Physik mit strahlender Vergangenheit

Anfang Mai 2012 öffnete das Museum für Geschichte der Physik in Schloss Pöllau bei Hartberg (Steiermark) zum dritten Mal seit Bestehen die Pforten. Die Universität Wien ist dort mit der "Sammlung Radiuminstitut" sowie Teilen der Sammlung des ehemaligen I. und II. Physikalischen Instituts vertreten.

Unter dem Namen "echophysics – Europäisches Zentrum für Physikgeschichte" beherbergt das Barockschloss Pöllau im Zentrum des gleichnamigen Markts eine bis Ende November geöffnete Sammlung von sensationellen Exponaten zur Geschichte der Physik. Zu besichtigen sind kostbare Messinstrumente und andere Geräte von physikhistorischer Relevanz: Leihgaben verschiedener Forschungseinrichtungen wie der Universität Wien, der TU Graz, dem Institut für Weltraumforschung der ÖAW sowie privater Sammler.

Etwa ein Viertel des Museumsbestands macht die Sammlung historischer Instrumente des ehemaligen "Radiuminstituts" aus. Dieses wurde 1910 als "Institut für Radiumforschung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften" in der Boltzmanngasse 3 im 9. Wiener Gemeindebezirk eröffnet und war die erste Forschungseinrichtung der Welt, die sich der physikalischen Erforschung des Elements Radium widmete.

Bewegte Geschichte eines Instituts: Von 1910 bis 1945 ...

Bereits im ersten Jahrzehnt seines Bestehens wurden am Radiuminstitut unter der Leitung von Stefan Meyer beachtliche Ergebnisse im Bereich der Radioaktivitätsforschung erzielt. Die Entdeckung der kosmischen Strahlung durch Viktor Hess, die sich heuer zum 100. Mal jährt – das Museum für Geschichte der Physik würdigt dieses Jubiläum in der Ausstellung "Strahlung – der ausgesetzte Mensch" – und die Entwicklung und Anwendung der Methode der radioaktiven Tracer wurden später mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.


Stefan Meyer 1908 (Foto: Archiv Österr. Zentralbibliothek für Physik in Wien)



In den 1920er Jahren wandten sich die Forscher des Instituts künstlich herbeigeführten Kernreaktionen zu. Aus den Ergebnissen zog man Schlüsse auf den Ablauf der beobachteten Reaktionen und die Struktur der Kerne; Methoden zum Nachweis der ausgesendeten Teilchen mussten entwickelt werden. 1938 wurden viele der Wissenschafter durch das Naziregime vom Radiuminstitut vertrieben. Dieses wurde Teil eines "Vierjahresplan-Instituts für Neutronenforschung".

... und von 1945 bis 2012

Nach 1945 wurden am Radiuminstitut Kernreaktionen erforscht, die von Neutronen ausgelöst werden. Die Resultate sind wesentlich für die Auswahl von Strukturmaterialien, z. B. im Reaktorbau, und für die Produktion von Radioisotopen zur medizinischen Anwendung. Weiters wurde eine Anlage zur Radiokarbondatierung aufgebaut.

Berta Karlik, Institutsvorstand von 1945 bis 1974, wurde 1955 als Inhaberin einer neuen Lehrkanzel für Kernphysik die erste ordentliche Professorin der Philosophischen Fakultät der Universität Wien. Das "Institut für Radiumforschung und Kernphysik" war nun nicht nur Institut der ÖAW, sondern auch der Universität Wien. 1987 rief die ÖAW ein Institut für Mittelenergiephysik anstelle jenes für Radiumforschung und Kernphysik ins Leben; letzteres blieb als Universitätsinstitut bestehen.


Physikerin Berta Karlik (Foto: Archiv Österr. Zentralbibliothek für Physik in Wien)



1996 wurde an einem neuen Standort (Wien 9, Währingerstraße 17) ein Teilchenbeschleuniger installiert, mit dessen Hilfe massenspektrometrisch Spurenelemente bestimmt werden können. Das Radiuminstitut wurde 2000 in "Institut für Isotopenforschung und Kernphysik" umbenannt; Ende 2004 wurde es aus dem historischen Gebäude in der Boltzmanngasse 3 abgesiedelt und zur Gänze in der Währingerstraße 17 untergebracht. Nach Strukturveränderungen an der neuen Fakultät für Physik wurde das Institut 2007 in zwei Forschungsgruppen für die Bereiche Isotopenforschung und Kernphysik umgewandelt.

Zur historischen Sammlung des Instituts für Radiumforschung

Etwa 150 der historischen Instrumente des Radiuminstituts sind seit 2010 im Museum für Geschichte der Physik in Schloss Pöllau ausgestellt. Die Stücke stammen zum Großteil aus der Urausstattung des Radiuminstituts, also aus dem Jahr 1910; dasselbe gilt für die historischen Schränke und Tische, die zur Schaustellung der Objekte herangezogen wurden. All diese Gegenstände waren ursprünglich im Besitz der ÖAW und wurden in das Eigentum der Universität Wien übertragen, als die ÖAW die Existenz ihres Instituts für Radiumforschung und Kernphysik beendete.



Ionisationskammer, verwendet bei Studien der Höhenstrahlung (Foto: B. Strohmaier)



Geladene Teilchen werden mit elektrischen Methoden nachgewiesen; das Radiuminstitut verfügte daher über eine große Zahl von Ladungs- und Strommessgeräten. Instrumente zur Messung von Temperatur, Druck, Dichte, Längen und Flächen waren ebenso unentbehrlich wie hochpräzise Waagen. Optische Geräte dienten der Analyse von Röntgenstrahlung und sichtbaren Spektren sowie mikroskopischen Untersuchungen. An Mineralien wurden Strahlungseinflüsse studiert.


Den Aufbau der "Sammlung Radiuminstitut" besorgten Brigitte Strohmaier und Alfred Chalupka, die 1971 bis 1974 am Radiuminstitut dissertierten und ihre Berufstätigkeit an diesem Institut ausübten. Von ihnen wurden die Instrumente in einem Katalog "Die Sammlung Radiuminstitut Wien im Museum für Geschichte der Physik im Schloss Pöllau bei Hartberg" (Verlag αβ self, Wien 2011) beschrieben. (Foto: F. Pichler)



echophysics – Europäisches Zentrum für Physikgeschichte

Ausstellungsräume Schloss Pöllau
Schloss 1, 8225 Pöllau b. Hartberg/Steiermark, Österreich
Ausstellung: "Strahlung – der ausgesetzte Mensch"

Literaturtipp:

B. Strohmaier, A. Chalupka: Die Sammlung Radiuminstitut Wien im Museum für Geschichte der Physik im Schloss Pöllau bei Hartberg.
Verlag alfa beta self, Wien 2011. ISBN 978-3-200-02322-2

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