ÖsterreicherInnen stehen auf Archäologie

Bei den ÖsterreicherInnen steht Archäologie hoch im Kurs: 85 Prozent halten das Fach für wichtig, 26 Prozent interessieren sich selbst dafür. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die der Archäologe Raimund Karl gemeinsam mit Studierenden des individuellen Diplomstudiums "Keltologie" durchgeführt hat.

"Insgesamt betrachtet zeigt die Studie, dass die österreichische Bevölkerung ein starkes Interesse an Archäologie hat und diese Wissenschaft generell sehr positiv beurteilt", resümiert Studienleiter Raimund Karl, Professor für Archäologie und Denkmalpflege an der Prifysgol Bangor University in Nordwales. Der gebürtige Wiener, der an der Universität Wien Ur- und Frühgeschichte studiert hat und hier auch für das Fach "keltische Altertumskunde" habilitiert ist, hat seine aktuelle Untersuchung in Kooperation zwischen den Universitäten in Wien und Nordwales umgesetzt. "Die vorliegende Studie wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts gemeinsam mit Studierenden des individuellen Diplomstudiums 'Keltologie' der Universität Wien im Zuge zweier von mir geleiteten Lehrveranstaltungen durchgeführt", erläutert Karl.

Die Resultate sind eindeutig: Demnach halten rund 85 Prozent der ÖsterreicherInnen Archäologie für wichtig oder sehr wichtig, während nur eine sehr kleine Minderheit von ca. fünf Prozent das Fach für wenig oder gar nicht wichtig hält. Etwa zehn Prozent zeigen sich unentschlossen. Auch das Interesse der österreichischen Bevölkerung an der Erforschung der kulturellen Hinterlassenschaften des Menschen ist durchaus als hoch einzuschätzen: Etwa 26 Prozent der ÖsterreicherInnen interessieren sich stark oder sehr stark dafür, knapp 35 Prozent mittelmäßig und nur eine Minderheit (ca. 39 Prozent) wenig bis gar nicht.


Die Ergebnisse im Detail: So wird die Wichtigkeit von Archäologie von der österreichischen Bevölkerung eingeschätzt. Je dunkler die Farbe desto höher die Bedeutung.



Mitmachen gefragt


Ebenfalls sehr beachtenswert ist, dass ein hohes Interesse der ÖstereicherInnen an aktiver Mitarbeit in archäologischen Forschungs- und Vermittlungsprozessen besteht: Rund 62 Prozent der Befragten würden gerne oder sehr gerne aktiv bei Archäologie mitmachen. "In diesem Bereich besteht daher ein großes Entwicklungspotential für aktive Bürgerbeteiligung an archäologischen Projekten, wobei besonders auf bereits bestehende Möglichkeiten wie zum Beispiel die Initiative Junior- und Seniorarchäologie der Stadtarchäologie Wien hingewiesen sei", deutet Karl die Ergebnisse. Am stärksten ausgeprägt ist dabei das Interesse an der Beteiligung bei archäologischen Ausgrabungen (ca. 41 Prozent der Befragten).

Etwa 20 Prozent der Befragten hätten auch Interesse an verstärkten Mitspracherechten in archäologischen Entscheidungen. Rund 47 Prozent trauen sich allerdings die Ausübung von Mitspracherechten aufgrund mangelnder Kenntnisse nicht zu. Beachtenswert ist dabei allerdings, dass eine deutliche Korrelation zwischen Interessensstärke an Archäologie und dem Wunsch nach Mitspracherechten bei archäologischen Entscheidungen besteht: Etwa 73 Prozent der Befragten, die angaben, sich sehr stark für Archäologie zu interessieren, hätten auch gerne oder sehr gerne Mitspracherechte bei archäologischen Entscheidungen. Jene, die angaben, sich gar nicht für Archäologie zu interessieren, haben hingegen überhaupt kein Interesse an solchen Mitspracherechten.


Auf die Frage "Wie gerne würden Sie bei Archäologie mitmachen?" antworteten 19 Prozent mit "sehr gerne", 43 Prozent mit "gerne", 29 mit "eher nicht" und nur neun mit "sicher nicht".



"Der hohe Stellenwert der Archäologie zeigt sich nicht zuletzt auch anhand des hohen Interesses an aktiver Beteiligung an archäologischen Tätigkeiten. Der österreichischen ArchäologInnengemeinschaft kann daher zu ihren hervorragenden Leistungen bei der öffentlichen Vermittlung der Bedeutung des österreichischen archäologischen Erbes gratuliert werden, mit der eine ausgezeichnete Basis für noch zusätzlich verbesserte Vermittlungs- und Beteiligungsprogramme geschaffen wurde, an deren Entwicklung derzeit unter der Ägide des Bundesdenkmalamtes intensiv gearbeitet wird", betont Studienleiter Karl.

"Archäologisches Denkmal"

Im Rahmen der Studie, deren Datengrundlage eine hauptsächlich von den Studierenden der Universität Wien durchgeführte Umfrage unter insgesamt 500 zufällig ausgewählten ÖsterreicherInnen bildet, wurde auch die Bedeutung des Begriffs "archäologisches Denkmal" erhoben. Die Ergebnisse zeigen, dass bei der Bestimmung der Bedeutung des Begriffs in erster Linie die historische Bedeutung eines Gegenstandes und in zweiter Linie sein absolutes Alter als entscheidende Kriterien herangezogen werden. Andere Kriterien spielen hingegen kaum eine Rolle, wobei in der subjektiven Denkmalbegriffsbestimmung unbewegliche Gegenstände generell eher als Denkmale wahrgenommen werden als bewegliche Gegenstände.

Von besonderer Relevanz für die Bestimmung des archäologischen Denkmalbegriffs in Österreich ist allerdings auch, dass entgegen der gesetzlichen Denkmalbegriffsbestimmung, die nur von Menschen geschaffene Gegenstände und gestaltend veränderte Bodenformationen beinhaltet, auch Gegenstände der belebten Natur – insbesondere menschliche Überreste – von einem bedeutenden Prozentsatz der österreichischen Bevölkerung als archäologische Denkmale betrachtet werden.


Vorlieben für privates oder öffentliches Denkmaleigentum: Mit 59 Prozent ist die Mehrheit der ÖsterreicherInnen der Ansicht, dass archäologische Denkmale öffentliches Gut sein sollten.



Mag. Dr. Raimund Karl ist Professor für Archäologie und Denkmalpflege an der Prifysgol Bangor University in Nordwales, UK. Als gebürtiger Wiener studierte er Ur- und Frühgeschichte an der Universität Wien, wo er auch für das Fach "keltische Altertumskunde" habilitiert ist und in diesem Fachgebiet regelmäßig Lehrveranstaltungen anbietet. In seiner Forschung beschäftigt er sich einerseits hauptsächlich mit der Archäologie der mittel- und westeuropäischen Spätbronze- und Eisenzeit und des Frühmittelalters auf den britischen Inseln (ca. 1200 v.Chr. – 1200 n.Chr.), andererseits mit archäologischer Denkmalpflege und der Rolle der Archäologie in der gegenwärtigen Gesellschaft. Zu seinen wichtigeren jüngeren Publikationen gehören: Altkeltische Sozialstrukturen (2006), Discovering the Archaeologists of Europe: der archäologische Arbeitsmarkt in Österreich (2008 und 2014), Macht und Ohnmacht des positivistischen Denkens (2010) und Archäologischer Denkmalschutz in Österreich – Praxis, Probleme, Lösungsvorschläge (2011).