Rudern mit Gewicht: Die Universität Wien in Venedig

Die Rudermannschaft der Universität Wien wurde heuer zum fünften Mal von der Ca' Foscari Universität in Venedig zur historischen Regatta eingeladen. Philipp Kornfeind vom Institut für Sportwissenschaft und Trainer des Uni Wien-Teams berichtet für uni:view vom außergewöhnlichen Rennen am Canal Grande.

Die Regata Storica hat ihre Ursprünge im 13. Jahrhundert und wird seit langer Zeit als das traditionellste Wassersportereignis in Venedig zelebriert. Lange Zeit ausschließlich für Gondolieri unterschiedlicher Bootsklassen ausgetragen, wurden 2011 erstmals die Pforten über die Grenzen hinaus geöffnet. Die Teilnahme an der Regata Storica, die am 3. September stattfand, ist für uns eine große Ehre, da sich in dieser elitären Ruderrunde, neben den italienischen Mannschaften, meist nur zwei bis drei internationale Teams einfinden dürfen.

Dank des Engagements unserer langjährigen Ruderstudentin Nora Zwillink gelang es trotz parallel stattfindender Ruderregatten, eine der bislang stärksten Mannschaftsaufstellungen nach Venedig zu entsenden. Daher ist die Platzierung auf dem vierten Platz besonders bitter, lässt sich aber anhand des folgenden Berichtes besser nachvollziehen.

Bei der Regata Storica rudern die Studierenden nicht in den gewohnten Rennruderbooten mit ultraleichtem Equipment, sondern in den 800 Kilogramm schweren "Galeoni di Venezia". Diese Konstruktion, angelehnt an das historische Original, erlaubt das Rudern auch auf hoher See sowie unter harschen Wetterbedingungen. Durch das Gesamtgewicht von ungefähr 1.500 Kilogramm gestaltet sich das Beschleunigen der Boote trotz maximalem Krafteinsatz ein wenig träge.

Nach der Ankunft in Venedig führte unsere Mannschaft noch in den Abendstunden eine erste Trainingsausfahrt im ungewohnten Boot durch. Da sich die Zusammensetzung der teilnehmenden Studierenden von Jahr zu Jahr stark ändert, ist jede Trainingsminute vor Ort wertvoll. Schnell war klar, dass wir uns vor den Gegnern aus Venedig, Padua, Bari und Warwick keineswegs verstecken müssen. Motiviert bezog unsere Mannschaft das Quartier in der Nähe der Ca' Foscari Universität, um sich für das Qualifikationsrennen am Samstag vorzubereiten.

Nach der morgendlichen Stärkung mit Cappuccino und Croissant trafen wir am Gelände des Rudervereins auf der Nachbarinsel Giudecca für das Abschlusstraining ein. Anschließend konnten sich die angereisten Mannschaften bei einem gemeinsamen Mittagessen vor dem Rennen noch persönlich kennenlernen.

Punkt 15 Uhr begannen am Samstag die Qualifikationsrennen mit Wien gegen Padua, dem Angstgegner von Venedig. Nach einem fulminanten Start folgte ein klares und kontrolliertes Rennen über die Kurzdistanz, das unsere Mannschaft mit gut erkennbarem Vorsprung gewann. Vorsichtig optimistisch beobachteten wir das Folgerennen zwischen Bari und Warwick, das nach dem Start sehr knapp, letztendlich aber doch mit einer deutlichen Führung an die Italiener ging. Respektvoll und angespannt näherten wir uns dem entscheidenden Semi-Finale gegen Bari.

Die Aufstellung am Start war leider nicht optimal, Bari schummelte sich um etwa einen Ruderplatz vor und hatte ein wenig Anfangsgeschwindigkeit, ehe kurz darauf das Startkommando ertönte. Durch den sensationellen Start der Wiener Mannschaft wurde der leichte "Offset" aber bereits nach 50 Metern kompensiert. Nach ungefähr 150 zurückgelegten Metern folgte ein unerwarteter Ausbruch von Bari und wir mussten trotz sofortiger Einlage (Konter) unseren Gegnern hinterher rudern.
 
Trotz Niederlage gratulierten wir unseren Gegnern sportlich und bedankten uns traditionell mit einem dreifachen "hipp hipp hurra", ehe wir geknickt ans Ufer ruderten. Spätestens jetzt akzeptierten auch wir die Tatsache, dass Bari dieses Jahr eine überaus wettkampfstarke Mannschaft nach Venedig entsandt hatte. Mit dem Ziel, das kleine Finale (erneut gegen Padua) am Sonntag für uns zu entscheiden, verließen wir die Insel Giudecca. Meine abendliche Ansprache sowie ein wenig vergorener Traubensaft (plus eine Runde italienisches Eis) konnte die Stimmung glücklicherweise ein wenig heben.

