Post aus dem Reich der Mitte (Tag 1-5)
Gastbeitrag von Lucas Odehnal und Silvia Wurm | 13. August 201320 GeographiestudentInnen der Universität Wien sind gemeinsam mit 17 Studierenden aus China für 25 Tage auf dem Weg durch das Südöstliche China. Für uni:view berichten sie über ihre Reise durch dieses faszinierende und häufig so widersprüchliche Land.

Tag 1. Endlich geht's los! Wir nehmen an der China-Exkursion zum Rahmenthema "Naturgefahren, Risiken und anthropogener Einfluss in China" teil, angeboten vom Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien. Diese Lehrveranstaltung ist gemeinsam mit der Nanjing Normal University geplant und wird von Shibiao Bai, Benni Thiebes und Thomas Glade geleitet. Insgesamt sind wir 35 Studierende, davon 20 aus Österreich und 14 aus China. Nach dem 14-stündigen, anstrengenden Flug von Wien über Dubai landen wir am Nachmittag in Shanghai-Pudong, dem größtem Flughafen Chinas.

Tag 2. Bereits auf dem Weg ins Hotel mit der Magnetschwebebahn und der anschließenden Metro stellen alle fest, dass es viele Menschen in Shanghai gibt ... Aber: Endlich angekommen!

Wir checken in unserem Hotel ein und genießen im Anschluss ein "richtiges" chinesisches Essen. Dabei sammeln wir bereits erste Erfahrungen mit den chinesischen Tischgewohnheiten – und mit Chop-Sticks. Den Tag klingt mit einem Ausflug an den "Shanghai Bund" aus – eine touristisch stark aufgewertete "Water-Front", die auch noch spät abends von Chinesinnen und Chinesen aller Altersgruppen genutzt wird.

Tag 3. Am Vormittag erleben wir den "Central Business District". Wir diskutieren die unterschiedliche Nutzung der "Nanjing Dong Rd.", die sehr viele Ähnlichkeiten mit einer westlichen Einkaufsstraße aufweist – mit Filialen bekannter Marken wie Gucci, Chanel, Rolex, Bulgari, etc. In China ist es üblich, lange Straßen nach den Himmelsrichtungen zu unterteilen. Die "Nanjing Dong Rd. – Dong steht für "Ost" – endet im People's Park, einer klimatisch wertvollen und intensiv genutzten Grünfläche im Herzen Shanghais.

Der People's Park (der dem Wiener Stadtpark gleicht) dient den BewohnerInnen nicht nur zur Erholung, sondern bietet genügend Platz für Bewegungsübungen, Gruppentanz und die Pflege sozialer Kontakte: Kartenspielende Männer, tanzende Frauen sowie Familien, die ihre Freizeit genießen, dominieren das Bild der Grünanlage. Die Parks sind nicht nur als ein Regulator für das Stadtklima wichtig, sondern auch ein zentraler Bestandteil der chinesischen Gesellschaft.

Im Zuge unserer Parkerkundung stoßen wir auf einen für uns recht ungewöhnlichen Markt, den "Wedding Market". Hier arrangieren Eltern für ihre Kinder Treffen mit potentiellen Ehepartnern. Auf den Steckbriefen sind neben Porträtfotos die zentralen "Daten" aufgeführt, u.a. Alter, Größe, Einkommen, etc. ... U.a. aufgrund der langen Arbeitszeiten und des wenigen Urlaubs verfügen viele junge Erwachsene nicht über die zeitlichen Möglichkeiten, selbst Bekanntschaften und Beziehungen aufzubauen.

Unmittelbar am People's Park liegt das auch architektonisch interessante "Urban Planning Exhibition Center". Solche Zentren sind eine bei den ChinesInnen beliebte Form, gesellschaftlich relevante Informationen publik zu machen. Neben internationalen Touristengruppen sind hier sehr viele Schulklassen anzutreffen.

