Nach der WM: Feiern und Genießen
Gastbeitrag von Agnes Bauer | 06. August 2014Nach dem Ende der Fußball-WM ist in Brasilien wieder Alltag eingekehrt. Die Niederlage im Halbfinal-Duell gegen Deutschland war zwar bitter, ist mittlerweile aber überwunden und die BrasilianerInnen können sich ihrer liebsten Freizeitbeschäftigung widmen: Feiern und Genießen.

Bei der Straßendekoration während der Fußball-WM ließen die BrasilianerInnen ihrer Kreativität freien Lauf. Das Bild zeigt eine ganz normale Gasse in Rio de Janeiro. Die grün-gelben Fähnchen, die über der Straße angebracht sind, waren so gut wie überall in der Stadt zu finden. Doch die Dekoration war natürlich nicht nur darauf beschränkt: Von grellen Farben – vor allem grün und gelb – und ausgefallenen Wandmalereien bis zu eher schlichtem Schmuck – wie kleine oder große Nationalflaggen – war alles auf den Straßen zu sehen.

Nicht nur das Auge, sondern auch das Ohr musste sich während der Weltmeisterschaft in Brasilien an außergewöhnliche Phänomene gewöhnen. Die "Vuvuzela", die als Symbol des südafrikanischen Fußballs gilt, ist auch hier in Brasilien längst angekommen und sorgte als "Stimmungsmacher" für die richtige Fußball-Atmosphäre. Vor allem einige Stunden vor den Spielen der brasilianischen Mannschaft dröhnten die grün-gelben Blasinstrumente wild drauflos. Auf den Straßen wurde es dann teilweise unerträglich laut, besonders wenn man gerade direkt an einer spielenden Vuvuzela vorbeispazierte.

In einigen Vierteln gab es sogar eigene Wettbewerbe für die am schönsten geschmückte Straße. Bei diesen süßen Männchen auf der Wand handelt es sich um Gürteltiere, die offiziellen Maskottchen der Fußball-Weltmeisterschaft. Während meiner Freiwilligen-Arbeit in einem Kindergarten in der Favela "Rocinha" half ich auch selbst mit, um die Gasse, in der sich der Kindergarten befindet, mit einer besonderen Dekoration zu versehen.

Wie in allen anderen Städten, in denen Fußballspiele stattfanden, gab es auch in Rio de Janeiro ein FIFA-Fanfest. Auf einer großen Leinwand konnte man alle Spiele kostenlos mitverfolgen. Dementsprechend viele Fans versammelten sich dort, auch um die brasilianische Mannschaft lautstark zu unterstützen. Vor allem im Stadtviertel Copacabana, wo das Fanfestival stattfand und sich außerdem viele TouristInnen befanden, ging es heiß her. Die Stimmung hat mich etwas an den Karneval erinnert: Das ganze Volk war in Feierlaune, selbst wenn noch kein Ergebnis feststand. Die unterschiedlichsten Nationalitäten waren vertreten und ließen sich mit BrasilianerInnen oder Fans aus anderen Ländern fotografieren. Ich drückte während der gesamten WM natürlich Brasilien die Daumen. Im Bild: Ich mit einem Freund vor dem Eingang des FIFA-Fanfestes.

Die Tage, an denen Brasilien spielte, wurden wie Feiertage zelebriert. Die meisten Geschäfte – mit Ausnahme der Supermärkte – waren geschlossen und viele Menschen mussten nicht zur Arbeit. Ganz unterschiedlich verfolgten die BrasilianerInnen die Spiele. Ob in Bars (jede Bar hatte zumindest einen kleinen Fernseher), auf der Straße (Leinwand), zu Hause oder auf großen Fan-Veranstaltungen – in ganz Brasilien herrschte Hochspannung. Angefeuert wurde natürlich mit voller Leidenschaft, auch Buh-Rufe und Beschimpfungen blieben dabei nicht aus.

Dass es gegen Deutschland eng werden würde, war wohl allen bewusst. Doch mit einer solchen Niederlage hatte niemand gerechnet. Ich selbst habe das Halbfinale in Salvador (im Bundesstaat Bahia) mitverfolgt, da ich gerade auf Reisen war. Beim etwa dritten Tor Deutschlands wurde die Frustration sichtbar – viele Fans standen auf und gingen davon, andere waren den Tränen nahe. In den Gesichtern der BrasilianerInnen, die mir am Heimweg auf den Straßen begegneten, war Leere, pure Enttäuschung und Wut zu sehen. Selbst für mich war es schwierig mitanzusehen, wie das brasilianische Team von unseren Nachbarn "vernichtet" wurde. Schon am nächsten Tag schien aber alles wieder wie zuvor und das normale Leben konnte weitergehen.

Die Enttäuschung und Trauer über den Misserfolg im Halbfinale war bald vergessen und die BrasilianerInnen konnten wieder ihren Lieblings-Freizeitbeschäftigungen nachgehen: Feiern und Genießen. In diesem Jahr wurden nämlich einige Feste aufgrund der WM erst im Juli gefeiert. So etwa auch das traditionelle Juni-Fest "festa junina", das ursprünglich von den Portugiesen nach Brasilien gebracht wurde. Von den Ureinwohnern (indigenen Völkern) und schwarzen Völkern wurde es dann verändert und entwickelte sich so zu einer ganz eigenen nationalen Tradition. Beim "festa julina" eines Kindergartens in der Favela, in der ich öfter arbeite, war Verkleidung Pflicht (Country-Style). Auf dem Programm standen Spiele, traditionelle Köstlichkeiten und Tänze ("forró"). (Text und Fotos: Agnes Bauer)
Agnes Bauer ist Studentin der Theater-Film und Medienwissenschaften und Romanistik an der Universität Wien. Im Rahmen des Non-EU Student Exchange Program verbringt sie zwei Semester (von Februar bis Dezember 2014) an der Universidade Federal do Rio de Janeiro.
- uni:view-Dossier "Olá Brasil!"
- Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät
- Institut für Romanistik der der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät
- Non-EU Student Exchange Program der Universität Wien
- Universidade Federal do Rio de Janeiro