Ein Nobelpreis für das Klima
| 09. Oktober 2018Der Wirtschaftsnobelpreis 2018 geht an die beiden US-Ökonomen Paul Romer und William Nordhaus für ihre Arbeiten rund um Klimawandel und technologische Innovation. uni:view hat den Klimaschutzexperten Paul Pichler vom Institut für Volkswirtschaftslehre nach den Hintergründen befragt.
uni:view: Was sagen Sie als Wirtschaftswissenschafter zur Vergabe des heurigen Wirtschaftsnobelpreises?
Paul Pichler: Für beide Ökonomen ist der Preis sicherlich hochverdient, im Fall von Paul Romer ist die Vergabe auch ein bisschen überraschend und amüsant. Ersteres, weil Romer in jüngster Zeit als vehementer Kritiker der zeitgenössischen makroökonomischen Forschung und insbesondere deren Fokussierung auf mathematische Modelle in Erscheinung getreten ist. Letzteres, weil seine Heimatuniversität, die New York University (NYU), ihn bereits 2016 irrtümlicherweise als Nobelpreisträger öffentlich präsentiert hat und zu einer Pressekonferenz eingeladen hat. Das hat damals für Schmunzeln und Häme in der ÖkonomInnenzunft gesorgt, heute muss man wohl sagen: sie waren schlicht der Zeit um zwei Jahre voraus.
uni:view: Der Nobelpreis ging an William D. Nordhaus "for integrating climate change into long-run macroeconomic analysis" und Paul M. Romer "for integrating technological innovations into long-run macroeconomic analysis." Können Sie kurz erläutern, um welche Forschungen bzw. bahnbrechenden Erkenntnisse es sich dabei handelt?
Pichler: Nordhaus hat sich seit den späten 1970er Jahren mit der ökonomischen Analyse von Klimawandel beschäftigt und eines der ersten sogenannten Integrated Assessment Modelle (IA-Modelle) entwickelt. Dabei handelt es sich um relativ komplexe interdisziplinäre Simulationsmodelle, die Erkenntnisse aus den Natur-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften zusammenführen, um die Auswirkungen menschlichen Handelns auf Umwelt und Klima – und in weiterer Folge wiederum auf die Menschen selbst – zu untersuchen. Ziel der Modellierung ist stets, politische Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen und somit die Umweltpolitik zu unterstützen. Das von Nordhaus in den 1990ern entwickelte Dynamic Integrated Climate Economy (DICE) Modell zeigt zum Beispiel die Effizienz von CO2-Steuern als klimapolitisches Instrument auf. Es wird heute von der amerikanischen Umweltbehörde EPA eingesetzt, um die sozialen Kosten von Kohlenstoff-Emissionen und Klimawandel abzuschätzen.
Romer wiederum hat sich seit den 1980ern vor allem mit den Bestimmungsgrößen langfristigen Wirtschaftswachstums beschäftigt. Insbesondere hat er technologischen Fortschritt und in weiterer Folge Wachstum als endogenes Resultat von wirtschaftlichen Aktivitäten, z.B. Forschung und Entwicklung, analysiert und modelliert. Seine Arbeiten haben die Wachstumstheorie, welche damals Technologie als rein exogenen Prozess betrachtet hatte, regelrecht revolutioniert. Die von ihm begründete "Endogene Wachstumstheorie" ist heute Pflichtprogramm in der Ausbildung junger Ökonominnen und Ökonomen.
uni:view: Sie selbst sind am Institut für Volkswirtschaftslehre tätig und Klimaschutz ist einer Ihrer Forschungsschwerpunkte. Inwieweit überschneidet sich Ihre Forschung mit der der Nobelpreisträger?
Pichler: Wenn man sich akademisch mit Klimaschutzpolitik beschäftigt, kommt man an William Nordhaus sicherlich nicht vorbei. Von ihm stammen zahlreiche wissenschaftliche Artikel, die zur Pflichtlektüre von KlimaökonomInnen gehören, aber auch sehr interessante populärwissenschaftliche Beiträge wie etwa sein 2013 erschienenes Buch "Climate Casino". Ich lese Nordhaus' Arbeiten gerne, um mich weiterzubilden bzw. zu inspirieren, und ich verwende seine Analysen und Resultate auch um meine eigene Forschung zu motivieren. Jedoch arbeite ich selbst nicht mit den komplexen Simulationsmodellen in der Tradition des Integrated Assessment Ansatzes, sondern verwende sehr einfache Modelle um die Vor- und Nachteile einer Delegation von klimapolitischen Entscheidungen an eine supranationale Klimaschutz-Institution zu untersuchen. Meine einfachen Modelle nehmen dabei die Auswirkungen von Klimawandel auf das Wohlergehen der Bevölkerung, etwa die sozialen Kosten von Kohlenstoffemissionen, als exogene Parameter an. Diese Parameter basieren zum Teil direkt oder indirekt auf den Arbeiten von William Nordhaus, somit gibt es durchaus Überschneidungen. Jedoch sind diese Überschneidungen wohl überschaubar.
Was Paul Romer betrifft: Zum Gebiet der endogenen Wachstumstheorie habe ich selbst nie beigetragen, mein Kollege Gerhard Sorger hat jedoch einige Arbeiten auf diesem Gebiet veröffentlicht, die auf dem Werk von Romer aufbauen.
uni:view: Hat diese Vergabe des Nobelpreises Auswirkungen auf Ihr Forschungsgebiet?
Pichler: Ich denke nicht. Wirtschaftswachstum und Klimaschutz gehören seit vielen Jahren zweifellos zu den wichtigsten Themen der Volkswirtschaftslehre. Der Nobelpreis würdigt nun formal die Bedeutung der Forschung zu diesen Themen, was ich natürlich sehr begrüße. Jedoch kann ich mir nicht vorstellen, dass der Preis die beiden Forschungsgebiete erkennbar verändern wird, etwa durch einen höheren Zufluss von Fördermitteln oder einen verstärkten Zustrom von exzellenten JungforscherInnen in diese Gebiete. Schließlich wussten sowohl Forschungsförderer als auch JungforscherInnen schon vor dem Nobelpreis über die zentrale Bedeutung von Wirtschaftswachstum und Klimaschutz für eine Volkswirtschaft Bescheid.
uni:view: Vielen Dank für das Interview! (red)
Paul Pichler forscht und lehrt am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Wien. Seine Themen sind u.a. Geldtheorie, Steuerpolitik, Finanzstabilität und – spätestens mit seinem FWF-Projekt "Supranationale Delegierung von Klimaschutzpolitiken" – auch die Rettung unseres Klimas. (© Paul Pichler)