Zwischen Strahlenzauber und gefährlicher Strahlung
| 12. November 2012Wie wirkt sich naturwissenschaftliche Praxis auf unsere Sprache und unsere Vorstellung von der Welt aus? Vom 15. bis 17. November veranstaltet das Institut für Germanistik der Universität Wien eine Tagung zum Thema "Strahlen sehen – Zu einer Ästhetik des Emanativen".
Die Entdeckung der Röntgenstrahlung und die der radioaktiven Strahlung förderte um 1900 das Entstehen einer interdisziplinären Ästhetik des Emanativen, deren verschiedene Aspekte während der Tagung diskutiert werden. "Die Konfrontation unterschiedlichster Disziplinen schafft die Voraussetzung für neue Blickwinkel", meint Rebecca Schönsee vom Institut für Germanistik, die gemeinsam mit ihrem Kollegen Roland Innerhofer, Professor für Neuere Deutsche Literatur, die internationale Tagung organisiert hat. Die Germanistin hält einen Vortrag zum Thema "Chemotaxen. Vom Index zum Implex. Zur Ambivalenz des Heiligen bei Hofmannsthal".
Strahlende Eröffnung
Eröffnet wird die Tagung am 15. November im Marietta-Blau-Saal im Hauptgebäude der Universität Wien mit einem einführenden Gespräch unter der Teilnahme der beiden OrganisatorInnen sowie mehrerer international tätiger WissenschafterInnen, die auf dem Gebiet eine Vorreiterfunktion einnehmen – wie beispielsweise der deutsche Kunsttheoretiker Christoph Asendorf, dessen "Ströme und Strahlen" ein grundlegendes Werk sei, so Schönsee. Des Weiteren wird der Astrophysiker Manuel Güdel von der Universität Wien die Runde bereichern. "Die Tagung erkundet, wie in der gegenseitigen Anverwandlung von wissenschaftlicher Theorie und künstlerischer Einbildungskraft immer wieder neu verhandelt wird, was möglich und was unmöglich ist", so Roland Innerhofer. Im Anschluss an die Diskussion findet daher eine digitale Tanzperformance der Künstlerin Alva Morgenstern unter dem Titel "Aurora Digitals" statt.
Die Veranstaltung findet im Marietta-Blau-Saal (im Bild) der Universität Wien statt. Marietta Blau studierte von 1914 bis 1918 an der Universität Wien Physik und Mathematik und promovierte anschließend. Sie beschäftigte sich mit der fotografischen Methode zum Nachweis einzelner Teilchen und wurde für die Entdeckung der "Zertrümmerungssterne" bekannt, bevor sie 1938 emigrieren musste. |
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Mystik, Luzidität, Felder der Sensitivität …
Der 16. November ist für Einzelvorträge reserviert, wobei sich jeweils zwei Vortragende zu einem Themenkomplex äußern werden. Innerhofer betont dabei, dass "in der veränderlichen Vorstellung der Strahlen und des Strahlens" die Bereiche Naturwissenschaft, Ästhetik und Metaphysik erstaunlich eng ineinander verwoben seien. Davon ausgehend beginnt die Erkundung des Bedeutungsfeldes mit Vorträgen zur Mystik. Niklaus Largier, Professor für Deutsche Literatur und Komparatistik an der University of Berkeley, macht hier den Anfang mit "Ästhetische Spekulationen: Emanation, Askese, Spiegelung" und wird von Johannes Keller von der Universität Wien mit "Strahlen: Vom Schöpfungsakt zur Mystik" abgelöst.
Der nächste Block unter dem Titel "Luzidität: Ströme und Strahlen um 1900" wird zunächst mit einem Vortrag des Gastgebers Innerhofer eingeleitet. Bei ihm geht es um die "Psychophysik der Strahlen", und Christoph Asendorf, Professor für Kunst und Kunsttheorie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder, hält einen Vortrag zum Thema "Gläserne Kette".
… Okkultismus, Literatur und frühes Kino
Hans Richard Brittnacher, Freie Universität Berlin, begibt sich in seinem Vortrag in die Niederungen des Okkultismus und Spiritismus in dem Werk "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge" von Rainer-Maria Rilke. Auch im frühen Kino finden sich gute Beispiele für die Allianz zwischen Naturwissenschaft, Metaphysik und Esoterik im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Hierzu hält Filmwissenschafter und Schriftsteller Thomas Ballhausen einen Vortrag mit dem Titel "Attraktion und Täuschungsvertrag: Röntgen im Kontext des Frühen Kinos". Im Anschluss daran ertönt eine "Klangperformance" von Franz Koglmann.
Das Erhabene der Strahlen
Schließlich befassen sich die letzten beiden Vortragenden Stefan Neuer, Kunstwissenschafter aus Basel und Karin Harasser, Professorin für Techniktheorie und -geschichte an der HBK Braunschweig, mit dem Erhabenen, das von Strahlen als Gefahr einerseits und Zauber andererseits ausgeht. Abgeschlossen wird die Tagung am Samstag, den 18. November, mit einer Podiumsdiskussion, bei der auch der Namensgeberin des Veranstaltungsorts, der Strahlenforscherin Marietta Blau – sie beschäftigte sich mit der Physik der Röntgenstrahlung und musste 1938 aus Österreich emigrieren – gedacht wird. (emi)
Internationale Tagung "Strahlen sehen - Zu einer Ästhetik des Emanativen"
Donnerstag, 15. November bis Samstag, 17. November 2012
Hauptgebäude der Universität Wien, Marietta-Blau-Saal
Universitätsring 1, 1010 Wien
Information und Programm (PDF)