Kräuterwissen aus der "Grünen Apotheke"

Zwischen Botanik, Pharmazie und Medizin bestehen seit jeher enge Verbindungen. Auch die Ursprünge des Botanischen Gartens gehen auf einen "Hortus medicus" zurück, wo 1756 erste Lehrkurse für Ärzte, Apotheker und Hebammen abgehalten wurden. Bis 30. Oktober kann hier altes Wissen neu entdeckt werden.

Nachdem Heilpflanzen durch die Entwicklung synthetischer Arzneimittel schon fast verdrängt worden waren, macht sich heute wieder eine Renaissance des Interesses an "natürlichen" Arzneimitteln bemerkbar. Wie die Studie "State of the World’s Plants" zeigt, werden weltweit 28.187 Pflanzenarten für medizinische Zwecke eingesetzt, Schätzungen sprechen sogar von 70.000 Arten.

Nicht zuletzt ist das steigende Interesse auch ein wirtschaftliches: wurde der Weltmarkt im Handel mit Heilpflanzen 2003 von der WHO noch auf rund 60 Milliarden US Dollar geschätzt, so sollen 2012 rund 83 Milliarden US Dollar allein für TCM Produkte umgesetzt worden sein.

Wirtschaftsfaktor Heilpflanzen

Wolfgang Kubelka, emeritierter Professor am Department für Pharmakognosie, schilderte im Rahmen der Ausstellungseröffnung "Die Grüne Apotheke", die noch bis 30. Oktober läuft, die wechselvolle Geschichte der Erforschung von Arzneipflanzen und die Entwicklung der Fachdisziplin Pharmakognosie, die im Wien des 18. Jahrhunderts von Johann Adam Schmidt geprägt wurde. (© Rudolf Hromniak)

"Finger weg von 'Wundermitteln'"

Dabei sei aber äußerste Vorsicht geboten, so Kubelka, emeritierter Professor am Department für Pharmakognosie: "Finger weg von 'Wundermitteln' aus dem Internet", mahnt er. Auch sogenannte pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel mit "Heilversprechen" unterliegen nicht dem Arzneimittelgesetz. Apotheken hingegen beziehen ihre Arzneidrogen von Herstellern, die die Qualität gemäß dem Arzneibuch überprüfen und garantieren.

Dabei sind zugelassene Arzneimittel, deren Wirksamkeit und Verträglichkeit durch pharmakologische Untersuchungen, klinische Studien und Daten zur Qualität gesichert sind, von traditionellen Arzneimitteln zu unterscheiden. Letztere müssen nachgewiesenermaßen mindestens seit 30 Jahren als wirksam und unbedenklich gelten und ohne Ärztin oder Arzt sicher angewendet werden können.

Hörtipp: Michael Kiehn, Direktor des Botanischen Gartens, und Wolfgang Kubelka, emeritierter Professor am Department für Pharmakognosie in der Ö1-Sendereihe "Leporello" über Mythen und Wissen rund um bekannte und weniger bekannte Heilpflanzen und die Freilandausstellung "Die Grüne Apotheke" im Botanischen Garten. Zum Beitrag

Heilende Giftpflanzen

Seit 20. Juni stehen Arzneipflanzen im Mittelpunkt der Freiland-Ausstellung "Die Grüne Apotheke" im Botanischen Garten der Uni Wien, die noch bis 30. Oktober läuft. Wer mehr über die Zubereitung pflanzlicher Drogen und Arzneimittel sowie die gesetzliche Regelungen dahinter, Giftpflanzen in der Heilkunde und die Rolle von Arzneipflanzen im Welthandel interessiert, ist hier richtig.

Auch aktuelle Forschungsfragen, die am Pharmaziezentrum diskutiert werden, wie etwa die Bedeutung von Endophyten bei der Heilwirkung von Edelweiß oder die Entwicklung von in-vitro Methoden zur Vermehrung von Cannabis werden den BesucherInnen näher gebracht.

Altes Kräuterwissen neu erforschen

So verknüpft z.B. am Department für Pharmakognosie Judith Maria Rollinger altes "Kräuterwissen" mit modernen pharmazeutischen Ansätzen. Auf der Spur nach unbekannten bioaktiven Naturstoffen setzt sie auch Computermodelle ein. Departmentleiterin Verena Dirsch erforscht Wirkungen und Wirkmechanismen von Naturstoffen auf zell- und molekularbiologischer Ebene. Und der Pharmazeutische Biotechnologe Sergey Zotchev untersucht Wirkstoffe aus mikrobiologischen Quellen.

Am Department für Pharmakognosie wird altes "Kräuterwissen" neu entdeckt. Da es nach wie vor wichtig ist, die heilsamen Pflanzen in natura zu sehen und sie zu "begreifen", werden im Arzneipflanzengarten rund 140 verschiedene Arznei- und Giftpflanzen kultiviert, um als Anschauungsmaterial für die Studierenden zu dienen. (© Universität Wien/derknopfdruecker.com)

Edelweiß als Antibiotika

In Zotchevs Forschungsgruppe arbeitet auch Martina Oberhofer. Sie untersucht die Heilwirkung von Endophyten im Edelweiß. "Endophyten sind Mikroorganismen, die als Symbionten im Inneren von Pflanzen leben. Oft bilden sie chemische Verbindungen, deren Heilwirkung ursprünglich der Pflanze zugeschrieben wurde", erklärt sie. Diese Mikroorganismen dienen unter anderem der Verteidigung der Pflanze vor Pathogenen und anderen schädlichen Umwelteinflüssen.

"Wir untersuchen Endophyten als innovative Quelle für mögliche neue antibiotisch wirksame Substanzen. Pharmakonzerne scheuen inzwischen die kostspielige Entdeckung neuer Antibiotika. Im Zeitalter steigender Resistenzen von Krankheitserregern gegen bereits bekannte Antibiotika, ist die Erforschung neuer antibiotisch wirksamer Substanzen von immenser Bedeutung", betont die Wissenschafterin.

Um der Öffentlichkeit das alte Kräuterwissen näher zu bringen, soll der öffentlich zugängliche Arzneipflanzengarten künftig verstärkt als Ort der Forschung, der Wissensvermittlung und der Erholung genutzt werden. (red)

Veranstaltungstipp:
Ausstellung "Die Grüne Apotheke – vom Hortus Medicus zur Pharmaforschung": Von 20. Juni bis 30. Oktober 2018, täglich von 10 bis 18 Uhr, im Botanischen Garten der Universität Wien, 1030 Wien, Mechelgasse 2 (Haupteingang; weitere Eingänge), Eintritt frei

Der Arzneipflanzengarten des Departments für Pharmakognosie ist von Montag bis Freitag jeweils von 9 bis 15 Uhr geöffnet. Am Pharmaziezentrum der Universität Wien (UZA II), Zugang über Stiege G, Ebene 1, Althanstraße 14, 1090 Wien.

Gastbeitrag von Ursula Gerber (Fakultät für Lebenswissenschaften).