Die "letzten Zeugen": Videographierte Erinnerungen

Ab sofort bietet die Universität Wien den Zugriff auf über 50.000 Interviews von ZeitzeugInnen der Shoah mit rund 120.000 Aufnahmestunden an. Am 9. April wird das Visual History Archive (VHA) an der Universität Wien präsentiert.

Die Universitätsbibliothek Wien lizenziert einen Vollzugang zum Visual History Archive (VHA) der University of Southern California Shoah Foundation. Die Interviews der ZeitzeugInnen-Video-Datenbank sind für alle Angehörigen der Universität Wien – Lehrende und Studierende – via VPN ortsunabhängig für Lehr- und Forschungszwecke zugänglich.

Damit unterstützt die Universität Wien die Studierenden und Lehrenden bei ihrer wissenschaftlichen Forschung zu Themen, für die die Inhalte des VHA eine wichtige Rolle spielen. Die videographierte Erinnerung der ZeitzeugInnen wird somit zur Quellensammlung für die Wissenschaft. Durch das Ableben der ZeitzeugenInnen des Nationalsozialismus kommt der im VHA erhaltenen Überlieferung der Überlebenden der Shoah besondere Erinnerungsbedeutung zu.

"Ich begrüße die internationale Kooperation mit der Shoah Foundation der University of Southern California sehr. Die Interview-Sammlung stellt eine wesentliche Quelle für zahlreiche Forschungsprojekte und Lehrveranstaltungen an der Universität Wien dar", sagt Susanne Weigelin-Schwiedrzik, Vizerektorin für Forschung und Nachwuchsförderung an der Universität Wien: "Das Material des VHA ist nicht nur für die zeithistorische Forschung von Interesse, sondern wird sicherlich auch von anderen Disziplinen genutzt." So werde die Oral-History-Methode in historischen Disziplinen genau so zur Anwendung gebracht wie in der Kultur- und Sozialanthropologie, der Theater- Film- und Medienwissenschaft, der Soziologie usw.

Die "letzten Zeugen"


Auch Maria Seissl, der Leiterin der Universitätsbibliothek Wien, war es ein Anliegen, das wichtige Thema der "letzten Zeugen" aufzugreifen und mit den im VHA enthaltenen videographierten Erinnerungen einen Beitrag gegen das Vergessen zu leisten: "Das VHA stellt einen weiteren Schritt für den digitalen Zugang zu Information dar, der sowohl den NS-Opfern und deren Nachkommen als auch der wissenschaftlichen Aufarbeitung und der Erinnerungsarbeit zugutekommt", so Seissl.

"Mit diesem bereits seit langem von Markus Stumpf, dem Leiter der Fachbereichsbibliothek Zeitgeschichte der Universität Wien, angestrebten Zugang zur VHA-Datenbank wird eine wichtige zeithistorische Quelle zugänglich gemacht, die die Forschung am Institut für Zeitgeschichte optimal unterstützt", sagt Johanna Gehmacher, die Vorständin des Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien: "Das VHA ermöglicht weitere Zugänge zu Forschungen über Nationalsozialismus und Holocaust. Es ist wichtig, diese Stimmen hören zu können. Damit einhergehend lassen sich viele Fragen an das Quellenmaterial selbst, aber auch zu schriftlichen und audiovisuellen Erinnerungsformen stellen, wie auch zu Potenzialen und Problemen von Oral History."

Direkter Zugriff auf 120.000 Aufnahmestunden

Ein Großteil der Interviewten sind Überlebende des Holocaust: Jüdinnen und Juden, Homosexuelle, Sinti und Roma, Zeugen Jehovas und politisch Verfolgte. Aber auch andere ZeitzeugInnen wie HelferInnen, RetterInnen, BefreierInnen und ZeugInnen der Befreiung sowie Involvierte in den Kriegsverbrecherprozessen wurden interviewt.

Entstanden ist das Visual History Archive durch eine Initiative des Regisseurs Steven Spielberg. Während der Dreharbeiten zu dem Film "Schindlers Liste" im polnischen Krakau äußerten zahlreiche Holocaust-Überlebende den Wunsch, vor der Kamera über ihre Erinnerungen zu berichten. 1994 begründete Spielberg schließlich ein Projekt und eine gemeinnützige Organisation zur Dokumentation von Zeitzeugenberichten des Holocaust mit dem Ziel, die Schilderungen von Überlebenden und anderen ZeitzeugInnen zu filmen, um die persönlichen Erinnerungen und Lebenswege als Unterrichts- und Ausbildungsmaterial zu bewahren und zugänglich zu machen.

Öffentliche Vorstellung der ZeitzeugInnen-Video-Datenbank

Am Mittwoch, 9. April 2014, können sich Interessierte an der Universität Wien über das Visual History Archive informieren. In einem moderierten Zeitzeugen-Gespräch wird Walter Fantl-Brumlik aus seinem Leben erzählen und über sein im VHA enthaltenes Interview reflektieren. Mit Beispielen zu 1938 vertriebenen Studierenden der Universität Wien sowie anhand von Forschungsfragen zu schriftlichen und audiovisuellen Erinnerungen wird gezeigt, wie die rund 120.000 Stunden Interviews genutzt werden können. (af)

Präsentation des Visual History Archive
Mittwoch, 9. April 2014, 18.00 Uhr
Fachbereichsbibliothek Zeitgeschichte, Universität Wien, 1090 Wien, Spitalgasse 2-4, Hof 1.2 (Campus)
Einladung und Programm (PDF)

Um Anmeldung unter fb-zeitgeschichte.ub(at)univie.ac.at oder T +43-1-4277-167 11 wird gebeten.