Buchtipp des Monats von Thomas Posch

Wir haben den Astronomen Thomas Posch gefragt, welche Bücher er heuer unter den Christbaum legt, und daraus ein weihnachtliches Buchpaket für treue uni:view-LeserInnen geschnürt.

uni:view: Aktuell ist die zweite Auflage Ihres Buchs "Das Ende der Nacht" erschienen. Wie bedenklich sehen Sie als Astronom den "Lichtsmog"?
Thomas Posch: Die zunehmende Erhellung der Nacht durch übermäßiges künstliches Licht ist darum sehr bedenklich, weil sie bei weitem nicht nur die Sterne zum Verschwinden bringt. Denn immer mehr Wissenschaften liefern Belege für die negativen Folgen der Erhellung der Nacht. Die Nacht ist doppelt bedroht: als Erholungsphase der tagaktiven Lebewesen (auch des Menschen – Stichwort Schlafstörungen!) und als ökologische Nische der nachtaktiven Lebewesen. Die meisten Zugvögel ziehen z.B. nachts und werden durch beleuchtete Hochhausfassaden stark gestört, prallen in manchen Ländern zu Tausenden dagegen und sterben. Nachtfalter werden von Licht mit hohen Blauanteilen stark angezogen und verenden milliardenfach jedes Jahr an Straßenlaternen.

uni:view: Gibt es noch dunkle Stellen … ?

Posch: In Europa wachsen die Lichtkuppeln der großen Städte immer mehr zu einem großen Lichtsmog-"Ozean" zusammen, der den ganzen Kontinent überzieht. Kein Wunder, denn Millionenstädte hellen den Himmel noch in mehr als 100 Kilometer Entfernung signifikant auf. Wir haben heute größte Mühe, noch Orte mit natürlichem Nachthimmel zu finden. Dieses Jahr im Sommer ist es mir gelungen: auf der recht abgelegenen kroatischen Insel Lastovo. Aber auch dort ist der Himmel im Süden etwas aufgehellt – durch das 180 Kilometer entfernte Brindisi auf der anderen Seite der Adria (siehe dazu die Fotogalerie auf meiner Website).

uni:view: Unseren LeserInnen empfehlen Sie "Die Wand" von Marlen Haushofer. Warum gerade dieses Buch – was hat Sie beeindruckt?
Posch: Die Lektüre dieses Buches führt auf fesselnde Weise in eine Welt abseits unserer bequemen, technisch geprägten Zivilisation. Mich fasziniert der Überlebenskampf der Ich-Erzählerin in einem abgelegenen Hochtal, wo sie nur von Tieren und einer buchstäblich gewaltigen Natur umgeben ist. Es bleibt zwar bis zum Ende offen, wie die Erzählerin in die Lage gekommen ist, jahrelang in einer Jagdhütte überleben zu müssen, etwa ob eine atomare Katastrophe oder andere Umstände dafür verantwortlich sind. Aber der Fokus liegt auch auf einer anderen, psychologischen Ebene.

uni:view: Fünf Wörter/Gedanken, die Ihnen spontan zu "Die Wand" einfallen?
Posch: Ringen mit sich selbst in der Einsamkeit, Treue eines Hundes, nivellierende Wirkung der Zivilisation, Ausbruchsversuch, Stille.

uni:view: Sie haben den letzten Satz gelesen, schlagen das Buch zu. Was bleibt?

Posch: Der Wunsch, das im Roman Geschilderte zumindest kurzzeitig nachzuerleben: also durch teilweise widrige äußere Umstände, aber auch durch die Naturschönheit, ohne allen liebgewonnen Luxus, ohne die verführerischen Möglichkeiten unserer Zivilisation und Technik, ohne die ständige Präsenz anderer Menschen, zu sich selbst zu finden. Zurück bleibt sogar ein gewisses Glücksgefühl, mitten in Europa in einem Land zu leben, das immer noch weite Flächen wilder Natur bietet, wo also ein vorübergehendes Abstandnehmen von der städtischen "Massenexistenz" relativ leicht möglich ist. Als Vorbild für die in der "Wand" von Haushofer beschriebene Landschaft gilt ja eine Schlucht im Bereich des heutigen Nationalparks Kalkalpen.




GEWINNSPIEL:

Das Gewinnspiel ist bereits verlost. Doch die gute Nachricht: In der Universitätsbibliothek stehen die Bücher interessierten LeserInnen zur Verfügung.

1 x "Das Ende der Nacht. Lichtsmog: Gefahren – Perspektiven – Lösungen" von Thomas Posch, Franz Hölker, Thomas Uhlmann, Anja Freyhoff (Hrsg.). Wiley-VCH Verlag, 2013.
1 x "Die Wand" von Marlen Haushofer. List Taschenbuch.



Mag. DDr. Thomas Posch, Privatdoz. lehrt und forscht am Institut für Astrophysik der Universität Wien. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen u.a. Astromineralogie, Langzeit-Messungen der Nachthimmelshelligkeit und Geschichte der Astronomie.