Briefe im Universitätsarchiv führen zu Klimt-Gemälde
| 01. März 2018Briefe aus dem Archiv der Universität Wien sorgten in den letzten Tagen für Aufregung: Sie enthielten Hinweise zu einem Klimt-Gemälde, das der Forschung bisher völlig unbekannt war. Thomas Maisel, Leiter des Universitätsarchiv, berichtet für uni:view über die Hintergründe.
Im Archiv der Universität Wien werden fünf Briefe des Malers Gustav Klimt verwahrt, welche mit dem Nachlass des Botanikers Anton Kerner von Marilaun (1831-1898) dorthin gekommen sind. Der Kurator der Österreichischen Galerie Belvedere Markus Fellinger stellte bei der Einsichtnahme im Universitätsarchiv fest, dass Anton Kerner dem Maler Gustav Klimt, dessen Todestag sich heuer zum hundertsten Mal jährte, 1891 den Auftrag für ein Bildnis seiner Ehefrau erteilt hatte. Alle fünf Klimt-Briefe stehen mit dieser Auftragsarbeit in Zusammenhang.
Das Erstaunliche daran: Bei dem fraglichen Gemälde handelt es sich um ein Frühwerk des Malers, das bisher der Forschung völlig unbekannt war. Dem Belverdere-Kurator gelang es nach intensiver Recherche, das Gemälde in Privatbesitz ausfindig zu machen. Es wird ab 1. März 2018 als temporäre Leihgabe im Oberen Belverdere im Rahmen der Neuaufstellung der Schausammlung präsentiert.
Im Auftrag von Anton Kerner
Anton Kerner von Marilaun zählt zu den bedeutendsten österreichischen Botanikern des 19. Jahrhunderts und war ein Pionier der Evolutionsforschung – er stand unter anderem auch mit Charles Darwin in schriftlichem Kontakt. 1878 wurde er Professor an der Universität Wien und Direktor des Botanischen Gartens. Zehn Jahre nach seinem Tod wurde ihm 1908 ein Denkmal im Arkadenhof der Universität Wien gewidmet.
Kerner war bereits mit 29 Jahren an die Universität Innsbruck berufen worden und heiratete als junger Universitätsprofessor 1862 die verwitwete Gräfin von Wolkenstein, Marie Ebner von Rofenstein (1835-1919). Ihr Bruder Viktor Ebner von Rofenstein, ein Mediziner, war später ebenfalls Professor an der Universität Wien. Die Tochter des Ehepaares, Adele, welche später den Nachfolger auf Kerners Wiener Lehrstuhl Richard Wettstein (1863-1931) ehelichte, hatte anscheinend künstlerische Ambitionen und nahm gemeinsam mit ihrem Bruder bei Gustav Klimt Malunterricht.
Ein Brautbild mit Änderungswünschen
Aufgrund von Adeles Vermittlung erhielt Klimt den Auftrag von Kerner für ein Brautbild seiner Ehefrau Marie. Als Vorlage diente eine kolorierte Fotografie. Wie aus den Briefen Klimts erschlossen werden kann, war Kerner mit dem Ergebnis zunächst nicht ganz zufrieden und beanstandete unter anderem offenbar eine zu geringe Farbintensität. Klimt war bemüht, den Änderungswünschen so weit als möglich gerecht zu werden – mit Erfolg, wie aus dem letzten der fünf Briefe geschlossen werden kann.
Brief von Gustav Klimt an Anton Kerner von Marilaun vom 25.11.1891 im Archiv der Universität Wien: "Hochgeehrter Herr Hofrath! / Aus einem Schreiben Ihrer gnädigen Frau Tochter erfahre ich, dass Herr Hofrath die Absicht haben, von mir ein Bild Ihrer geehrten Frau Gemalin anfertigen zu lassen. (…)"
Der Rest ist Geschichte
Etwas mehr als zwei Jahre nach der Fertigstellung dieses Bildes erhielt Klimt – gemeinsam mit Franz Matsch – vom Unterrichtsministerium den Auftrag zur Herstellung der Deckenbilder im Großen Festsaal der Universität. Der Rest ist, wie man so sagt, Geschichte, nämlich die eines der größten Kunstskandale Österreichs. Anton Kerner hat dies 1891 sicherlich nicht ahnen können, sein Schwager Viktor Ebner von Rofenstein, der Bruder der Porträtierten, befand sich jedoch später im Zentrum des Geschehens: Er war Mitglied im Kunstausschuss der Universität ("Artistische Kommission"), der sich 1904/05 gegen eine probeweise Anbringung der Fakultätsbilder im Großen Festsaal aussprach. Wie sich erweisen sollte, ist es dabei geblieben; erst hundert Jahre später haben die Fakultätsbilder als Reproduktionen in den Großen Festsaal Eingang gefunden.
HR Mag. Thomas Maisel MAS ist Leiter des Universitätsarchivs und kümmert sich u.a. um die Überlieferungsbildung, wissenschaftliche Publikationen, universitätsgeschichtliche Sammlungen und digitale Services.