Ein riesiges Modell Shanghais macht uns erstmals die Komplexität und das Gesamtausmaß dieser Stadt bewusst. Der Großteil der Menschen lebt in Hochhäusern, nur in einem kleinen südöstlich gelegenen Stadtteil gibt es Einzelhäuser – reserviert für die "High Society" der Stadt. Im Modell sind alle Gebäude unterschiedlich beleuchtet – farbige Lichter stehen für die bereits existierenden Gebäude, die weiße Beleuchtung markiert die in Bau befindlichen, und die mit blauen Farben dargestellten Gebäude stellen die geplanten Hochhäuser dar. Durch die begleitenden Ausstellungen werden die historische und die geplante Stadtentwicklung eindrücklich erläutert.

Am Nachmittag besuchen wir die "Shanghai Land Subsidence Monitoring Show". In diesem Center wird die Herausforderung des großen Wasserbedarfs Shanghais und der Auswirkungen auf den Grundwasserspiegel sowie die Deformation der Erdoberflächen anschaulich dargestellt. Die Leiter dieser Forschungseinrichtung führen uns durch das Gebäude und erläutern begleitend zur Ausstellung die Problematik der Oberflächensenkung aufgrund der Grundwasserentnahme. Wie auf dem Foto zu erkennen ist, fanden die meisten flächenhaften Oberflächenabsenkungen (engl. Land Subsidence) in den 1960er Jahren mit 1,6 m im Zeitraum 1921-1961 statt. Wir diskutieren den durch die Hochhäuser verursachten enormen Druck auf die Erdoberfläche.

Ein Teil der Ausstellung ist den aktiven Messstellen gewidmet, die Daten aus verschiedenen Tiefen und Aquiferen (Grundwasserleitern) in bis zu 160 Meter tiefen Bohrlöchern gewinnen. Diese Messdaten können auf einem großen interaktiven Touchscreen abgerufen und graphisch dargestellt werden. Um der Absenkung entgegen zu wirken, wird durch eine künstliche Wasserrückführung in den Grundwasserkörper (2.000 Pumpstationen in Shanghai) versucht, die Subsidenz zu kontrollieren. Daneben wurde die Grundwasserentnahme nahezu eingeschränkt – nur noch 0,1 Prozent des verwendeten Wassers stammen aus dem Grundwasser. Eine Absenkung findet jedoch immer noch statt und verursacht große Probleme, z.B. auch entlang der großen U-Bahnstrecken. Abends fahren wir mit dem Expresszug nach Nanjing.

Tag 4. Nach einem für uns ungewöhnlichen Frühstück ("Germ-Teigknödel", Frühlingsrollen, Nudelsuppe, Reis, diverse Gemüsesorten und Salate) im Hotel der Nanjing Normal University (NNU) lernen wir im Rahmen eines Seminars die chinesischen TeilnehmerInnen unserer Exkursion kennen. In der obligatorischen "Welcome Ceremony" werden wir herzlich vom Vizerektor der NNU willkommen geheißen. Der österreichische Leiter erläutert kurz die fachlichen und organisatorischen Hintergründe, und wir bekommen feierlich die Exkursionsfahne überreicht.

Nach der sehr freundlichen Begrüßung durch die chinesische Studierendenvertreterin richtet auch unsere Vertreterin dankende Worte an die Gastgeber. Im Anschluss referieren alle chinesischen und österreichischen Studierenden – auf Englisch – zu exkursionsrelevanten Themen wie "Human Geography", "Physical Geography", "Human Impact on Geosystems" und "Natural Hazards and Risks".

Zum Ausklang des ersten Präsentationstags führen uns unsere Gastgeber durch einen wunderschön gelegenen Park inmitten Nanjings, und vor der Kulisse des künstlich angelegten "Xuanwu Lake" erhalten wir Einblicke in dessen 1.200-jährige Geschichte. Danach geht es weiter zum traditionellen chinesischen Abendessen.

Mit Bäuchen voller Gemüse, Fleisch, Schnecken, Tofu und Hühnerfüßen besuchen wir am Heimweg den Konfuzius-Tempel. Dieser Tempel mit seinen verschiedenen Innenhöfen strahlt besonders in der Nacht durch die Beleuchtung eine ganz besondere Stimmung aus. Anschließend fahren wir sehr müde, aber voller neuer und teilweiser für uns sehr fremder Eindrücke zurück ins Hotel.
Tag 5. Heute geht es weiter mit dem Seminar ... das wir nach intensiven neun Stunden beenden. Zitat der Gastgeber: "Now it's beer time!" Fortsetzung folgt ...