10.000 GeowissenschafterInnen in Wien

Wien im Zeichen der "Earth, Planetary and Space Sciences": Rund 10.000 GeowissenschafterInnen aus 90 Nationen nehmen an der Hauptversammlung der Europäischen Geowissenschaftlichen Union teil – darunter ForscherInnen der Universität Wien. Hermann Häusler erzählt von der "Geo-Tagung der Superlative".

"Global Change Research in Mountain Regions": Mit diesem Thema leitete das Mountain Research Institute (MRI) der Universität Bern mit einem Workshop am Samstag, 21. April 2012, die internationale geowissenschaftliche Tagung ein, die noch bis 27. April im Austria Center Wien (ACV) über die Bühne geht. Ziel der Veranstaltung ist es, GeowissenschafterInnen aus aller Welt und allen erdwissenschaftlichen Disziplinen zusammenbringen. Die Tagung bietet vor allem auch jungen ForscherInnen ein Forum, ihre Arbeiten und Ideen mit ExpertInnen zu diskutieren.

Die Wissenschaft von der Erde

In den Geowissenschaften dreht sich alles um den Planeten Erde. Da hier sehr interdisziplinär gearbeitet wird, gibt es enge Verbindungen zu den Nachbarfächern und viele Disziplinen, die eine hohe Umweltrelevanz besitzen. Im angloamerikanischen Sprachraum kennt man das Fach als "Earth Sciences" bzw. "Geosciences" – damit sind definitionsgemäß alle Wissenschaften gemeint, die sich der Erforschung unseres Planeten widmen.

Die Europäische Geowissenschaftliche Union (EGU)

Die EGU selbst wurde im Jahr 2002 durch den Zusammenschluss der European Geophysical Society und der European Union of Geosciences gebildet. Sie fördert die interdisziplinäre Forschung auf den Gebieten der Geowissenschaften und die Kooperation zwischen den Disziplinen.

Dass die Generalversammlung heuer schon zum achten Mal in Wien tagt, liegt einerseits an der bewährten Organisation und zum anderen an den idealen Voraussetzungen des Wiener Austria Centers, das über Posterhallen und insgesamt 1.500 Posterflächen verfügt – was bei einem täglichem Posterwechsel eine einwöchige Gesamtpräsentation von über 7.500 Beiträgen ermöglicht.

Vielfalt interdisziplinärer und angewandter Geowissenschaften


Die diesjährige Tagung umfasst 26 Programmgruppen, deren Ankündigung allein 150 Seiten im handlichen Tagungsprogramm einnimmt. Für die insgesamt 530 Sessions, die von über 1.600 ForscherInnen geleitet werden, wurden mehr als 14.000 Abstracts eingereicht, die alle TagungsteilnehmerInnen bei der Registrierung auf einem Stick überreicht bekommen. Zusätzlich finden 200 sogenannte "Side Events" und "Splinter Sessions" statt.

Vom Risikomanagement von Naturgefahren, dem Einfluss von historischen Klimaveränderungen auf Migrationsbewegungen über Steinschläge und Steinlawinen bis hin zu neuen Erkenntnissen im Bereich Monitoring nuklearer Explosionen – inhaltlich spiegeln die Tagungsthemen die Schwerpunkte geowissenschaftlicher Forschung wider. Das sind Methodenentwicklung, Prozessanalyse, Modellierung und Prognose der Interaktionen zwischen Atmo-, Bio-, Pedo-, Hydro- und Lithosphäre des Systems Erde unter Einbeziehung des anthropogenen Einflusses – im Gegensatz etwa zu den Umweltsystemwissenschaften bzw. einer Systemwissenschaft, die das Erd-System als komplexes kybernetisches Modell behandelt.

10.000 GeowissenschafterInnen, eine Tagung

Mehrere Tausend WissenschafterInnen eine Woche lang zu betreuen, erfordert einiges an Organisationsaufwand – mittlerweile perfektioniert durch den Open Access-Verlag Copernicus, der seit 1988 auch wissenschaftliche Konferenzen organisiert. Für den reibungslosen Ablauf sorgen 100 MitarbeiterInnen, darunter auch höhersemestrige Studierende des Erdwissenschaftlichen Zentrums der Universität Wien, die tatkräftig mithelfen und dabei Erfahrungen in der Konferenzorganisation sammeln.


Auf fünf Stöcken mit 60 unterschiedlich großen Hörsälen finden im Austria Center nicht nur die zahlreichen aus aller Welt angereisten GeowissenschafterInnen, sondern auch ca. 80 Aussteller Platz: etwa Hersteller geowissenschaftlicher Geräte, VertreterInnen geowissenschaftlicher Gesellschaften sowie Verlage – von "A" wie American Geophysical Union bis "W" wie Wiley Blackwell.



Ganz billig ist die Teilnahme an solch einer Tagung auch für Mitglieder der EGU nicht, aber die Möglichkeit, FachkollegInnen aus der ganzen Welt zu treffen, ist eine große Chance, und wer das Gesprächsklima bei den Postersessions zur Zeit der sogenannten Attendance Time – täglich von 17.30 bis 19.30 Uhr – miterlebt hat, will diesen intensiven und interaktiven Gedankenaustausch nicht missen.
    
Beiträge der Universität Wien

Von der Universität Wien nehmen heuer ungefähr 70 WissenschafterInnen der Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie aktiv an der EGU-Tagung teil – etwa vom Department für Geodynamik und Sedimentologie, dem Department für Lithosphärenforschung sowie dem Department für Umweltgeowissenschaften.


Allein vom Department für Umweltgeowissenschaften wurden sieben Beiträge eingereicht. Es handelt sich dabei um Forschungsergebnisse, die auch im Rahmen von Diplom- und Masterarbeiten erzielt wurden. Im Bild beispielsweise das Poster "Chronology of glacial and periglacial deposits in front of the 1850 moraine of the Goldberg-Glacier, Sonnblick area (Salzburg/Austria)" (AutorInnen: M. Bichler, M. Reindl, H. Häusler & J. M. Reitner).



Ao. Univ.-Prof. Dr. Hermann Häusler lehrt und forscht am Department für Umweltgeowissenschaften der Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie.