"Öbama" und die #BPW16

Mit der Angelobung Alexander Van der Bellens am 26. Jänner 2017 findet der längste Wahlkampf der österreichischen Geschichte auch ein symbolisches Ende. Die Politologinnen Petra Bernhardt und Karin Liebhart blicken in ihrem Gastbeitrag auf die Wahlstrategie des neuen Bundespräsidenten zurück.

Nach der Aufhebung der Stichwahl durch den Verfassungsgerichtshof und einer nochmaligen Verschiebung des Wahltermins aufgrund "technischer" Pannen wurde Van der Bellen am 4. Dezember 2016 mit 53,79 Prozent – und damit einer viel deutlicheren Mehrheit als bei der ersten Stichwahl – zum neunten Bundespräsidenten der Zweiten Republik gewählt. Seiner Wahl ging ein bewegter und für Österreich in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerter Wahlkampf voraus, der nicht nur durch intensive Auseinandersetzungen der Kandidaten geprägt war, sondern auch durch eine Modernisierung und Professionalisierung der Wahlkampfführung.

Wahlkampf 2.0 und Anleihen bei US-Wahlkämpfen

Sowohl Alexander Van der Bellen als auch sein Kontrahent Norbert Hofer setzten in ihren Wahlkämpfen auf eine Diversifizierung von Kampagnenkanälen in sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter oder Instagram, um Zielgruppen direkt anzusprechen und Themen für klassische Medien zu lancieren. Dabei kamen mitunter aufwändige Produktionen wie Imagevideos zum Einsatz, die nicht nur das Amtsverständnis der Kandidaten thematisierten, sondern auch zugrunde liegende Gesellschaftsvorstellungen sichtbar machten.

Bei der Konzeption und Umsetzung der Präsidentschaftskampagne nahm Van der Bellens Team strategische Anleihen bei den erfolgreichen Wahlkämpfen des scheidenden US-Präsidenten Barack Obama. Neben offensichtlichen Bezügen – beispielsweise auf das Design des berühmten HOPE-Posters von Shepard Fairey, das von der Van der Bellen-Kampagne zu einem "Öbama"-Shirt sowie zu Freecards mit Konterfei des Kandidaten umgewandelt wurde –, waren es vor allem strategische Entscheidungen, die Obamas Wahlkämpfe als Vorbilder erkennbar machten.

Dazu zählen etwa die Entwicklung eines wiedererkennbaren Kampagnendesigns, sein Einsatz auf unterschiedlichen Kanälen oder die Einbindung von prominenten UnterstützerInnen aus Kunst, Wirtschaft, Politik oder Wissenschaft als Testimonials.

Wahlkampf als "Storytelling"

Ein wesentlicher Aspekt einer modernen Wahlkampfführung im Stil Obamas liegt in der Entwicklung einer Kampagnenerzählung mit positivem Zukunftsentwurf, die mit der Biographie des Kandidaten verbunden wird. Diese Erzählung begann bei Van der Bellen bereits vor dem offiziellen Wahlkampfauftakt durch die Vorlage eines programmatischen Buches – eine Strategie, die ebenfalls bei Obama sowie bei französischen Präsidentschaftskandidaten ein Vorbild findet, um politische Ziele und Ideale darzulegen.

Aktuelles Forschungsprojekt zum Thema:
Mit der Modernisierung der Wahlkampfführung und der Vielfalt an Wahlkampfmitteln beschäftigen sich Karin Liebhart (Projektleiterin) und Petra Bernhardt am Institut für Politikwissenschaft und im Rahmen des Forschungsschwerpunkts Visual Studies der Fakultät für Sozialwissenschaften ab Februar 2017. In dem vom Jubiläumsfonds der ÖNB geförderten Forschungsprojekt "The Austrian Presidential Elections 2016: Visual Political Storytelling" werden v.a. visuelle Aspekte der Kampagnen, ihre ikonographische Verankerung in politischen Bildkulturen sowie ihre Vermittlung im Rahmen von Kampagnenerzählungen untersucht.

Die im Wahlkampf mehrmals thematisierte Fluchtbiographie der Familie Van der Bellen schloss als Erzählung an aktuelle gesellschaftspolitische Herausforderungen an und ermöglichte dem Kandidaten, den für die Kampagne wichtigen Begriff der Heimat im Sinne seiner Kampagnenerzählung mit Bedeutung aufzuladen und als inklusives Konzept zu präsentieren (z.B. in den Plakatslogans "Heimat braucht Zusammenhalt" oder "Wer unsere Heimat liebt, spaltet sie nicht").

Entsprechend häufig kam der Heimatbegriff auf Plakaten, in Imagevideos oder bei Wahlkampfveranstaltungen zum Einsatz.

Van der Bellens Team gelang es, die erzählerische und visuelle Gestaltung der Kampagne an Bildtraditionen anzuschließen, die in der österreichischen politischen Kultur verankert sind. Dazu zählt beispielsweise die Darstellung von Landschaft.

Bild- und Erzählstrategien entschlüsseln

Politische Bild- und Erzählstrategien, wie sie die erfolgreichen Kampagnen Van der Bellens geprägt haben, werden auch in zukünftigen österreichischen Wahlkämpfen an Relevanz gewinnen. Die Entwicklung einer spezifischen Bildkompetenz zu ihrer Entschlüsselung ist daher sowohl für die Politische Kommunikationsforschung als auch für die Politische Bildung unerlässlich.


Die AutorInnen:
Dr. Petra Bernhardt ist Politikwissenschafterin und beschäftigt sich mit Visueller Politik. Sie lehrt an der Universität Wien und an der FH Joanneum in Graz.
PD Dr. Karin Liebhart ist Senior Lecturer am Institut für Politikwissenschaft und forscht zu diskursiven und visuellen Repräsentationen des Politischen. Sie lehrt auch an der Universität Trnava sowie an der Karlshochschule International University in Karlsruhe.