Am Montag, 3. Juni 2013, diskutierte Heinz W. Engl, Rektor der Universität Wien, im Rahmen der Reihe "Universität im Gespräch" an einem prominent besetzten Podium über Zukunftsbranchen, Erwartungshaltungen potenzieller Arbeitgeber und die neuen Herausforderungen auf dem heutigen Arbeitsmarkt.
Moderatorin Martina Salomon (re.), stellvertretende Chefredakteurin der Tageszeitung Kurier, begrüßte die PodiumsteilnehmerInnen und die interessierten Gäste im Großen Festsaal der Universität Wien. Einleitend betonte Hausherr Rektor Engl (li.), wie wichtig die universitäre Grundlagenausbildung sei. Er selbst habe Anfang der 1970er Jahre begonnen, Mathematik zu studieren, und kann das damals erworbene Grundwissen – trotz der enormen technischen Weiterentwicklung – noch heute nutzen. Weiters wies er auf die erfolgreiche Jobsuche der AbsolventInnen der Universität Wien hin, die relativ unabhängig vom Studium rasch einen Job bekommen: 50 Prozent der AbsolventInnen nach zweieinhalb Monaten, 75 Prozent nach sechs Monaten.
Für Susanna Zapreva, Geschäftsführerin von Wien Energie, bot ihr Technikstudium eine solide Basis: "Man braucht aber mehr: Zielstrebigkeit, Leidenschaft und Selbstvertrauen." Für sie ist es ganz klar, dass man wissen muss, was man will, um erfolgreich im Berufsleben zu sein.
Claus Raidl, Präsident der Österreichischen Nationalbank, zeigt sich gleich von Beginn an durchaus kritisch. Seiner Meinung nach kommen im österreichischen Bildungssystem generell die Social Skills zu kurz. "Die Universitäten gehören entlastet. Da könnten die Fachhochschulen viel aufnehmen." Er selbst verlangt bzw. erwartet sich von AbsolventInnen eine solide Grundausbildung, die Fähigkeit sich zu vertiefen und generell offen und flexibel zu sein. Hier schaltet sich Rektor Engl ein, der betont, dass die Synergien zwischen Universitäten und Fachhochschulen wichtig sind: "Beide haben ihre Rolle, es soll eine Freundschaft sein."
Gerhard Riemer, Bildungsexperte der Industriellenvereinigung, ist ebenso der Meinung, dass Zusatzqualifikationen enorm wichtig sind. Er fragt bei Bewerbungsgesprächen gerne, was die Leute "sonst noch so machen." Enttäuscht ist er, wenn er hört "da ruhe ich mich aus" und betont: "Man braucht das Andere, also Hobbies und Freizeit, auch". Sein Rat: "Nicht nur Dinge richtig tun, sondern auch die richtigen Dinge tun."
Alexandra Fox hat Sinologie und Wirtschaftswissenschaften studiert und u.a. in Peking gearbeitet. Heute leitet sie in einem internationalen Industrieunternehmen eine Abteilung für Controlling. Auch sie rät Studierenden und AbsolventInnen, flexibel und gleichzeitig zielstrebig zu sein.
Christian Müller-Uri, Präsident des Österreichischen Apothekerverbandes, bedauert, dass es zu wenige AbsolventInnen in der Pharmazie gibt. Hier würden mehr Kräfte benötigt. Rektor Engl ist sich dieses Problems bewusst und weist darauf hin, dass er diesbezüglich mit dem Apothekerverband im Dialog steht.
Hier schaltet sich Susanna Zapreva ein, die ebenso bedauert, dass es schwierig sei, wirklich gute TechnikerInnen zu finden. "Wir müssen Visionen – in meinem Fall im Energiebereich – und Motivation schaffen, um Zukunftsprobleme zu lösen." Rektor Engl sieht u.a. im international kompatiblen Bologna-System die Chance, AbsolventInnen für die Zukunft vorzubereiten. Da stimmt ihm Gerhard Riemer zu, der der Überzeugung ist, Bologna sei der richtige Weg. Alexandra Fox sieht das wiederum etwas kritischer: "Wenn ich mit dem Bachelor aufgehört hätte, würde mir viel Wissen abgehen. Gerade während des Doktoratsstudiums habe ich durch die Vertiefung Reflexionsfähigkeit erworben."
Martina Salomon bittet nach rund einer Stunde interessanter Diskussion zur Schlussrunde und fragt die ExpertInnen am Podium nach ihrer Einschätzung zu zukunftsträchtigen Branchen. Gerhard Riemer und Susanna Zapreva sind sich in jenem Punkt einig, dass es gerade im MINT-Bereich an Nachwuchs mangelt und man diese – an österreichischen Universitäten qualitativ sehr guten – Studien attraktiver für StudienanfängerInnen gestalten müsse. Pharmazeut Christian Müller-Uri setzt sich natürlich stark für Gesundheitsberufe ein. Für Alexandra Fox und Susanna Zapreva liegen die Zukunftsbranchen im Energie- und Umweltbereich.
"Wenn Sie gut sind, können Sie in jeder Branche Geld verdienen", ist Claus Raidl der Meinung. Es sei schwierig, schon jetzt die Berufsbilder der Zukunft vorherzusagen. Dem wiederspricht Energieexpertin Zapreva: "Wir leben in einer Welt mit Angebot und Nachfrage. Und es kann und sollte heute nicht sein, dass es schwierig ist, einen guten Techniker zu finden. Und ich traue mich sogar zu sagen, dass auch in den nächsten 30, 40 Jahren die Zukunftsjobs im Bereich Technik und Naturwissenschaften liegen. Davon bin ich überzeugt."
Zukunftsträchtig ist für Rektor Engl eine fundierte Ausbildung, in der Interdisziplinarität gefördert wird. Dafür setze sich die Universität Wien auch besonders ein: "So haben wir ganz bewusst am neuen Standort der Universität in der Währingerstraße 29 Informatik und Publizistik gemeinsam untergebracht. Da ergeben sich wichtige Synergien."
Raum für Synergien und weiteren Austausch gab es dann auch beim Buffet im Kleinen Festsaal der Universität Wien, wo der Diskussionsabend gemütlich ausklang. (Text: Theresa Dirtl, Fotos: Markus Steiner)
UNIVERSITÄT WIEN IM GESPRÄCH Die Veranstaltungreihe "Universität Wien im Gespräch" ist eine Initiative der Universität Wien und der Tageszeitung "Kurier". ExpertInnen diskutieren zu aktuellen Themen aus Bildung, Forschung, Wirtschaft und Gesellschaft. Für Herbst 2013 sind zwei weitere Termine in Planung.