Der große Tag begann mit gespaltenen Gefühlen. Einerseits die Gewissheit, gegen Padua ein Rezept gefunden zu haben, andererseits die Frage, ob dieser Plan auch auf der fast dreifachen Distanz aufgehen würde. Immerhin hatte Padua im Juni bei einem ähnlichen Rennen – jedoch am offenen Meer und auf über 2000 Metern – den Lokalmatador Venedig besiegt. Bari besitzt übrigens ebenso wie einige andere Provinzen in Italien eine "Galeone di Venezia" und trainiert regelmäßig die besondere Ruderbewegung.

Am Tag der Regata Storica herrschte in Venedig Ausnahmezustand. In fünffacher Ausführung wurden wir 30 Minuten lang über die lokalen Gegebenheiten unterrichtet und durften anschließend der offiziellen Zeremonie mit den feierlich geschmückten Galeeren beiwohnen. Um etwa 17 Uhr begaben sich die Mannschaften aus Padua und Wien in die Boote, um von der Ca' Foscari Universität etwa 750 Meter zur Rialto Brücke zu rudern.

Zwar nahmen wir auf dem Weg zum Start für einen kurzen Moment die monumentale Kulisse am Canal Grande wahr, fürs Genießen war die Anspannung aber zu groß. Die Startaufstellung erfolgte mit beidseitigem Vorschummeln (man lernt ja dazu) und es kam erneut zu einem "fliegenden" Start: Dabei starten beide Teams mit geringer Geschwindigkeit aus dem Fahren heraus. Unseren Studierenden gelang wieder ein hervorragender Start und wir brachten uns mit einem knappen Vorsprung von etwa einem Ruderplatz in Position.

Die kommenden 300 Meter verlief alles nach Plan, bis uns die italienische Kompetenz in dieser Bootsklasse erneut einen Strich durch die Rechnung machte. Padua drehte auf und erhöhte das Tempo geringfügig (geht nicht anders bei 1,5 Tonnen). Wir versuchten natürlich mitzugehen und steigerten ebenso die Schlagfrequenz. Mit über einer Bootslänge Abstand konnten sich die Italiener jedoch absetzen. Unser fulminanter Endspurt reichte bloß noch für eine Reduktion des Vorsprungs und Padua entschied das Rennen schließlich für sich.

Nach einer längeren Verschnaufpause bedankten wir uns bei Padua für das spannende Rennen und gratulierten anschließend mit Handschlag und Umarmung zu diesem verdienten Ergebnis.

Nun richteten sich alle Blicke auf das spannende Finale und auch das bis dahin stabile und sonnige Wetter änderte sich kurzfristig. Der Start erfolgte in einem lautstarken Umfeld von Fans und die Positionen der beiden italienischen Boote blieben bis zur Hälfte gleich auf. Bari spielte die Langstreckenkompetenz erneut aus und fuhr Venedig sukzessive davon. Der Mannschaft gelang das schier Unmögliche: Sie besiegte Venedig erstmals in ihrer Heimatstadt vor den Augen von Millionen ZuseherInnen (das Rennen wurde auf dem Fernsehsender RAI 2 live übertragen).

Was nehmen wir dieses Jahr mit nach Wien? Ganz klar: Sollte es noch einmal zu einem Ruderwettkampf kommen, werden wir uns noch gewissenhafter vorbereiten und eine spezifische Trainingsvorbereitung ins Auge fassen. Ich persönlich war einmal mehr von der überdurchschnittlichen Gastfreundschaft, dem professionellem Veranstalter und natürlich auch von der Menschlichkeit der beteiligten Personen schwer beeindruckt. Ein universitärer Wettkampf, bei dem es gelingt, Tradition, Fairness und sportliche Höchstleistung in eine derart wundervolle Veranstaltung zu verpacken, verdient höchstes Lob. Großer Dank und Respekt für diese tollen Leistungen gebührt aber vor allem der diesjährigen Mannschaft der Universität Wien. (Text: Philipp Kornfeind/red / Fotos: Arnold Baca)

Die Mannschaft der Universität Wien:  
Lukas Goldschmied, Philipp Kornfeind, Christoph Krofitsch, Max Lehrer, Marion Mallweger, Richard Malousek, Klemens Matousek, Manuel Parg und Elvira Thonhofer;

Ergebnisse der Regata Storica (Sonntag):
1.    Bari
2.    Venedig
3.    Padua
4.    Wien
5.    Warwick