Stinkender Riese aus dem Regenwald der Österreicher blüht
Redaktion (uni:view) | 18. Oktober 2012Im Botanischen Garten der Universität Wien, versteckt hinter den Kulissen, ist das seltene und spektakuläre Dracontium pittieri aus der Aronstabfamilie – der "Stinkende Riese" – in Blüte gekommen, ein sowohl in der Natur als auch in Sammlungen seltenes Ereignis.
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"Gefährlich", so ein Blick aus der Nähe – denn der "Duft" ist buchstäblich umwerfend: Während der mehrere Tage dauernden Blüte entströmt dem Blütenstand des Dracontium pittieri ein sehr unangenehmer, stechender Geruch. Der beeindruckende Blütenstand sitzt auf einem über 1,5 Meter langen Stiel und fällt vor allem durch das bis zu 50 cm lange, tütenförmige Hochblatt auf, das dunkel-rotbraun gefärbt ist und sich nach vorne hin öffnet. Zusammen mit der für Blumen ungewöhnlichen Farbe werden Aasfliegen und Mistkäfer angelockt, die als Bestäuber dienen. Der Name Dracontium (vom lateinischen "draco" für Drache, Echse) bezieht sich auch auf dieses eigentümliche Erscheinungsbild während der Blüte.
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Aber auch außerhalb der Blütezeit ist diese Riesenstaude imposant. Der mehrere Kilogramm schweren Knolle entspringt nur ein einziges, riesiges Blatt, das bis zu drei Meter Höhe und zweieinhalb Meter Durchmesser erreichen kann, dabei aber so stark zerteilt ist, dass es an ein kleines Bäumchen erinnert. Dieser Eindruck wird noch durch den auffällig gezeichneten und dreidimensional skulpturierten Blattstiel verstärkt, der dichten Moos- und Flechtenbewuchs imitiert. Dadurch werden potenzielle Fressfeinde abgeschreckt, die sonst das einzige Blatt zerstören könnten.
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Ganz am Boden des Blütenstandes von Dracontium pittieri sitzen auf einem kleinen Kolben dicht gedrängt die eigentlichen, unauffälligen Blüten. Der Stinkende Riese wächst ausschließlich im regenreichen Südwesten Costa Ricas in lichten Wäldern, an Flussufern oder vom Menschen geöffneten Stellen. Das Exemplar, das zurzeit im Botanischen Garten blüht, wurde dort im Regenwald der Österreicher – einem mit österreichischen Spendengeldern unter Schutz gestellten Urwaldgebiet – von den Leitern der dortigen Tropenstation "La Gamba" der Universität Wien, Werner Huber und Anton Weissenhofer, gesammelt.
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Nun wird die Pflanze im Warmhaus des Botanischen Gartens der Universität Wien kultiviert, wo sie nach mehreren Jahren Pflege erstmals Blühgröße erreicht hat. Sie ist hier Teil der großen, von David Prehsler (im Bild) zusammengetragenen Sammlung an Aronstabgewächsen (Araceae), die eine der vielfältigsten Europas ist. Neben bekannten Zimmerpflanzen wie dem Fensterblatt Monstera und den Unverwüstlichen Dieffenbachia und Epipremnum (meist als Efeutute bekannt) sind es hier vor allem die unbekannten Arten und Gattungen an denen geforscht wird.
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Mit mehr als 3.000 Arten eine mittelgroße Pflanzenfamilie, zeichnen sich die Aronstabgewächse (Araceae) durch eine unglaubliche Vielfalt an Anpassungen vor allem im Blütenbereich aus. Neben gewohnt hübschen und wohlriechenden Blumen wie Flamingoblume (Anthurium, im Bild) und Calla (Zantedeschia) gibt es etliche, die in Anpassung an Fliegen und Käfer sehr ungewöhnliche Blumen hervorbringen. Da diese Insektengruppen Kadaver und Dung als Brutplatz für ihre Larven aufsuchen, imitieren die Pflanzen diese und bilden braune, dunkelrote oder fast schwarze Hochblätter, teils mit Haaren und Furunkeln besetzt, und stinken oftmals bestialisch. Natürlich bleibt der Erfolg nicht aus, die Insekten werden angelockt, legen auch ihre Eier ab (wobei die schlüpfenden Larven dann allerdings verhungern müssen) und übertragen dabei den Pollen.
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Die außergewöhnlichen Anpassungen dieser Blütenstände sind seit 2009 Gegenstand des FWF-Forschungsprojekts "Evolution und Funktionalisierung der Kesselfallenblumen bei den Aronstabgewächsen" am benachbarten Fakultätszentrum für Biodiversität. Dazu Projektmitarbeiter David Bröderbauer (re. im Bild, li.: Diplomand Florian Etl): "Wie Dracontium locken auch viele andere Arten dieser Familie Aasfliegen und Mistkäfer mit üblen Gerüchen an. Der Eiablageplatz wird von den Pflanzen aber nur vorgetäuscht. Damit die Insekten nach Entlarvung des Betrugs den Blütenstand nicht sofort wieder verlassen, werden sie von einigen Arten sogar vorübergehend im Blütenkessel eingesperrt und erst wieder freigelassen, nachdem die Bestäubung erfolgt ist." (Fotos: R. Hromniak/Universität Wien, außer 5: Wikimedia)