichweite lagen. Damit erhoffen wir uns langfristig, grundlegende Forschungsfragen in der Biologie, Chemie und Medizin beantworten zu können.
uni:view: Hat diese Vergabe des Nobelpreises Auswirkungen auf Ihr Forschungsgebiet?
Heckl: Die Verleihung eines Nobelpreises an ForscherInnen aus dem eigenen Fachgebiet ist sehr aufregend und motivierend! Das Gebiet der Laserforschung ist eng verbunden mit technologischem Fortschritt, der oft sehr schnell auch in praktischen Anwendungen für die Industrie und im allgemeinen Alltagsleben Einzug gehalten hat. Dieser Nobelpreis zeigt, dass Resultate aus anwendungsorientierter Grundlagenforschung oft ungeahnte Bedeutung erlangen können. Was vielleicht zunächst aussieht wie die Lösung eines technischen Problems, kann plötzlich ganz neue Forschungsfelder eröffnen. PhysikerIn zu sein bedeutet für die meisten von uns nicht nur, nach einem umfassenden Verständnis des Universums zu streben, sondern auch Schritt für Schritt Technologien zu entwickeln, welche für unsere Industrie und Gesellschaft von praktischer Bedeutung sind. Fortschritt ist meist ein kontinuierlicher Prozess, der sich aus vielen kleinen Einzelschritten zusammensetzt und deren bahnbrechende Wirkung man oft erst im Nachhinein erkennt. Insofern freut es mich, dass dieses Jahr der Nobelpreis diesen Aspekt der Physik speziell würdigt!
uni:view: Vielen Dank für das Interview! (red)
Oliver Heckl erhielt sein Doktorat an der ETH Zürich und war danach international als Wissenschafter tätig. Er sammelte Industrieerfahrung bei Trumpf Laser- und Systemtechnik, bevor er in die USA ging, um als wissenschaftlicher Mitarbeiter am JILA in Boulder, Colorado, zu forschen. Seit 2017 leitet Oliver Heckl das Christian Doppler für Mid-IR Spektroskopie und Halbleiteroptik am Fakultätszentrum für Nanostrukturforschung der Universität Wien.