"Es ist vollkommen in Ordnung, keine Ahnung von Twitter zu haben"

Am 28.1. begeisterte Eric Jarosinski, der als "NeinQuarterly" auf Twitter über 127.000 Follower mit u.a. philosophischen Kurztexten versorgt, an der Universität Wien. Uni:view sprach mit ihm und Ulrike Felt, Dekanin der Fakultät für Sozialwissenschaften, über Twitter und Wissenschaftskommunikation.

Zwar liest Eric Jarosinski selbst keine der Artikel über sich, beantwortete aber im Interview mit uni:view bereitwillig und äußerst sympathisch unsere Fragen.


uni:view: Seit Jänner 2012 twittern Sie als "NeinQuarterly". Was begeistert Sie an dem Medium?
Eric Jarosinski:
Twitter interessiert mich vor allem wegen der kurzen Form. Ich habe mich als Wissenschafter bereits theoretisch mit Aphorismen beschäftigt, twittern ist nun sozusagen die Praxis. Meine Tweets, also Kurztexte, haben oftmals mit philosophischen Themen zu tun, aber manchmal ist es auch einfach nur ein kleiner Spruch oder Witz.

uni:view: Welche Tipps haben Sie für Twitter-Neulinge?
Jarosinski:
Man sollte es dann tun, wenn es einem Spaß macht. Nicht das Gefühl haben, so wie der oder die twittern zu müssen, sondern seinen eigenen Umgang finden. Man muss sich zudem bewusst sein, dass es viel Zeit kosten kann. Es ist vollkommen in Ordnung, keine Ahnung von Twitter zu haben. Es gibt ja auch genug anderes zu tun. (lacht)

uni:view: In Ihrem Vortrag an der Universität Wien sprachen Sie u.a. davon, dass Twitter nicht zwingend für jeden die geeignete Plattform sein müsse. Wo sehen Sie dennoch Vorteile speziell für die Wissenschaftskommunikation?
Jarosinski:
Twitter zwingt durch seine 140 Zeichen dazu, weg von dem klassischen akademischen Jargon zu gehen. Es ist wichtig zu verstehen, dass ein Publikum nicht "dumm" ist, nur weil es die Wissenschaftssprache nicht versteht. Das kann man als Wissenschafter bzw. Wissenschafterin vielleicht oftmals vergessen. Deshalb ist Twitter eine gute Möglichkeit und zugleich Herausforderung, oftmals komplizierte Einsichten in einer "anderen Sprache" zu erklären.

uni:view: Sie waren als Assistant Professor für deutsche Literatur und Philosophie an der University of Pennsylvania tätig, haben sich dann aber gegen eine wissenschaftliche Laufbahn entschieden. Wie stehen Sie dem Universitätsbetrieb gegenüber?
Jarosinski:
Ich bin keinesfalls antiakademisch eingestellt oder verbittert. Für mich selbst war es am Ende nicht der richtige Weg, aber ich habe viele FreundInnen im universitären Betrieb, die Großartiges leisten und die ich sehr schätze. Ich twittere auch hin und wieder Call for Papers o.ä. Mir hat z.B. vor allem das Lehren immer viel Freude bereitet.

uni:view: Was war Ihnen als Lehrender besonders wichtig – abgesehen von der Vermittlung fachlicher Inhalte?
Jarosinski:
Es war mir beispielsweise ein Anliegen, den Studierenden aufzuzeigen, was einen guten Vortrag ausmacht. Bei Konferenzen ist es oftmals so, dass viele dem Vortrag gar nicht folgen können, weil die Texte nicht für die mündliche Kommunikation konzipiert wurden, sondern eher für Fachzeitschriften. Satzbau, Satzlänge – all das ist in der gesprochenen Sprache anders. Mein Rat an meine Studierenden lautete immer, Leerstellen in Vorträgen zu lassen, um gezwungen zu sein, spontan reden zu müssen. Das ist schwieriger und bedarf einiges an Selbstvertrauen. Dinge möglichst kompliziert auszudrücken ist oftmals ein Selbstschutz, um Nachfragen zu verhindern (lacht). Und die ZuhörerInnen sitzen dann da, haben nichts verstanden, "müssen" aber so tun, als ob. Es gibt meiner Meinung nach noch sehr viel Spielraum, akademisch etablierte Formen zu verbessern.

uni:view: Hatten Sie schon die Möglichkeit, mehr von der Universität Wien zu sehen?
Jarosinski:
Leider nein. Ich war vor rund 20 Jahren schon einmal an der Universität Wien, kann mich allerdings lediglich an den Paternosteraufzug erinnern. Es war das erste Mal, dass ich sowas gesehen habe. Aber wie ich hörte, gibt es ihn nicht mehr. Aber ich bin noch ein paar Tage in Wien und hoffe, noch einiges zu entdecken.


Auch Ulrike Felt, Dekanin der Fakultät für Sozialwissenschaften, beantwortete uni:view ein paar Fragen.


uni:view: Wie kam die Einladung von Eric Jarosinski an die Universität Wien zu Stande?
Ulrike Felt:
Fragen nach Kommunikation und der Veränderung von Kommunikation sind wichtige Gebiete, denen wir an der Fakultät für Sozialwissenschaften u.a. nachgehen. Die Idee, eine Open Lecture mit NeinQuarterly zuveranstalten, kam von dem Wissenschaftsjournalisten Oliver Lehmann, der heuer unseren Fakultätstag der Sozialwissenschaften moderiert hat. Er hatte Jarosinski zum Wiener Ball der Wissenschaften eingeladen. Ich war von dieser Idee sofort begeistert.
 
uni:view: Sie haben selbst einen Twitter-Account. Wie nutzen Sie als Wissenschafterin dieses Medium?
Felt:
Ich twittere selbst nicht so oft, habe aber einige für mich relevante Personen, Zeitschriften und Zeitungen abonniert, was mir ermöglicht, in der Früh in relativ kurzer Zeit Informationen aufzunehmen. Als Wissenschafterin interessieren mich zudem der Austausch mit KollegInnen und das Verfolgen von Diskussionen. Allerdings bieten 140 Zeichen meiner Meinung nach keinen Raum für wirkliche Argumente. Aber letztendlich machen die NutzerInnen erst aus der Technik das, was sie ist. Das ist ein Prozess, der oftmals langsam geht. (mw)


Einige Impressionen vom Vortrag Eric Jarosinskis an der Universität Wien:


Oliver Lehmann, Wissenschaftsjournalist und Organisator des Wiener Ball der Wissenschaften, eröffnete den Abend in der Skylounge der Universität Wien.


Eric Jarosinski alias "NeinQuarterly" präsentierte im ersten Teil seines Vortrags einige Tweets sowie kuriose Alltagsbeobachtungen, die er während seines Aufenthalts in Wien machte. Im zweiten Teil beantwortete er ausführlich Fragen aus dem Publikum.


Im Anschluss an die Veranstaltung signierte Eric Jarosinski sein heuer erschienenes Buch "Nein. Ein Manifest" und stand …


… für Fotos zur Verfügung. (Fotos: Universität Wien)