"Geography and Gender"
| 11. März 2011Anlässlich des 100. Jubiläums des Internationalen Frauentags widmet "uni:view" im März 2011 dem Thema Gender und Frauenforschung besondere Aufmerksamkeit. Die Geographin Elisabeth Aufhauser verbindet in ihrer Arbeit Feminismus, Wirtschaftsgeographie und Raumplanung. Im Interview erzählt sie, inwieweit räumliche und geschlechtsbezogene Strukturen an so unterschiedlichen Orten wie Spielplätzen, Industrie- und Wirtschaftsparks zusammenspielen.
uni:view: Feministische Geographie – was kann man/frau sich darunter vorstellen?
Elisabeth Aufhauser: Feminismus beschäftigt sich mit Geschlechtlichkeit und Geschlechterstrukturen in unterschiedlichen Variationen. Das übergeordnete Thema der Disziplin Geographie sind Räumlichkeit und räumliche Strukturen. Die feministische Geographie – mittlerweile hat sich der Begriff "Geography and Gender" eingebürgert – stellt nun die Frage, inwiefern Geschlechterstrukturen Raumstrukturen prägen – und umgekehrt.
uni:view: Wo findet dieser Ansatz seine Anwendung in der Praxis?
Aufhauser: Im Prinzip überall, denn wir sind alle kontinuierlich in räumlichen Strukturen, die wiederum geschlechtlich geprägt sind, unterwegs. Ich selbst habe mich unter anderem mit Spielplätzen und Wohnbauanlagen beschäftigt sowie in meinem letzten Forschungsprojekt besonders intensiv mit Strukturen in Wirtschafts- und Gewerbeparks auseinandergesetzt.
uni:view: Bleiben wir vorerst bei Spielplätzen. Was muss bei der Planung beachtet werden, um sie gendergerecht zu gestalten?
Aufhauser: Die grundsätzliche Frage lautet: Wie beeinflusst die Gestaltung von Spielplätzen die Spiele und die Bewegungsfähigkeit von Burschen und Mädchen? Wenn zum Beispiel nur Fußballkäfige gebaut werden, führt das häufig dazu, dass Mädchen zu reinen Zuschauerinnen werden. In Wien ist die geschlechtersensible Parkgestaltung mittlerweile in die ganz normale Stadtplanung integriert. Generell geht es darum, die Anlagen offener zu gestalten und möglichst vielfältige Nutzungen anzuregen. Die Vermeidung abgeschlossener Bereiche sehe ich persönlich ambivalent. Meine Tochter ist leidenschaftliche Fußballspielerin und bevorzugt Spielplätze mit Käfig.
Welche Bedeutung hat der Frauentag für Sie? |
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uni:view: Eines Ihrer letzten großen Projekte war die Initiierung und wissenschaftliche Begleitung von Gender Mainstreaming-Prozessen in zwei Wirtschaftsparks in Niederösterreich ...
Aufhauser: Diese Forschung lief im Rahmen des EU-Projekts "Genderalp!", an dem insgesamt sechs Länder beteiligt waren. Ich betreute gemeinsam mit Birgit Woitech, einer Volkswirtin vom Institut für Technologie- und Regionalpolitik des Joanneum Research, und Brigitta Hemmelmeier-Händel, einer selbständigen Landschaftsplanerin, ein Teilprojekt in Niederösterreich. In diesem haben wir das Industriezentrum Niederösterreich Süd mit rund 280 Unternehmen und 11.000 Beschäftigten sowie den Wirtschaftspark Wolkersdorf mit ca. 27 Unternehmen und 700 Beschäftigten auf Chancengleichheit hin untersucht. Aus dieser Forschungsarbeit ist auch ein Handbuch mit Handlungsempfehlungen für eine verbesserte Ausrichtung von Wirtschaftsparks auf Gleichstellung entstanden.
uni:view: Was ist der Grundansatz einer solchen Analyse räumlicher Infrastruktur im Hinblick auf Gendergerechtigkeit?
Aufhauser: Die feministische Planung arbeitet grundsätzlich nach der Devise "klein, aber fein". Die findet sich in solchen Industrieparks natürlich kaum. Daher lautete unsere zentrale Frage vorweg: Braucht es so ein riesiges Industriezentrum überhaupt, und wie stehen wir zu solchen Flächen? Wir sind dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass Größe auch aus feministischer Perspektive etwas Positives sein kann. Erst sie führt bei Gewerbeflächen zu einer Vielfalt an Arbeitsplätzen und damit auch zu qualifizierten Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen.
uni:view: Nun ist aber das IZ-Niederösterreich Süd um 250 Hektar größer als Wolkersdorf?
Aufhauser: Richtig. Dieser Vergleich war ein durchaus spannender, weil wir gerade im IZ-Niederösterreich Süd Frauen in einer breiten Palette an Jobs gefunden haben, auch in leitenden Funktionen, während Frauen im Wirtschaftspark Wolkersdorf fast nur niedrig qualifizierte Arbeitsplätze besetzen.
uni:view: Welche Maßnahmen haben Sie vorgeschlagen, um die Chancengleichheit in den Wirtschaftsparks zu fördern?
Aufhauser: Gleichstellungsrelevante Infrastruktur ist verbunden mit Urbanität. Da das IZ Niederösterreich Süd extrem weitläufig ist, haben wir vorgeschlagen, mehrere soziale Treffpunkte um Kleinstrukturen wie Kioske herum zu entwickeln. Umgesetzt wurde schlussendlich nur ein einziges Großzentrum, sogar mit Motel. Darüber waren wir weniger glücklich. Doch einige unserer Vorschläge wurden auch recht schnell realisiert, wie zum Beispiel die Versetzung von Straßenlaternen, die zuvor die Gehsteige blockierten. Viel investiert wurde mittlerweile auch in ein neues Leitsystem sowie in einen Landschaftsplan. Straßen werden mittlerweile nicht mehr als lange Gerade ausgebaut, auf denen Autos mit Höllentempo unterwegs sind, und die neuen Wartehäuschen sind beleuchtet und ihre Seitenwände aus Glas, um Durchsicht zu gewähren.
uni:view: Diese Maßnahmen klingen doch nach einem allgemeinen Wohlbefinden, das jetzt gar nicht unbedingt nur auf Frauen ausgerichtet ist?
Aufhauser: Vollkommen richtig – es geht um den Blickwinkel. In einer gendergerechten Planung schauen wir insbesondere auf Alltagsgerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Partizipation und multifunktionalen Nutzen. Und nachher hören wir: "Jetzt haben wir die Frauen mitreden lassen und plötzlich ist es auf einmal viel praktischer geworden." (td)
Ass.-Prof. Mag. Dr. Elisabeth Aufhauser ist am Institut für Geographie und Regionalforschung, Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie, tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Wirtschaftsgeographie, Regionalökonomie, Regionalpolitik in Verbindung mit Feministischer Geographie.