Sommerpost: Archäologisches Inselhüpfen
Gastbeitrag von Marion Meyer | 26. August 2011Im Juli 2011 waren zwölf Studierende unter der Leitung von Marion Meyer und Sven Schipporeit vom Institut für Klassische Archäologie auf Exkursion in Griechenland. Die Ziele waren archäologische Stätten und Museen auf den Inseln Samos, Kalymnos, Kos und Rhodos. Während Samos als besonders eindrucksvolles Beispiel für einen griechischen Stadtstaat des siebten und sechsten Jahrhunderts v. Chr. gilt, sind die wichtigsten Inseln des Dodekanes ein Paradebeispiel für Zentren griechischer Kultur im vierten bis ersten Jahrhundert v. Chr.

Für die Anfänge der griechischen Marmorarchitektur und der griechischen Marmorskulptur ist Samos – neben den Kykladen – der wichtigste Ort. In der Diskussion um frühe Kultbauten kommt dem unweit des antiken Siedlungszentrums gelegenen Heiligtum der Göttin Hera eine Schlüsselrolle zu. Der Göttin wurden Weihgeschenke aus dem gesamten Mittelmeerraum dargebracht. Ein großer Teil davon ist im Museum des modernen Hauptortes Vathy zu besichtigen. Ein neues Museum, das die im Stadtbereich des antiken Samos geborgenen Zeugnisse aufnimmt, wurde 2010 in Pythagorio eröffnet. Im Bild erläutert Jan-Marc Henke vom Deutschen Archäologischen Institut die komplizierte Baugeschichte der insgesamt vier für die Göttin Hera erbauten Tempel.

Der fünf Meter große Kouros, das Standbild eines Mannes, wurde um 580 v. Chr. im Heiligtum aufgestellt, noch bevor der erste monumentale Tempel errichtet wurde.

Die Samier mussten 440 v.Chr. auf Befehl der Athener ihre imposante Stadtmauer schleifen, bauten sie aber später wieder auf. Von der rund sechs Kilometer langen Trasse sind einige Abschnitte gut erhalten und lassen Unterschiede der Konstruktionsweise erkennen.

Die Datierung und Interpretation der Bauten auf der Akropolis von Samos gaben den TeilnehmerInnen Anlass zu intensiven Diskussionen. Weiter ging die Exkursion auf die Dodekanes-Insel Kalymnos: 2009 eröffnete dort das Archäologische Museum. Die ausgestellten Marmorvotive aus dem Heiligtum des Apollon Dalios und die aus dem Meer geborgenen spektakulären Bronzefiguren sind alle noch unpubliziert. An diesem neuen Material konnten die in der Vorbereitungsübung erworbenen Kompetenzen in der Analyse hellenistischer Plastik praktiziert werden. Leider war – wie auch in dem neuen Museum von Pythagorio (Samos) – das Fotografieren verboten.

Kos, die Heimat des Hippokrates, war der Sitz einer berühmten Ärzteschule. Die bedeutendste archäologische Stätte ist das Heiligtum des Heilgottes Asklepios, das vier Kilometer südlich der Stadt Kos in einem Zypressenhain lag und sich über drei Terrassen erstreckte. Hierhin kamen viele PilgerInnen zum Heilschlaf. Bei der beeindruckenden Aussicht von der obersten Terrasse des Asklepiosheiligtums (bis zum kleinasiatischen Festland) drängte sich die Frage auf, seit wann in der Antike Ausblicke in die Landschaft bei der Planung von Architektur einbezogen wurden – und ob man sehen oder gesehen werden wollte.

An einem schattigen Platz im Ort, neben der angeblichen "Platane des Hippokrates", rekapitulieren die TeilnehmerInnen der Exkursion die Geschichte der Insel.

Bevor der Besuch des Johanniterkastells am Hafen begann – hier waren antike Spolien und ein Freilichtmuseum mit den für die Region typischen Grabaltären von Interesse – hielt ein Teilnehmer ein Referat zu den Bauten der Kreuzfahrer.

Eine Fahrt in den Südwesten der Insel führte nach Halasarna, wo ArchäologInnen der Universität Athen seit 1985 ein Apollonheiligtum und eine frühchristliche Siedlung ausgraben, sowie weiter zu einigen Heiligtümern in der Nähe von Kephalos. In Halasarna wurden die Gruppe von Frau Porphyridi von der Universität Athen und ihrem Team empfangen und auf der Grabung geführt.

Auf Rhodos, der Insel des Sonnengottes Helios, gab es drei Stadtstaaten mit bedeutenden Heiligtümern, die auch nach der gemeinsamen Gründung der Stadt Rhodos (408 v. Chr.) weiterbestanden (Ialysos, Kamiros und Lindos). Im dritten und zweiten Jahrhundert v. Chr. war Rhodos eine Mittelmacht, die mit allen zu dieser Zeit relevanten politischen Größen (den Königreichen der Makedonen, Pergamener, Seleukiden und Ptolemäer sowie den Römern) zu tun hatte und schließlich das Schicksal aller Griechen teilte: seit dem frühen zweiten Jahrhundert v. Chr. wurde die Politik des östlichen Mittelmeerraums von den Römern bestimmt. Rhodos hatte den neuen Herren eine berühmte Rhetorenschule sowie bedeutende Bildhauer zu bieten. In Rhodos-Stadt sind neben der Akropolis die ausgedehnten Nekropolen von besonderem Interesse. Im Bild: … Kontrolle ist besser: So manche Angabe in der Sekundärliteratur muss überprüft werden, u.a. mit unkonventionellen Hilfsmitteln.

Einer der Höhepunkte der Exkursion war der Besuch des Athena-Heiligtums in Lindos. Die Akropolis liegt zwischen zwei natürlichen Häfen und bietet eine fantastische Aussicht. Der Tempel der Athena Lindia wurde hart an der Felskante direkt oberhalb einer großen Höhle gebaut und behielt diesen Ort bei, als das Heiligtum im dritten und zweiten Jahrhundert v. Chr. mit prächtigen Tor- und Hallenanlagen auf Terrassen ausgestattet wurde. Es ist daher anzunehmen, dass – wie so oft – dieses Naturmal der Nukleus des Heiligtums ist.

Den Besuch der schwer zugänglichen Kulthöhle, die sonst anscheinend eher von Ziegen aufgesucht wird, konnten die TeilnehmerInnen der Exkursion nicht auslassen. Im Bild: Blick auf die Kulthöhle und den oberhalb gelegenen Tempel.

Die Gruppe steigt zur Kulthöhle auf.

Das letzte Ziel der Exkursion war Vroulia an der Südspitze von Rhodos. Die Siedlung wurde im siebten Jahrhundert v. Chr. nur zwei Generationen lang bewohnt.

An der von Marion Meyer (zweite von links) und Sven Schipporeit (vorne Mitte) vom Institut für Klassische Archäologie geleiteten Exkursion nahmen 12 Studierende teil. (Fotos: Marion Meyer und Katharina Preindl).

In der uni:view-Sommerserie "Sommerpost" berichten Lehrende und Studierende von spannenden Exkursionen und lassen so die "Daheimgebliebenen" an ihren Lehr- und Lernerfahrungen fernab des Hörsaals teilhaben.
Univ.-Prof. Dr. Marion Meyer ist Vorständin des Instituts für Klassische Archäologie. Dr. Sven Schipporeit ist ebenfalls am Institut für Klassische Archäologie tätig.