Neue Wege im Botanischen Garten

Am 1. Juli wurde im Botanischen Garten der Universität Wien mit dem "Endlicher-Fenzl-Kerner-Weg" nicht nur ein neuer Weg eröffnet, sondern auch die inhaltliche Neuausrichtung der sogenannten "Systematischen Gruppe" nach neuesten Erkenntnissen der Forschung eingeleitet.

Heute wird der "Endlicher-Fenzl-Kerner-Weg" zum ersten Mal offiziell begangen: Trotz sommerlicher Hitze sind viele Fans des Botanischen Gartens der Einladung von Michael Kiehn, dem Leiter der Core Facility Botanischer Garten, gefolgt. Aber zum Glück bietet der acht Hektar große "universitäre Wald" mit über 1.500 Bäumen und Sträuchern ausreichend angenehme Schattenplätze, und so steht der "Erstbegehung" nichts im Wege.


Auch für die Begrüßung und einleitenden Worte haben Michael Kiehn und Karl Schwaha ein schattiges Plätzchen gefunden. "Eigentlich gibt es heute zwei Eröffnungen", verkündet Michael Kiehn: Nach dem Spaziergang auf dem "Endlicher-Fenzl-Kerner-Weg" findet die Vernissage der Ausstellung "PalArt" im Kalthaus statt. Vizerektor Schwaha streicht die Bedeutung des Botanischen Gartens der Universität Wien für Forschung, Lehre und die sogenannte "Third Mission" – die Wissensvermittlung an die breite Öffentlichkeit – hervor.


Die Platane, unter der uns Historikerin Maria Petz-Grabenbauer mit auf eine Zeitreise in die Geschichte des Botanischen Gartens nimmt, hätte einiges zu erzählen: Sie stand wohl schon zu Zeiten von Stephan Endlicher (1804-49), Eduard Fenzl (1808-79) und Anton Kerner von Marilaun (1831-98) hier. Leider kann sie nicht sprechen, und so hat sich Petz-Grabenberger durch Archive und Aufzeichnungen gearbeitet und schließlich die Lebensgeschichten der drei Gartendirektoren aufgearbeitet, die den Bereich der Systematischen Gruppe in besonderer Weise geprägt haben. Der Endlicher-Fenzl-Kerner-Weg folgt ihren Spuren.


Stephan Endlicher initiierte eine umfassende Neugestaltung der Gartenanlage. Auf der Grundlage seines bahnbrechenden Werkes "Genera plantarum" hatte er die Vision eines "natürlichen Systems" der Pflanzen. Eduard Fenzl begleitete bereits die Entwicklung des von Endlicher initiierten Vorhabens und realisierte als Direktor von 1849 bis 1878 die komplette Umgestaltung des Gartens – zu Unrecht ist seine Arbeit in Vergessenheit geraten und soll u.a. durch die Benennung des neuen Wegs ins verdiente Licht gerückt werden. Anton Kerner von Marilaun schließlich ließ die krautigen Arten entlang der Wege nach seinen Vorstellungen komplett neu anpflanzen.


Entlang des Endlicher-Fenzl-Kerner-Wegs werden nun ehemals gültige wissenschaftliche Konzepte der botanischen Systematik den aktuellen vergleichend gegenübergestellt. Barbara Knickmann, die Sammlungsleiterin des Botanischen Gartens, erklärt die inhaltliche Neuausrichtung der Systematischen Gruppe. Diese Neuausrichtung erfolgt im Rahmen des Forschungsschwerpunktes "Patterns and Processes of Plant Evolution" der Fakultät für Lebenswissenschaften in enger Zusammenarbeit mit dem Department für Botanik und Biodiversitätsforschung. Barbara Knickmann bedankt sich weiter bei den engagierten Gärtnern: Sie haben zum Beispiel die Idee, kreisrunde Beete anzulegen, wieder ausgegraben – buchstäblich, denn beim Anlegen der Beete hat man in der Erde alte Beeteinfassungen aus dem 19. Jahrhundert entdeckt. Hier kommen einzelne Pflanzen besonders gut zur Geltung.


Auf den Spuren seiner Vorgänger als Gartendirektoren: Michael Kiehn vor einem neu angelegten Beet, in dem verschiedene Vertreter derselben Familie nebeneinander wachsen und so gut miteinander verglichen werden können.


Noch eine Tradition aus dem 19. Jahrhundert, die heute im Botanischen Garten wieder auflebt: die musikalische Soiree am Mittwochnachmittag. Zwischen den inhaltlichen Inputs entlang des Wegs bringt das Ensemble Sonante barocke Musik zu Gehör. Zu Traversflöte und Barockcello gesellt sich später bei der Ausstellungseröffnung noch ein Cembalo dazu.


Im Bild: Monika Kiehn mit Friedrich Ehrendorfer, der auch lange Jahre als Direktor des Botanischen Gartens der Universität Wien in den Fußstapfen von Endlicher, Fenzl und Kerner wanderte.


Der informative und musikalische Rundgang endet bei Wein und Brot im Kalthaus des Botanischen Gartens, wo die Ausstellung "PalArt for PalDat" eröffnet wird. Zum Verkauf stehen noch bis Sonntag, 13. September, die Bilder von kunst- und malbegeisterten Mitgliedern der Abteilung für Strukturelle und Funktionelle Botanik an der Universität Wien. Aus dem Erlös wird die weltweit größte Datenbank zum Thema Pollen (www.paldat.org) finanziell unterstützt.


Alumnus der Universität Wien Stefan Graf (re. im Bild) hat mit seiner Diplomarbeit "Die systematische Abteilung des Botanischen Gartens der Universität Wien. Didaktische Konzepte unter der Berücksichtigung der Geschichte des Systems" (2008) wichtige Vorarbeiten für die inhaltliche Neuausrichtung des Systematischen Gruppe und die heutige Eröffnung des Endlicher-Fenzl-Kerner-Wegs geleistet. 


Neben u.a. den UnterstützerInnen des Projekts "Endlicher-Fenzl-Kerner-Weg" – Raiffeisen, Österreichische Gartenbaugesellschaft (ÖGG) und Verein der Freunde des Botanischen Gartens – sowie VertreterInnen der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien, der Bezirksvorstehung des dritten Bezirks und der Agentur "d-licious", die die Schautafeln gestaltet hat, ist auch der Botschafter von Australien David Stuart unter den Ehrengästen des heutigen Nachmittags.


Im Bild: Bernadette Ralser, Chefredakteurin von uni:view, dem Online-Magazin der Universität Wien, mit Nora Frei von der Universität Bielefeld, die im Rahmen des Erasmus Staff Exchange-Programms zwei Wochen an der Universität Wien verbringt. "Es war sehr interessant zu erfahren, dass Forscher schon im 19. Jahrhundert innovative Ideen zur Pflanzensystematik hatten, die sie damals aber noch nicht beweisen konnten. Mittlerweile hat sich vieles davon als richtig herausgestellt", beschreibt Nora Frei ihre Eindrücke von diesem "botanischen Mittwochnachmittag" im Jubiläumsjahr der Universität Wien. (Text: uni:view; Fotos: Rudolf Hromniak/Botanischer Garten der Universität Wien)