Sommerdiskurs aus Wirtschaft, Recht und Kultur 2018
Gastbeitrag der Sommerhochschule der Universität Wien | 13. August 2018Der diesjährige Sommerdiskurs der Universität Wien trug den Titel "Sicherheit und Rationalität". Die behandelten Themen reichten von der kognitiven Basis individueller und kollektiver Entscheidungsfindung über der Rationalität kollektiver Entscheidungsfindung bis zu Cyber Security.
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Der Sommerdiskurs, der jedes Jahr im Rahmen des Sommerprogramms der Sommerhochschule univie: summer school International and European Studies stattfindet, hat auch in diesem Jahr wieder hervorragende WissenschafterInnen und ExpertInnen als Vortragende, ModeratorInnen und DiskutantInnen gewinnen können und so einen spannenden Austausch mit interessanten Perspektiven ermöglicht. Im Sommerdiskurs präsentiert sich die Universität Wien als öffentlicher Raum, als Ort der sozialen Interaktion, als Forum des Nachdenkens und der Diskussion. Im Bild, Initiator des Sommerdiskurses und Direktor der Sommerhochschule, Franz-Stefan Meissel bei der Begrüßung der diesjährigen TeilnehmerInnen.
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Eröffnet wurde der diesjährige Sommerdiskurs durch die beiden Vorträge von Martin Kocher (im Bild), Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Höhere Studien in Wien und Professor an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien und Natalie Sebanz, Professorin in Cognitive Science an der Central European Universtiy. Martin Kocher sprach über die Entscheidungsfindung und rationale Wahl aus einer ökonomischen Perspektive. Der Mensch trifft 1.000 Entscheidungen täglich, im Gegensatz zum Homo Oeconomicus handeln Menschen oft nicht rational und nicht selbstsüchtig, dies träfe selbst auf Unternehmen zu.
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Die Psychologin Natalie Sebanz (im Bild) erforscht, wie Expertise im Bereich des gemeinsamen Handelns entsteht und wie interpersonale Koordination zum Erlernen individueller Fähigkeiten beiträgt. Sie ist Mitglied der Academia Europaea und der Leopoldina und wurde u.a. mit dem Young Mind and Brain Prize ausgezeichnet. Im Rahmen des Sommerdiskurses sprach sie über die kognitive Basis individueller und kollektiver Entscheidungsfindung. Sollte vor einer Entscheidung möglichst viel überlegt und abgewogen oder doch auf sein Bauchgefühl gehört werden? Ihrer Meinung nach haben fast alle Verfahren ihre Vor-, aber auch ihre Nachteile.
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Am Vormittag des zweiten Tages des Sommerdiskurses drehte sich alles um "Autonomous Systems" und die dadurch resultierenden Möglichkeiten, Herausforderungen und Risiken. Wie werden diese Systeme, wie zum Beispiel das selbstfahrende Auto, unser Leben verändern? Wer trägt die Verantwortung, wenn ein Fehler passiert? Darüber referierten und diskutierten Susanne Beck (Professorin am Kriminalwissenschaftlichen Institut der Leibnitz Universität Hannover), Iris Eisenberger, (Leiterin des Institutes für Rechtswissenschaften an der Universität für Bodenkultur Wien), Tobias Gantner (Direktor des European Center for Patient Centric Innovation and Medical Entrepreneurship am WHO Campus der Universität Maastricht), Helmut Hanusch (Vorstandsmitglied des Verbandes Österreichischer Zeitungsherausgeber und –verleger) und Julian Pehm (Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Europäisches Schadenersatzrecht der Österreichischen Akademie der Wissenschaften).
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Während Susanne Beck und Iris Eisenberger davor warnen, die Entwicklung im Bereich Autonomous Systems allzu positiv zu sehen, ist sich dagegen Tobias Gantner (im Bild) sicher, dass die Entwicklung im Bereich der künstlichen Intelligenz zu einer Demokratisierung der Gesellschaft führen wird. Er sieht vor allem für den Gesundheitsbereich Vorteile, die besonders den PatientInnen nützen werden. Seiner Meinung nach wird der/die PatientIn durch die neuen technischen Möglichkeiten in den Mittelpunkt gestellt. Doch auch er sieht Herausforderungen im Bereich der Gesetzeslagen, die so schnell wie möglich angegangen und geklärt werden sollten.
