Innovation wirkt: "Ideenaustausch ist wesentlich, um vorwärtszukommen"
| 15. April 2021In diesem Interview geben Quantenphysiker Philip Walther und Chiara Greganti, Alumna der Universität Wien, Einblick in ihren Berufsalltag. Sie sprechen über das Zusammenspiel von Quantenforschung und ihren praktischen Anwendungsmöglichkeiten. Ein Beispiel: Quantenforschung kann die Energieeffizienz von Smartphones steigern.
Kurz gesagt:
- Technologien der Zukunft: Grundlagenforschung bringt innovative Ideen hervor.
- Erkenntnisse und Technologien der Quantenforschung werden zur Verbesserung alltäglicher Technologien verwendet.
uni:view: Quantenforschung ist für Außenstehende oft schwer nachvollziehbar. Was machen Sie konkret als Quantenforscher?
Philip Walther: Ich leite eine Forschungsgruppe an der Universität Wien, die sich der Quantenforschung widmet. Wir untersuchen Phänomene, die es in der kleinen Welt der Quanten gibt, also Eigenschaften, die sich anders verhalten als in unserer klassischen Welt. Wir versuchen, diese Eigenschaften für neue Anwendungen zu nutzen und sie zum Beispiel für eine bessere Kommunikation, bessere Computer und andere Dinge, an die die Menschen bisher noch nicht gedacht haben, einzusetzen. Wir müssen unsere eigenen Technologien entwickeln. Studierende lernen den Umgang mit Technologien und denken kreativ über neue Anwendungen und Möglichkeiten nach.
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Die Universität Wien schafft vielfältige Impulse. Im Bereich der Forschung kooperiert sie mit Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft. Ihre Lehre bereitet die jährlich etwa 10.000 Absolvent*innen auf ihre Berufslaufbahn vor und regt sie zu kritischem Denken und selbstbestimmtem Handeln an.
uni:view: Chiara Greganti, nachdem Sie Ihr Doktorat an der Universität Wien abgeschlossen hatten, haben Sie ein Start-Up gegründet. Woran arbeiten Sie und wie äußert sich Quantentechnologie in unserem Alltag?
Chiara Greganti: In meinem Unternehmen, VitreaLab, verwerten wir die in der Quantenforschung verwendete Technologie, um neue Produkte für Displays von Mobilgeräten zu entwickeln. Das bedeutet, dass wir uns auf Lösungen für alltägliche Anwendungen konzentrieren.
Da das Display den meisten Akku von Mobilgeräten verbraucht, wird unser erstes Produkt eine neue Displaykomponente sein, die die Energieeffizienz von Mobilgeräten erhöht. Konsument*innen können davon profitieren, sobald das Display am Markt verfügbar ist. Aber wir wollen künftig auch andere, noch innovativere Produkte entwickeln, wie holographische Displays, damit alle 3D-Bilder sehen und damit interagieren können.
uni:view: Inwieweit wirkt diese Forschung in unserer Gesellschaft?
Walther: Die Forschung entfaltet jedenfalls eine große Wirkung: In Form eines sehr breiten Anwendungsspektrums der von uns entwickelten Technologie in der Quantenforschung, einem Forschungsfeld, das wirklich weit weg von alltäglichen Anwendungen ist. Dennoch kann sie so angepasst werden, dass sie der Gesellschaft einen Nutzen bringt, wie am Beispiel von Smartphone-Displays: Diese werden nämlich wirklich von allen Menschen verwendet. Es ist schön, dass unsere Grundlagenforschung eine derart große Wirkung entfaltet und ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass wir einige Komponenten der Arbeit von VitreaLab künftig in alltäglichen Geräten finden werden.
uni:view: Chirara Greganti, wie beeinflussen neue wissenschaftliche Erkenntnisse Ihre Arbeit?
Greganti: Ich möchte das Zusammenspiel zwischen wissenschaftlicher und industrieller Forschung betonen. Diese Verbindung ist wichtig, besonders, wenn sie auf gegenseitigem Feedback gründet. So entstehen neue Ideen. Wir nehmen an Konferenzen teil, um neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit auszuloten. Die Arbeit mit einem internationalen Team und Kolleg*innen mit unterschiedlichen Hintergründen sowie die Umsetzung von Ideen in Experimenten in unterschiedlichen Projekten haben mir wirklich bei der Unternehmensgründung geholfen.
Warum Physik an der Universität Wien studieren?
Die Universität Wien bietet ein großes Studien- und Lehrangebot. Mit über 180 Studien an 15 Fakultäten und 5 Zentren ist sie die größte Universität im deutschsprachigen Raum. Das Studium der Physik bietet den Studierenden eine breite und wissenschaftlich fundierte Grundausbildung auf dem Gebiet der Physik und ihrer Anwendungen. Im Rahmen von Humans of University of Vienna bloggt Beate über ihre Faszination für Physik.
uni:view: Philip Walther, welche anderen Möglichkeiten des Einsatzes von Quantentechnologie sehen Sie in der Zukunft?
Walther: Es wird definitiv eine Verlagerung in der Technologie geben. Das vermutlich markanteste Beispiel sind Computer, die Quantentechnologie verwenden. Derzeit laufen weltweit Bemühungen Quantencomputer zu bauen, manche stammen von Big Playern, wie IBM oder Google. Wir an der Universität Wien versuchen auch einen zu bauen. Wir kennen einige mögliche Anwendungsfelder für diese Computer, zum Beispiel in der Pharmazie, wo sie zu einer viel schnelleren und effizienteren Arzneimittelentwicklung beitragen können. Ein weiteres Anwendungsgebiet ist der Datenschutz von Kund*innen mithilfe von Quantencomputern oder sogar Quantencomputernetzwerken – einem Spezialgebiet unserer Gruppe, da wir die ersten waren, die diese Möglichkeit aufgezeigt haben. Es gibt einen großen Markt für all diese Anwendungen und viele Menschen arbeiten daran.
Aber für mich persönlich sind vor allem die unvorhersehbaren Nebenentwicklungen von innovativen Ideen viel interessanter, zum Beispiel, das Unternehmen von Chiara Greganti. Wir entwickeln eine äußerst ausgeklügelte Technologie, die auch für komplett andere Anwendungen und Geräte verwendet werden kann. Dieses Verständnis von Technologie und die Vorstellung, dass wir Lösungen finden können, über die noch nie jemand zuvor nachgedacht hat, sind in der Quantenphysik durchaus üblich und für mich sehr inspirierend. Ich bin davon überzeugt, dass unsere Grundlagenforschung zur Quantentechnologie viele Veränderungen in den kommenden 10 bis 20 Jahren herbeiführen wird. Dazu gehören die bereits absehbaren, großen Entwicklungen, aber auch viele mehr. Kreativität zahlt sich aus.
Philip Walther ist Professor für Experimental Photonic Quantum Computing an der Fakultät für Physik der Universität Wien. Seine Forschungsgruppe experimentiert mit Quanteninformation und ist bei der Forschung zu photonischen Quantencomputern ganz vorn mit dabei.
Er ist außerdem Leiter des Christian Doppler Labors für photonische Quantencomputer an der Universität Wien und Sprecher von BeyondC, einem Spezialforschungsbereich (SFB), der sich mit der Bestimmung von Anwendungen von und Methoden für Quanteninformationssysteme über die klassischen Möglichkeiten hinaus beschäftigt.
Chiara Greganti hat das Doktorat in Quantenoptik an der Universität Wien abgeschlossen und ist Mitbegründerin von VitreaLab, einem Start-up, das Displays mit Quantentechnologie entwickelt.