Buchtipp des Monats von Petra Bernhardt und Karin Liebhart
| 18. September 2020In Wahlkampfzeiten sind klare Botschaften und eine einprägsame Ästhetik besonders wichtig. Die beiden Politikwissenschafterinnen Petra Bernhardt und Karin Liebhart haben in ihrer neuesten Publikation die Rolle von Bildern in Wahlkämpfen analysiert.
uni:view: Sie haben gemeinsam die Publikation "Wie Bilder Wahlkampf machen" verfasst. Was ist das Anliegen Ihres Buchs?
Petra Bernhardt und Karin Liebhart: In der politischen Kommunikation haben Bilder eine zweifache Funktion, sie machen Personen, Ereignisse und Themen sichtbar und sie aktivieren Vorstellungen, da materielle Abbilder stets mentale Bilder abrufen. Durch die Wiederholung und Akzentuierung von Motiven können Bilddeutungen verfestigt werden, es wird damit aber auch Agenda Setting und Impression- bzw. Image Management betrieben. Aufgrund ihrer assoziativen Logik können Bilder Inhalte vermitteln, die verbal nicht so gut kommunizierbar sind. Das macht sie für die politische Kommunikation interessant – nicht nur in Wahlkampfzeiten, wo klare Botschaften und eine einprägsame Ästhetik besonders wichtig sind. Ohne Bilder ist politische Kommunikation generell nicht vorstellbar.
Die Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahren grundlegend geändert: Wir können auf eine Vielzahl von traditionellen Medien und natürlich auch Sozialen Medien zugreifen. Umso wichtiger ist die Ausbildung einer politischen Bildkompetenz, die visuelle Kommunikation nicht als Illustration von Text versteht, sondern als eigenständigen Bedeutungsträger analysiert. Dazu soll dieses Buch einen Beitrag leisten.
uni:view: Sind Ihrer Meinung nach visuelle Botschaften in Wahlkämpfen einprägsamer als verbale, wie etwa Slogans?
Bernhardt und Liebhart: Bilder werden schneller und mit geringerer kognitiver Anstrengung wahrgenommen und verarbeitet als textbasierte Informationen, sie werden leichter erinnert und sie weisen ein höheres Aktivierungspotenzial auf. Dieser sogenannte "picture superiority effect" führt vor allem bei einem wenig involvierten Publikum dazu, dass in der politischen Kommunikation verstärkt auf visuelle Signale geachtet wird. Dazu kommt eine tendenziell stärkere Glaubwürdigkeit nonverbaler Informationen. Bilder lassen sich auch nicht durch Argumente entkräften, sondern allenfalls durch alternative Bilder.
Bilder begegnen uns in der politischen Kommunikation jedoch kaum isoliert, stattdessen werden Mischformen aus Bild, Text und Ton in einem Zusammenspiel wahrgenommen und erfasst. Und die Bedeutung erschließt sich vor allem auch aus dem jeweiligen Kontext.
uni:view: Das Buch enthält mehrere Beispiele aus Wahlkämpfen der letzten Jahre. Was waren die wesentlichsten Veränderungen?
Bernhardt und Liebhart: Wahlkämpfe werden heute in einer Form geführt, die Online- und Offlinekommunikation miteinander verbindet. Für Parteien und Politiker*innen ergeben sich dadurch vielfältige Möglichkeiten der Zielgruppenansprache und selbstverständlich auch der Verbreitung von Bildmaterial. Bilder werden – wie beispielsweise im Bundespräsidentschaftswahlkampf 2016 von Alexander Van der Bellen – in eine biografische Erzählung eingebunden, um Kandidat*innen mit ihren Eigenschaften, Positionen und Zielen zu präsentieren. In Sozialen Netzwerken wiederum beteiligen sich User*innen an der Diskussion um den Wahlkampf, teilen und kommentieren Bilder oder verändern sie, um daraus eigene Botschaften in Meme-Form zu machen.
Das Gewinnspiel ist bereits verlost. Doch die gute Nachricht: In der Universitätsbibliothek stehen die Bücher interessierten LeserInnen zur Verfügung:
1 x "Wie Bilder Wahlkampf machen" von Petra Bernhardt und Karin Liebhart
1 x "Demagogue für President: The Rhetorical Genius of Donald Trump" von Jennifer Mercieca (derzeit nicht verfügbar)
uni:view: Welches Buch empfehlen Sie unseren Leser*innen?
Bernhardt und Liebhart: Wir möchten das Buch "Demagogue für President: The Rhetorical Genius of Donald Trump" der Autorin Jennifer Mercieca empfehlen, das 2020 erschienen ist.
uni:view: Einige Gedanken, die Ihnen spontan zu diesem Buch einfallen?
Bernhardt und Liebhart: Die Autorin beschäftigt sich mit sechs rhetorischen Strategien, die Donald Trump während seiner Präsidentschaftskampagne verwendet hat. Anhand zahlreicher Beispiele aus Trumps Auftritten geht sie der Frage nach, warum diese Strategien so erfolgreich waren.
uni:view: Sie haben den letzten Satz gelesen, schlagen das Buch zu. Was bleibt?
Bernhardt und Liebhart: Donald Trumps Sprache wird oft als lächerlich abgetan. Dadurch wird ihr Gefahrenpotenzial unterschätzt. Jennifer Mercieca macht deutlich, dass genaues Hinhören und Hinschauen notwendig sind, um vermeintlich Banales verstehen zu können.
Petra Bernhardt und Karin Liebhart forschen und lehren am Institut für Politikwissenschaft der Fakultät für Sozialwissenschaften an der Universität Wien. Beide Wissenschafterinnen sind Mitglieder der Forschungsgruppe Visual Studies in den Sozialwissenschaften.