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Die Kriminalwissenschafterin Susanne Beck (im Bild) sprach über die legalen Aspekte der Autonomous Systems. Wer übernimmt zum Beispiel die Verantwortung, wenn hinter der Fehlentscheidung des selbstfahrenden Autos ein Informations-Netzwerk liegt? Sie warnt davor, dass Computer-Programme nicht, wie vielfach angenommen, "neutrale Entscheidungen" treffen. Sie basieren nämlich auf Daten, die eingespielt werden. So liefert z.B. ein US-amerikanisches Job-Portal Männern besser bezahlte Job-Anzeigen als Frauen. Auch Iris Eisenberger wies auf mögliche Fehlentwicklungen von Künstlicher Intelligenz hin und dass destruktive Formen oft unterschätzt werden. Sie verwies auf die Chatbot-Software "Tay" von Microsoft, welche durch NutzerInnen mittels Tricks massenhaft zu rassistischen Entgleisungen verleitet wurde.
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Der Donnerstagnachmittag widmete sich dem Thema "Rationalität kollektiver Entscheidungsfindung". Im Rahmen von Impulsreferaten und einer anschließenden Podiumsdiskussion wurde die Entscheidungsfindung bei Gericht, beim Militär und bei der Europäischen Zentralbank veranschaulicht und diskutiert. Im Anschluss wurde das Thema in verschiedenen Mini-Workshops behandelt.
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Im Bild der Initiator des Sommerdiskurses und Direktor der Sommerhochschule Franz-Stefan Meissel mit der neuen Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Elisabeth Lovrek. In der angeregten Diskussion nach den Impulsreferaten zur "Rationalität kollektiver Entscheidungsfindung" wurde unter anderem darüber diskutiert, wie manche starke Persönlichkeiten den Entscheidungsprozess beeinflussen können und welchen Einfluss hierarchische Systeme dabei haben.
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Ein kulturelles Highlight des Sommerdiskurses war das Kammerkonzert am Donnerstagabend in der Kirche von Strobl mit Mitgliedern der Wiener Philharmoniker. Kirill Kobantschenko (Violine), Pavel Kuzmiche (Violine), Wolf-Dieter Rath (Viola), Gundula Leitner (Violoncello) und Gregor Hinterreiter (Klarinette – nicht am Bild) verwöhnten die TeilnehmerInnen des Sommerdiskurses mit Klängen von Wolfgang Amadeus Mozart.
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Die Impulsreferate am letzten Tag des Sommerdiskurses befassten sich mit den unterschiedlichen Herausforderungen und Aspekten von "Cyber Security". Hierzu nahmen Stellung (von rechts nach links): Brigadier Peter Deckenbacher (Stellvertretender Kommandant des Kommandos Führungsunterstützung & Cyber Defence), Christoph Tschohl (Prokurist des Zentrums für digitale Menschenrechte der Research Institute AG & Co KG), Sonja Dürager (Juristin bei bpv Hügel Rechtsanwälte), Nikolaus Forgó (Vorstand des Instituts für Innovation und Digitalisierung im Recht an der Universität Wien), der die verschiedenen Beiträge moderierte, Ralph Janik (Lehrbeauftragter an der Universität Wien) und Franz-Stephan Meissel, Leiter des Sommerdiskurses und Direktor der Sommerhochschule.
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Am Freitagnachmittag lud das Kunsthistorische Museum wieder zu einem Kunsthistorischen Gespräch. Kunsthistoriker Daniel Uchtmann hatte wieder ein Bild mitgebracht, das seiner Meinung nach zum Thema des aktuellen Sommerdiskurses passt. In diesem Jahr war es das Werk "Simson und Delila" vom flämischen Künstler Anthonis van Dyck; die Nachmittagsveranstaltung trug den Titel "Opfer aus Vernunft: Simson und Delila – Ein divergentes Heldenpaar". Delila lieferte ihren Geliebten Simson an die feindlichen Philister aus. Sie hatte herausgefunden, dass seine außerordentliche Kraft in seinen Haaren lag und ließ sie während er schlief abschneiden. Im Zentrum des Werkes stehen die Gefühle der beiden Protagonisten.
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Abschluss des Sommerdiskurses 2018 war eine Schifffahrt von Strobl nach St. Wolfgang und ein feierliches Abschlussessen im Weißen Rössl. (Alle Fotos © SHS)