Imkern mit Aussicht

Auf ein Vierteljahrhundert Erfahrung blickt Archäologe Otto Cichocki von der Universität Wien bei der Arbeit mit Bienen zurück. Seit ein paar Jahren hat er einige seiner Bienenvölker am Dach des Biozentrums in der Althanstraße stehen. uni:view hat ihn und seine fleißigen Arbeiterinnen besucht.

Gute Vorbereitung und Ausgeglichenheit sind zwei wichtige Ingredienzen bei der Arbeit mit Bienen. Bevor Otto Cichocki den Bienenstock (= die Beute) aufmacht, bereitet er den sogenannten "Smoker" vor. Durch die Rauchentwicklung ziehen sich die Bienen tiefer in den Stock zurück und so kann der Imker, ohne sie zu verletzen, mit ihnen arbeiten.

Erfahrene ImkerInnen erkennen bereits mit einem Blick auf das Flugloch, welche Stimmung im Stock herrscht, z.B. ob das Volk kurz vor dem Schwärmen ist, ohne Königin ist oder die Bienen ausgeglichen und ruhiger Stimmung sind – natürlich der Idealfall.

Wabe für Wabe schaut der eigentliche Paläontologe, der in die Archäologie wechselte, durch den Stock. Grundsätzlich bedeutet die Öffnung des Bienenstocks für die Bienen eine Stresssituation, da ihr Temperaturhaushalt gestört wird und sie an die Dunkelheit im geschlossenen Stock gewöhnt sind. Deshalb sollten ImkerInnen immer zügig, dabei aber ruhig arbeiten und den Stock nie länger als nötig offen lassen. Das gilt natürlich nicht nur für ImkerInnen, sondern auch für die WissenschafterInnen, die sich mit den Bienen am Dach beschäftigen.

Dass die Arbeit mit den Bienen Spaß macht, merkt man Otto Cichocki sofort an – Respekt,  aber keine Scheu vor den Bienen zeichnen sein Verhältnis zu den Tieren aus. Cichocki erntet von seinen derzeit drei Völkern am Dach nicht nur einige Kilogramm Honig, er kooperiert auch mit KollegInnen aus dem Haus, konkret mit dem Departement für Neurobiologie und der Plattform für Didaktik der Naturwissenschaften. So führen die NeurobiologInnen u.a. jährlich eine Übung zu Futterreflexen bei Bienen durch, und LehramtskanditatInnen kommen während ihres Unterrichtspraktikums regelmäßig mit Schulklassen vorbei.

Hier hat Otto Cichocki eine sogenannte Weiselzelle (Königinnenzelle) entdeckt. Eine Weiselzelle wird von den Arbeiterinnen angelegt und ist um einiges größer als die Zellen für die Arbeiterinnenbienen: Als größte Biene im Stock braucht die Königin auch zur Entwicklung mehr Platz. Diese Weiselzelle stellt sich aber zum Glück als "Spielnäpfchen" heraus, d.h. die Arbeiterinnen sind ihrem Bautrieb nachgegangen, aber die Zelle wurde nicht bestiftet – die Königin hat also kein Ei darin abgelegt. Zur Sicherheit bricht Cichocki das Näpfchen aus.

Das Dach am Universitätsstandort Althanstraße ist ob der ganztägigen Sonneneinstrahlung eigentlich kein idealer Standort, da es im Sommer (und auch im Winter) doch recht aufheizen kann. Hier hilft Cichocki sich und den Bienen mit speziellen Abdeckungen, damit es in den Stöcken nicht zu heiß wird. Dafür ist aber das Nahrungsangebot, das die ImkerInnen Trachtangebot nennen, rund um das Gebäude sehr gut: "In den umliegenden Parkanlagen, Dachterrassen, Gärten und auf Alleebäumen finden die Bienen genug Nektar und Pollen", so der Imker: "Besonders gut ist das Trachtangebot direkt in der Althanstraße, da z.B. die KollegInnen von der Pharmazie Kräuter am Dach des Biozentrums anbauen. Kräuterblüten zählen zu besonderen Leckerbissen."


"The Queen": Die Königin zu sehen, ist für ImkerInnen immer ein besonders schöner Moment bei der Stockdurchsicht. Sie unterscheidet sich in Größe und Farbe deutlich von den anderen Bienen. Läuft alles nach Plan, fliegt sie nur ein Mal in ihrem Leben aus dem Stock, und zwar wenige Tage, nachdem sie geschlüpft ist. Dann begibt sie sich auf den "Hochzeitsflug", bei dem sie von mehreren Drohnen (männliche Bienen) begattet wird – die Drohnen sterben anschließend. Von ihrem Hochzeitsflug kehrt die Königin  mit einem Samenvorrat, mit dem sie ein Leben lang auskommen muss, in den Stock zurück und beginnt nach rund zwei Wochen mit dem Eierlegen – gleich mehrere Hundert pro Tag. Aufgrund des Gewichts der Eier, das ihr eigenes Gewicht übersteigt, kann sie nicht mehr ausfliegen. Braucht sie auch nicht, ihr "Hofstaat" kümmert sich den Rest ihres Lebens um das Wohlergehen der Königin.

Und was gibt es aus archäologischer Perspektive über Honig zu erzählen? "Die Menschen sind schon vor sehr langer Zeit draufgekommen, dass es einfacher ist, von imkerlich gehaltenen als von wilden Honigbienen Honig zu ernten", so Otto Cichocki. Die wahrscheinlich älteste Darstellung eines "Imkers" stammt aus der spanischen Höhle Cuevas de la Araña: "Sie zeigt den sogenannten Honigjäger, der auf einem Baum von Insekten umschwirrt ein Gefäß hält. Diese Höhlenmalereien werden in die Mittelsteinzeit – also 6.000 bis 10.000 v. Christus – datiert."

Im Alten Ägypten galt Honig als "Speise der Götter". "In einem Wabenrest, der als Grabbeigabe in Deir el Medina bei Theben gefunden wurde und etwa 3.300 Jahre alt ist, konnten Pollenkörner jener Blüten untersucht werden, von denen die Bienen einstmals Nektar gesammelt haben", erklärt der imkernde Archäologe.

Über die lange Geschichte der Imkerei könnte Otto Cichocki noch viel erzählen. Er selbst hat im Rahmen seiner wissenschaftlichen Arbeit allerdings noch keinen archäologischen "Beutefund" untersuchen können: "Und das obwohl die urtümlichen Klotzbeuten – das sind ausgehöhlte Baumstammstücke mit Türchen – zu meinem Forschungsschwerpunkt Holz passen würden", so der Forscher, der im Dendrolabor von VIAS tätig ist. Zu seinen Bienen geht er also nach der Arbeit – zur Entspannung. (Text: Theresa Dirtl, Fotos: Marion Wittfeld)

Für unsere Sommerserie haben wir uns auf den Dächern der Universität Wien umgeschaut und berichten wöchentlich von unseren Entdeckungen. Zum Dossier "Sommer am Dach"